Den nachfolgenden Beitrag entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid, weil wir davon ausgehen, daß die Information über eine Veranstaltung zum Thema Rechtspopulismus als Gefahr für Demokratie auch diesseits des Eschbachs von Interesse ist:
Gemeinsam befassten sich Linkspartei und SPD am 29. März im Ernst-Moritz Arndt Gymnasium mit dem Rechtspopulismus als einer existenziellen Gefahr für die Demokratie. Unter Moderation von Anne-Marie Faßbender referierten vor rund 50 Zuhörern und Zuhörerinnen Andre Hahn (MdB, Die Linke) und Sven Wolf (MdL, SPD).
Andre Hahn beginnt seinen Vortrag mit einem Blick auf Chemnitz, wo vor kurzem ein verstorbener stadtbekannter Neonazi im Fußballstadion während eines Fußballspiel mit einer Trauerminute und einem großen Foto auf der Videoleinwand geehrt wurde. Laut Hahn ist der Chemnitzer FC, der zurzeit Tabellenführer der Regionalliger Nordost sei, erpresst worden. Neonazis der Gruppe HONARA (Hooligans-Nazis-Rassisten) hätten mit Randale gedroht, falls der Verein die Ehrung verweigere.
Hahn betrachtet die Rechtsentwicklung in Sachsen nicht als etwas Neues, sondern schon vor 20 Jahren hätten DVU und NPD zusammen 15 bis 20 Prozent der Stimmen bekommen. In seiner Zeit im Sächsischen Landtag, berichtet Hahn weiter, hätten Nazis den Angriff der Engländer auf Dresden als Bombenholocaust und Hitler als größter Staatsmann bezeichnet, ein Rednerhabe im Landtag mit Blick auf die Linksfraktion gefordert: „Es müssen wieder Züge rollen.“
Ausländerfeindlichkeit und Rassismus kämen aus der Mitte der Gesellschaft so Hahn weiter, ein NPD Kreistrat zum Beispiel sei Facharzt in einer Kurklinik gewesen. Hahn sieht drei Möglichkeiten im Umgang mit Rechtsextremen: Ignorieren, Ausgrenzen oder die politische Auseinandersetzung suchen. Er selbst favorisiere die politische Auseinandersetzung; diese müsse angenommen werden, eine offene Diskussion werde gebraucht. Gleichzeitig mahnt er dazu, die Auseinandersetzung mit den Rechten auf jeden Fall friedlich zu führen, dies gelte auch für Proteste bei AfD-Parteitagen. Mit immer neuen Grenzüberschreitungen versuche die AfD ihrerseits die Grenzen nach rechts zu verschieben. Laut Hahn gibt es rechte Netzwerke bei Bundewehr und Polizei mit Kontakten zu Reichsbürgern.
Sven Wolf beginnt mit einem Bericht zum NSU. Diese Gruppe habe zehn Jahre lang aus dem Untergrund heraus Migranten getötet. Als Motivation der Gruppe sieht er den so genannten führerlosen Widerstand, in dem kleine Zellen für Unruhe sorgen, indem sie gegen Minderheiten vorgehen. Man stelle sich vor, so Wolf weiter, es hätte zehn solcher Gruppen gegeben, dann hätte es eine große Unruhe gegeben, Ziel der Gruppe sei es gewesen den Staat kaputt zu machen. Diese Theorien seien bei Extremismus-Forschern schon lange bekannt.
Nach dem Nagelbombenanschlag auf der Kreuzstraße in Köln hätten die Ermittlungen in der hauptsächlich von Migranten bewohnten Gegend für große Unruhe gesorgt, so Wolf. Den Anwohnern sei unterstellt worden, die Morde selbst begangen zu haben. Erst ein Hinweis von Scotland Yard habe schließlich die Ermittlungen auf die rechte Szene gelenkt. Wolf geht davon aus, dass der Hinweis auf die Kreuzstraße als Anschlagsort von einer lokalen rechten Gruppe gekommen sei. Ortsfremden sei die Straße sicherlich nicht als geeigneter Anschlagsort in den Sinn gekommen. Leider herrsche hierüber bis heute Unklarheit.
Sven Wolf warnt vor so genannten Vorfeldgruppen, diese würden junge Leute mit einfachen Mitteln ansprechen, hier spiele die Rechtsrock-Szene eine wichtige Rolle. Es werde versucht, die jungen Leute langsam an rechte Musik heranzuführen, bis sie sich irgendwann mit der Musik und ihren Inhalten identifizierten.
Wolf kommt auch auf die Partei „Die Rechte“ zu sprechen, diese sei zurzeit eine Partei in der Gründungsphase und müsse so nicht alle Kriterien für eine Partei einhalten. Während rechte Vereine und Kameradschaften relativ leicht zu verbieten seien, sei dies bei Parteien ungleich schwerer. Wolf schätzt die von Dortmunder Neonazis gegründete Partei als ein gefährliches Sammelbecken von Nazis ein. Ebenfalls als für gefährlich hält Wolf die so genannte Identitäre Bewegung ein, die mit ihrem modernen Habitus ihr rechtes Gedankengut verschleiere. Der FPÖ Innenminister Österreichs, Strache, spreche von ihnen als Gleichgesinnten.
Generell würden die Hemmschwellen der Rechten sinken, ihnen werde vielfach nicht entschlossen genug widersprochen. Die Gesellschaft müsse entschlossen „Nein“ sagen, in der Öffentlichkeit bliebe zurzeit vieles unwidersprochen. Rechtsradikale bedrohten unsere Demokratie, so Wolf. Die AfD im Landtag von NRW sei in zwei Gruppen gespalten, in Erzkonservative und Nazis. Um die innere Zerrissenheit nach außen zu vertuschen, würden viele unsinnige Anträge, wie beispielsweise das Verbot der „Roten Hilfe“, gestellt, für die der Landtag überhaupt nicht zuständig sei.
Anne-Marie Faßbender zeigt sich enttäuscht, dass offenbar keine Schüler des EMA zur Veranstaltung gekommen sind. Sie ist der Ansicht, dass die politische Bildung in den Schulen zu kurz komme. Sie selbst habe vieles über den Parlamentarismus erst im Rahme ihres Politikstudiums gelernt. Hierfür gibt es sowohl Zuspruch als auch Widerspruch aus dem Publikum. Andre Hahn weist darauf hin, dass es in Sachsen bis vor einigen Jahren möglich gewesen sei, den Geschichtsunterricht nach der zehnten Klasse abzuwählen. Auch darin sieht er eine Ursache für das Erstarken der Rechten.
Lutz Faßbender vom Ortsvorstand der IG Metall beklagt, dass zu wenig Menschen gegen rechts auf die Straße gingen. Diese Erfahrung der Demonstrationsmüdigkeit habe er schon vor Jahren gemacht, als die IG Metall den Widerstand gegen die Rentenkürzungen mit Demonstrationen Nachdruck verleihen wollte, sei nur ein Bus in Remscheid voll geworden.
Fazit eines irgendwie bedrückenden aber auch hoch interessanten Abends; Ja, der Rechtspopulismus bedroht unsere Demokratie, und ja, Demokraten müssen verstärkt sichtbar werden gegen rechts, nicht zuletzt auch auf der Straße! (Peter Lange)