Den Beitrag von Sven Schlickowey* entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion dem Bergischen Boten, dem Print- und Online-Magazin für alles Bergische:
Remscheid/Solingen | Die Bergischen Symphoniker, das Orchester der Städte Remscheid und Solingen, bekommen einen neuen Generalmusikdirektor. Wir sprachen mit Daniel Huppert über Mentalitätsunterschiede, Pläne für die erste Saison und gute Gründe, ins Bergische zu ziehen.
BB: Bevor wir über Sie reden, muss ich Sie warnen: Der Berger an sich begegnet Zugezogenen oft mit Skepsis, weil er sich immer fragt, warum derjenige gerade zu uns ins Bergische gezogen ist. Also gebe ich die Frage an Sie weiter: Warum Solingen und Remscheid, warum die Bergischen Symphoniker?
Daniel Huppert: Das Entscheidende ist ja: Man macht Musik mit Menschen und man braucht immer ein Gegenüber. Das ganze Drumherum muss stimmen, dann ist es eigentlich egal, ob man nach Brasilien oder nach China oder eben ins Bergische Land geht. Bei den Bergischen Symphonikern hatte ich von vornherein das Gefühl, dass wir einen guten Draht zueinander haben. Und ich empfinde das Orchester als eine Art Geheimtipp, mit einem unglaublichen Potenzial, sich zu entwickeln.
BB: Die Remscheider und Solinger haben einen ganz eigenen Blick auf ihr Orchester. Sie wissen natürlich, dass das nicht die Berliner Philharmoniker sind, sehen aber auch, dass es aus seinen Möglichkeiten meist das Beste macht, auch weil man immer innovativ und offen ist. Würden Sie dem zustimmen?
Huppert: Das sehe ich ganz genauso und das ist auch der Grund, warum das Orchester für sich genommen so interessant ist. Es geht ja nicht immer nur darum, Champions League zu spielen, sondern es geht auch darum, eine möglichst breite und interessante Konzertstruktur zu bauen und sich im positiven Sinn breit aufzustellen.
BB: Spielte bei Ihrer Entscheidung für die Bergischen Symphoniker auch eine Rolle, dass der Bestand des Orchesters politisch und wirtschaftlich bis 2029 gesichert ist?
Huppert: Wenn mich das nicht interessieren würde, wäre ich schon sehr blauäugig. Dass ich mich andernfalls nur allein deswegen nicht dafür entschieden hätte, glaube ich zwar nicht, aber es ist schon ein großer Faktor. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Politik sich vor das Orchester gestellt hat. Und ich werde mein Bestes tun, dass das auch so bleibt.
BB: Hatten Sie eigentlich vorher irgendeine andere Beziehung zum Bergischen? Waren Sie schon mal auf Schloss Burg oder sind Sie schon mal Schwebebahn gefahren?
Huppert: Beides, ist beides aber schon eine Weile her. Ich bin in der Nähe von Mannheim aufgewachsen, da ist Nordrhein-Westfalen ja nicht ganz so weit weg. Trotzdem entdecke ich die Region gerade neu. Mich hat das schon immer fasziniert, diese Mischung aus Industriekultur und Hochkultur. Und ich bin auch ein Naturliebhaber, das ist also ideal für mich, hier habe ich alles zusammen.
BB: Sie stammen aus der Pfalz, haben derzeit Engagements in Schwerin und der Schweiz, demnächst im Bergischen, waren aber auch schon in Frankreich und überall arbeiten Sie mit Musikern aus der ganzen Welt zusammen. Spielt da regionale Herkunft eigentlich eine Rolle?
Huppert: Es gibt schon Mentalitätsunterschiede, die Art zu proben, die Art miteinander umzugehen. Auch jetzt schon zwischen der Schweiz und Schwerin. Aber das gehört zu meinem Job, mich darauf einzustellen und das zu lernen. Dirigieren hat ja auch viel mit Menschenführung zu tun.
BB: Gibt es diese Unterschiede auch beim Publikum?
