Flugzeugkatastrophe vom 8. Dezember 1988 in Remscheid

Den nachfolgenden Beitrag von Lothar Kaiser entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid:

Remscheid | In den Mittagsstunden des 8. Dezember 1988 stürzt ein in Nörvenich stationierter US-Kampfbomber vom Typ A 10, “Thunderbold II”, auf dem Stadtgebiet Remscheids ab und hinterlässt an der Stockder Straße eine Spur der Verwüstung. Tragische Bilanz des Absturzes: Sieben Tote und zahlreiche Verletzte. Zwanzig Häuser werden beschädigt oder völlig zerstört, Teile der Maschine, die auf einem Firmengelände zerschellt, finden sich später noch in mehreren hundert Metern Entfernung wieder.

Ein Waterbölles-Bericht aus früheren Jahren, nach vorne geholt aus Anlass des 30. Jahrestages.

Jan Schulte las am 8. Dezember 1988 Zeitung, als das Unglück geschah: „Gegen 13.15 Uhr befand ich mich in unserem Wohnraum. Ich hatte vor meiner Schicht noch einen Augenblick Zeit zum Zeitunglesen. Da hörte ich plötzlich ein lautes Düsengeräusch. „Donnerwetter, der fliegt aber niedrig“, dachte da, da folgte auch schon eine ohrenbetäubende Detonation und neben unserem Haus schlug irgendetwas Schweres auf dem Boden auf. Ich sprang auf, in einem Satz war ich am Fenster und schaute in Richtung Stockder Straße. Mir stockte der Atem: Ich sah einen Explosionspilz von riesigem Ausmaß, der alle Spektralfarben hervorbrachte. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass etwas Schreckliches passiert war. Ich rannte auf die Strasse, ebenso unsere Nachbarn. Wir blickten alle schockiert in dieselbe Richtung. Baum- und Astspitzen brannten kurze Zeit, überall lag Munition ,die auch teilweise detonierte. Es war ein unbeschreibliches Inferno; so muss sich Krieg anhören.

Nachdem ich unser Haus auf mögliche Schäden kontrolliert hatte, tat ich etwas, was meine Frau bis heute nicht verstehen kann – ich setzte mich ins Auto und fuhr an Absperrungen vorbei zur Arbeit. Dort erfuhr ich dann durch Meldungen aus dem Rundfunk, was eigentlich geschehen war. Mir wurde klar, welch ein ungeheueres Glück wir gehabt hatten.“

Zur Zeit des Flugzeugabsturzes befand sich Ehefrau Christa Schwandrau, die bekannte Remscheider Malerin, in der Remscheider Innenstadt. Um nach Hause zu gelangen, musste sie eine militärische Absperrung passieren. „Ich war sehr schockiert, die Absturzstelle war nur 50 Meter Luftlinie von unserem Haus entfernt! Es roch sehr streng nach einem unbekannten Verbrennungscocktail. In der Siedlung Vorm Berg, in der wir wohnen, waren all Anwohner fassungslos und aufgeregt. Munition lag bei uns bis auf den Hof. Um mir ein weiteres Bild zu machen, ging ich durch den Busch zur David-Dominikus-Straße. Überall lag Munition. Auf dem Grundstück der Familie Tesche lag die Turbine des Jets. Frau Tesche hatte sie, da sie noch qualmte, mit Wasser gelöscht.

Der Fallschirm des Piloten war in Höhe ehemals Bremsershaus in einem Baum hängen geblieben. Auch sein Helm fand sich dort. Viele Soldaten liefen aufgeregt herum. Es war eine schreckliche Stimmung! Die Hubschrauber der Fernsehteams vollführten sich über unseren Köpfen riskante Flugmanöver, um die besten Aufnahmen von der Absturzstelle zu bekommen.

Abends kam mein Mann von der Arbeit. Er hatte die Explosion von unserem Haus aus miterlebt. Für mich war es kaum nachvollziehbar, wie er in diesem Ausnahmezustand arbeiten gehen konnte.

Als es morgens hell wurde, gingen wir sofort zur Familie Wolf mit ihren vier Söhnen, die in unmittelbarer Nähe der Absturzstelle wohnten. Auf der Wiese vor ihrem Haus lagen unzählige blaumetallische Päckchen in Zigarettenformat, Trimmgewichte des Düsenjägers, die ein amerikanischer Soldat mit umgehängter Maschinenpistole eiligst zusammenklaubte. Andere US-Soldaten schleppten aus den Vorgärten der anderen Häuser der David-Dominikus-Strasse große Behälter mit Munition und auch Flugzeugteile fort. Mein Mann entdeckte darunter auch scharfe Munition. Da er selbst beim Militär gewesen war, kannte er sich aus.

Überall an den Absperrungen standen junge Bundeswehrsoldaten, die mussten Wache halten in diesem feuchten Winterwetter. Wie viele andere Nachbarn auch versorgten wir sie mit Broten, Gebäck und heißem Kaffee.

