Als noch Holzkohle aus den Bergischen Wäldern kam

Den nachfolgenden Beitrag entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid:

Das von dem großen Wupperbogen umschlossene Gebiet des Bergischen Landes war im Mittelalter von riesigen Wäldern erfüllt, in denen die zerstreuten Siedlungen fast verschwanden. Der größte Teil dieser Waldungen befand sich im Besitz der Bergischen Grafen und diente ihnen als Jagdrevier. Solange die Herren auf ihrer Burg an der Wupper residierten, mag ihnen die Pflege ihrer Forsten und des Wildbestandes sehr am Herzen gelegen haben. Als sie aber ihren Sitz nach Düsseldorf verlegt hatten und nur noch in der schönen Jahreszeit oder bei festlichen Gelegenheiten ihr Stammschloss be­suchten, verloren die Wälder des Wuppergebiets diese Bedeutung.

Es ist kein Zufall, dass Graf Wilhelm II., der später die Her­zogswürde errang und eifrig um die Verschönerung seiner Landeshauptstadt Düsseldorf bemüht war, den Remscheidern seinen Hoch­wald an den Nordhängen des Eschbachtales zur Nutznießung überließ. Am 1. Mai 1369 schloss er mit den Remscheider Hofbesitzern einen Erbpachtvertrag, in dem er ihnen als Entgelt für die zu leistenden Abgaben gestattete, seinen „Hohenwald, das Remscheid genannt”, zu benutzen. Dass diese Nutzung unter anderem auch im Interesse der Gewerbetreibenden zwecks Gewinnung von Holzkohle erfolgte, geht aus der von Herzog Wilhelm IV. im Jahre 1564 er­neuerten Remscheider Waldordnung hervor. Beispielsweise durften von den Eichenstämmen nur „das Unterste und das Oberste”, d. h. die unteren Stammteile, soweit sie sich nicht als Zimmerholz verwenden ließen, und das Astwerk zur Kohlenbereitung benutzt werden. Es war verboten, Beitel und Holzhämmer mit in den Wald zu nehmen und die Bäume an Ort und Stelle zu zersägen und zu Scheiten zu „reißen”. Die Buchenstümpfe durften aus dem Boden herausgeschlagen und als „Kohlholz” verwendet werden, die Eichenstöcke dagegen nicht, damit dieselben neue Wurzelausschläge treiben konnten.

Die Holzkohlen wurden in der Regel in Meilern bereitet, deren Spuren man noch heute in unsern Wäldern auf Schritt und Tritt begegnet. Meist lagen sie in der Nähe von Wegen. Zahlreiche Meiler befanden sich aber auch an den Berghängen. Ihre Stätten erkennt man noch an den kleinen Plattformen, die hier durch Erdaufwurf geschaffen worden sind. Außerdem wurden die Kohlen noch in Gruben ge­brannt, in denen auch die Baumstümpfe verkohlt werden konnten. Im Jahre 1622 ging Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm mit den Bewohnern der südlichen Remscheider Höfe noch einen weitern Vertrag ein, durch den er ihnen 30 Morgen „untüchtigen Busches” im Grunde des Eschbachtales zur Wiesenkultur überwies. Dieses Schriftstück gibt uns auch nähere Kunde über die Ausdehnung des Remscheider Hochwaldes, der von Westhausen bis in die Nähe von Beysiepen und Birgden reichte.

Die großen Waldungen im Quellgebiet des Eschbachs, „die Birgdener und Altenberger Gemarke”, waren ebenfalls im Besitz des Landesherrn. Ihre Erbpächter, die auch dem Remscheider Holz­gericht unterstanden, waren meist Bewohner der dort gelegenen Höfe: Buchholzen, Beeck, Stöcken, Piepersberg, Jägerhaus, Greuel, Birgden (bei Lennep), Rotzkotten und Mixsiepen. Ferner war eine Reihe von Lenneper Familien daran beteiligt. Zu den Nutznießern der „Birgdener Gemarke” gehörten auch Remscheider Hofbesitzer, darunter die „Jäger” vom Birgden (bei Remscheid) und die „Loos” vom Beysiepen, die im 17. und 18. Jahrhundert im Eisengewerbe und Handel eine Rolle spielten.