Huppert: Ja, die gibt es. Vor allem, wie das Publikum reagiert. Wenn man mal das gleiche Stück mit unterschiedlichen Orchestern an verschiedenen Orten gespielt hat, ist das schon sehr interessant. Natürlich ist man davon, wo man her kommt, geprägt. Ich merke das immer, wenn ich in Freiburg mit dem SWR-Symphonieorchester probe, das kommt meiner Mentalität schon sehr nahe. Aber da kommt mir das Bergische sehr entgegen, die Menschen sind offen, haben denselben Humor und eine direkte Art.
BB: Haben Sie schon Pläne für Ihr neues Orchester? Dürfen wir uns auf Neues freuen?
Huppert: Sie dürfen sich auf viel Neues freuen. Aber erstmal ist es mir wichtig, dass ich das Orchester, das Publikum, die Gegebenheiten kennenlerne. Wichtig ist mir, einen neuen Wind zu präsentieren, ohne das Orchester oder das Publikum zu verschrecken. Ich fände es auch sehr unseriös, von außen zu kommen und erstmal alles anders zu machen. Es gibt ja auch Traditionen. In Schwerin dirigiere ich zum Beispiel jedes Jahr dreimal vor ausverkauftem Haus Beethovens 9. Sinfonie – wenn ich das absetzen würde, würden die mich ausbürgern. Für die erste Saison in Solingen und Remscheid geht es also darum, das Format und das Gesicht der Bergischen Symphoniker so zu erhalten, wie man es kennt, und eher die Inhalte zu verändern.
BB: Sie bleiben parallel zu Ihrem neuen Job im Bergischen ein Jahr lang GMD in Schwerin und bleiben auch Chefdirigent der Zuger Sinfonietta in der Schweiz. Klingt so, als würden Sie die nächsten zwölf Monate viel pendeln.
Huppert: Ja, das stimmt. Aber es ist Gott sei Dank so, dass es uns gelungen ist, ganz gute Blöcke zu bauen. Ich werde also hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen sein und dann eher blockweise in Schwerin und in der Schweiz. Den einen oder anderen Flieger werde ich wohl kriegen müssen, es ist aber noch human.
BB: Obwohl Sie sind noch keine 40 Jahre alt sind, haben Sie schon einen beeindruckenden Lebenslauf vorzuweisen. Würden Sie es mir übel nehmen, wenn ich Sie als Karrierist bezeichne?
Huppert: Ich glaube, das passt nicht. Ehrlich gesagt, habe ich nie an meine Karriere gedacht.
BB: Ist das bei Ihnen also eine Art natürliche Entwicklung?
Huppert: Zu behaupten, dass Entwicklung alleine vom Himmel fällt, wäre auch falsch. Man arbeitet ja auch dafür. Mir ging es aber immer eher um die Sache, darum, sie so gut wie möglich zu machen.
BB: Ich muss nochmal auf Ihr Alter zurückkommen: Die meisten Ihrer Klassenkameraden dürften mit Grunge, Techno oder HipHop aufgewachsen sein. Wie sind Sie bei der Klassik gelandet?
Huppert: Ehrlich gesagt hat mich nie etwas anders als Klassik interessiert. Ich habe alles andere, was es da so gab, am Rande mitbekommen. Aber seit ich denken kann, gibt es für mich keine andere Musik als die klassische. Ich schätze andere Musik und habe viele Bekannte, die damit ihr Geld verdienen. Und ich werde auch sicherlich Cross-Over-Konzerte spielen und freue mich auch darauf. Aber eine Verbindung, dass ich emotional berührt werde, das gibt es nur bei der Klassik.
*Sven Schlickowey ist der leitende Redakteur beim Bergischen Boten. Geboren in Wipperfürth und aufgewachsen in Hückeswagen absolvierte er seine Ausbildung beim Remscheider General-Anzeiger, der Westdeutschen Zeitung, der dpa und beim WDR. Sven Schlickowey ist verheiratet und lebt mit Frau und zwei Kindern in Hückeswagen, er ist Fan des VfL Gummersbach, mag gutes Essen, schräge Bücher (z.B. Christopher Moore, Jim Knipfel) und natürlich alles, was mit Star Wars zu tun hat.
Beitragsfoto © Neda Navaee