Am 3. Tag traf ich auf unserer Straße zwei schwarze und einen weißen amerikanischen Soldaten. Der sprach mich in gutem Deutsch an: “Es tut mir sehr leid, was hier passiert ist. Es ist wirklich schrecklich.“ Auf die Frage nach seinem guten Deutsch erzählte er von seinem Großvater, der Deutscher sei. Auf meine Feststellung “Es hätte ja noch schlimmer sein können“ antwortete er: “Glück gehabt? Ich bin entsetzt! Spielen hier eigentlich auch Kinder?“ – „Ja“, gab ich zur Antwort, “natürlich.“ – „Hier dürfen keine Kinder mehr spielen!!“, war seine Antwort. Doch ehe ich nachfragen konnte, tauchten aus dem Busch zwei höher gestellte Militärs auf. Abrupt drehten sich die Drei um und folgten ihren Vorgesetzten. Und ich dachte mir: “Warum sollte der Soldat mich beunruhigen, wenn nicht etwas Schädigendes bei der Explosion entstanden sein muss?“ Übrigens brachte keine der Zeitungen und Fernsehanstalten, deren Reporter uns später interviewten, diese wichtige Aussage, genauso wenig wie die Geschichte mit den blauen Päckchen.“

Bei Kampfeinsätzen führt die A 10 uranhaltiger Munition mit sich. In Remscheid sei sie nur Übungsmunition bestückt gewesen, hieß es damals. Doch auch die Trimmgewichte in den Tragflächen enthalten abgereichertes Uran 238. Schon kurz nach dem Absturz des US-Bombers lief in Remscheid das Gerücht um, dabei sei abgereichertes Uran 238 frei geworden. Doch obwohl später im Bereich der Stockder Straße mehrere Personen an Krebs starben, die an Aufräumarbeiten beteiligt gewesen waren, wurde von offizieller Seite ein Zusammenhang nie bestätigt.

Im Internet fand sich unter http://dotter.wtal.de/INSIDE5.htm lange Zeit ein Bericht von Florian Neuhann ein Bericht von Florian Neuhann, in dem festgestellt wird, dass aus diesem Stoff im Brandfall ein aggressiver Feinstaub entsteht, radioaktiv und hochgiftig. Der Physiker Rolf Bertram wird darin mit den Worten zitiert, beim Einatmen von Feinstaub werde das Immunsystem stark geschwächt. „Später kommt es dann zu Erkrankungen des Blutsystems, man spricht von Leukämie. Aber es können auch alle anderen Krebserkrankungen eintreten.”

Einige Jahre nach der Flugzeugkatastrophe steigt in Remscheid die Krebsrate bei Kindern auf das Doppelte des Bundesdurchschnitts. Neuhann: “Das bestätigt auch das Kinderkrebsregister, bestreitet allerdings einen Zusammenhang mit dem Absturz. Fehlgeburten, Missbildungen bei Neugeborenen werden von einer Bürgerinitiative festgestellt. Und: In der Umgebung der Absturzstelle erkranken zunehmend auch Erwachsene.“

Im Juli 1992 stirbt ein Mann an Lungenkrebs, der in der Nähe der Unfallstelle eine Garage gemietet hatte. In der lagerten die Amerikaner vorübergehend Flugzeugteile, bei deren Zusammentragen der Remscheider geholfen hatte. Der Junior-Chef der Firma, auf deren Gelände die Maschine zerschellt war, starb an Krebs. Doch von offizieller Seite werden die Gefahren durch giftigen Uranstaub heruntergespielt oder gar nicht erst erwähnt.

Zitat aus dem Bericht von Florian Neuhann: „Die verkohlten und von der Munition aus dem Flieger zerschossenen Häuserwände sind längst renoviert, die Baulücken durch Mietwohnungen geschlossen. Das ist die Stockder Straße – in etwa so verschlafen wie der Hund von Nummer 127. ‚Achtung Kampfhund’, warnt ein Schild am Zaun, darunter kleiner: ‚Unser Hund kämpft mit dem Übergewicht’. Immerhin bellt er noch.“

Jan Schulte suchte und fand einen Tag nach dem Absturz das Flugzeugteil, das neben dem Haus eingeschlagen war. Es handelte sich um ein Avionikteil (Steuerelement). Was damit tun?

Jan Schulte, 1988 noch mit Vollbart

„Ich habe zuerst beim Bundesluftfahrtamt in Braunschweig angerufen. Dort sagte man mir, man sei nur für die zivile Luftfahrt zuständig. Dann habe ich es bei der Feuerwehr versucht. Deren Antwort war: ‚Damit haben wir nichts am Hut!’ Der Nächste Anruf galt der Polizei. Die hat mich an die Bundeswehr in Wuppertal verwiesen. Die wollte auch nichts mit der Sache zu tun haben. Und da ist mir dann endgültig der Kragen geplatzt. Ich habe denen gesagt: ‚Wenn das Ding nicht innerhalb einer halben Stunde abgeholt wird, fahre ich zur russischen Botschaft in Bonn-Bad Godesberg und werfe es dort über den Zaun.’ Und siehe da: Nach gerade mal 25 Minuten hielt vor unserem Haus ein olivfarbener VW und heraus stiegen drei Offiziere, darunter ein Oberst. Denen habe ich das Teil dann übergeben. Meine Frage: ’Ist das wichtig?’ – Antwort: ‚Ja, da können Sie sicher sein’, nahmen es und fuhren davon.“

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.