In einem viel stärkeren Maße als die Gemarken des Esch­bachgebiets wurden die Wälder des Morsbachtales zur Gewinnung von Holzkohle herangezogen. Die Abhänge dieses Tales waren schon im Jahre 1369 der volkreichste Teil der Honschaft Remscheid. Die dichte Besiedlung des von der Natur wenig begünstigten Gebiets kann nur aus der frühen Entwicklung des dortigen Ge­werbes erklärt werden. Für die zahlreichen Schmiedewerkstätten dieser Gegend, zu denen sich zwischen 1500 und 1600 noch eine Reihe von Wasserhämmern gesellten, war die Beschaffung genügen­der Holzkohlen eine Lebensfrage.

Da die wachsende Volkszahl zu einer vermehrten Rodungstätigkeit zwang, schrumpften die in der Nähe gelegenen Wälder immer mehr zu­sammen (solche durch Rodung des „Herrenwaldes” entstandene Felder waren der Küppelsteiner, Reinshagener, Güldenwerther, Morsbacher, Fürberger, Holzer, sowie der obere und untere Hastener Acker). Die Folge war, dass die übriggebliebenen Teile über Gebühr ausgenutzt wurden und den Holzkohlenbedarf bald nicht mehr zu decken vermochten. Da lag der Gedanke nahe, in den umfangreichen Waldungen des Cronenberger Gebiets Ersatz zu suchen, und die Bergischen Grafen waren einsichtig genug, den Remscheidern die Holzkohlenbereitung im Brausholz zu gestatten. Auch dieser große Wald, der das Gebiet des Reinbachs erfüllte und jenseits des Kleinenhammerbaches seine Fortsetzung im soge­nannten „Lusbusch” fand, war als ehemalige Gemarke in den Be­sitz der Grafen gelangt. Am 28. Februar 1562 schloss Herzog Wilhelm IV. mit Remscheider und Cronenberger Bewohnern einen Erbpachtvertrag, der die Erneuerung eines viel früheren Abkommens darstellt und die alten Beziehungen der Markenwälder zum Gewerbe wieder klar er­kennen läßt. Die wahrscheinlich bereits im 14. Jahrhundert er­folgte Überlassung des Brausholzes an die Remscheider Schmiede bildet einen weiteren gewichtigen Beweis für das hohe Alter der Bergischen Gewerbetätigkeit.

Die Remscheider und Cronenberger Schmiede hatten aber mit ihren Beilen und Hepen derart im Brausholz gehaust, dass die gänzliche Vernichtung des Waldes zu befürchten stand, so dass der Herzog diesen sperren lassen musste. Weil aber die Beteiligten inständig darum baten, so wollte er ihnen die weitere Nutzung unter der Bedingung gestatten, dass von nun an Ordnung herrsche und die Nutznießer sich streng an die Bedingungen des Vertrages hielten. Auch musste von jetzt ab für den Morgen eine jährliche Abgabe entrichtet werden, während die Kohlen­bereitung bisher frei gewesen war.

Die „Erben” des Hofes Kuchhausen sollten 60 Morgen vorab von den Büschen haben, die sie, ohne eine Abgabe zu entrichten, zu ihrem Nutzen verwenden durften. Damit wurde ihren uralten Rechten an dem Markenwald Rechnung getragen. Dann wurde das übrige Gebiet des Brausholzes in 14 Parzellen gleichmäßig abge­teilt, so dass die Kuchhauser Hofbesitzer dabei noch mit einem weiteren Anteil bedacht werden konnten. Die übrigen Parzellen fielen an die zum Teil recht weit entlegenen dreizehn Remscheider Höfe, denen, wie bemerkt, der außerhalb ihrer Kirchspiels- und Amtsgrenzen gelegene Wald in erster Linie zur gewerblichen Nutzung zugewiesen worden war. Es handelt sich um die Höfe: Müngsten, Küppelstein, Güldenwerth, Stockden, Morsbach, Holz, zwei Höfe in Fürberg, zwei Höfe in Hasten, Büchel, Heidhof und Haddenbrock.

Nachdem die herzoglichen Beamten die einzelnen Abschnitte ,,gelecket“ (Baumzeichen) und „gepfählet” (Holzpfähle) hatten, wurden die Inhaber angewiesen, sich mit Holz- und Heidhacken der aufgestellten Ordnung gemäß zu verhalten. Der Gebrauch der Säge wie der des Holzhammers und der Eisenkeile zum Zersägen und Zerspalten der Stämme innerhalb des Waldes war also ähnlich wie in der Remscheider Waldordnung verboten, um die Verwendung wertvoller Bäume zur Kohlenbereitung zu verhindern. Bauhölzer wurden nach Bedarf, d. h. wenn die Berechtigten ein neues Wohnhaus oder eine Scheune errichten wollten, besonders angewiesen. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass die in alter Zeit benutzten Sägen ebenso wie die übrigen Holzhauerwerkzeuge schon in Bergi­schen Schmieden gefertigt worden sind.

Da die Nutzung der verschiedenen Waldabschnitte im Jahre 1562 den Berechtigten erb­lich zugeteilt wurde, so dürften die meisten der späteren Inhaber als die Nachkommen der ersten Pächter anzusehen sein. Unter ihnen erscheinen eine ganze Reihe von Namen, die den ältesten Cronen-berger Schmiede- und Schleifergeschlechtern angehören. In der Aus­lieferung ihrer Wälder an das Gewerbe waren die bergischen Landesherren so weit gegangen, dass ihnen selbst starke Bedenken kamen. Um die herzog­lichen Wälder bei Remscheid in besseren Stand zu bringen, sah Wilhelm IV. in der Waldordnung die Anlage von vier Eichenkämpen zur Anzucht von Pflänzlingen vor. Außerdem wurde den Nutznießern zur Pflicht gemacht, an Stelle einer gefällten Eiche zwei junge Stämmchen anzupflanzen.

Die Hammerwerks- und Schmiedebesitzer des Remscheider Gebiets verfügten auch, wie aus den Angaben des Remscheider Lagerbuchs von 1675 hervorgeht, über eigene Wälder in erheb­lichem Umfange. Dass auch die Verwertung der Privatwälder im Jahre 1675 an vielen Stellen schon bis zur Verwüstung vorge­schritten war, geht aus zahlreichen Flurnamen her­vor. An den Südhängen des Morsbachtales erinnern die Gebiete des „Brand” unterhalb Aue, des „schmalen Brand” bei Breitenbruch und des Rodenberg zwischen Holz und Fürberg an die frühe Entwaldung. Der Brandenbusch bei Kremenholl verdankt wahrscheinlich dem starken Holzbedarf der nahen Lobacher Hütte seinen Namen, und die Büsche „am Gebrannten” bei Reinshagen und Bliedinghausen haben, wie die dort befindlichen zahl­reichen Meilerplätze beweisen, ebenfalls ihre Baumbestände schon vor 1675 dem Gewerbe opfern müssen.

Da von einer geregelten Waldwirtschaft noch keine Rede war, so waren schon vor 250 Jahren ganze Bergrücken nur noch mit Heidekraut bedeckt wie „auf der Heiden” bei Stockden in der Nachbarschaft des Laus­busches, „an der Heiden” bei Hütz, „im Heidberg” bei Ehringhausen und bei Reinshagen, auf der „Flachsheiden” bei Reinshagen, der „Pausheide” bei Bliedinghausen und der „Bramertsheid” bei Menninghausen. Um 1730 waren die Waldungen des Morsbach- und Eschbachtales nach dem Zeugnis des Burger Kellners bereits derart holzarm, dass sich größeres Wild nicht darin aufzuhalten vermochte. Die „Buschordnung” des Kurfürsten Karl Philipp vom 13. März 1732 mit ihrer Bestimmung, dass allenthalben Eichenkämpe anzu­legen seien, dürfte nicht viel daran geändert haben. Bei dieser starken Ausnutzung ist es verständlich, dass sich um 1700 die Erschöpfung der Remscheider und Cronenberger Wälder stark bemerkbar machte. Sie sollte mit zur Errichtung von Hämmern an der oberen Wupper und zur Verpflanzung des Sensenhandwerks in das Gebiet der Mark führen. (In den Jahren 1730 bi1 1760 wurde bei der Genehmigung verschiedener Hammer­anlagen ausdrücklich vermerkt, dass dieselben mit Steinkohlen betrieben werden sollten, z. B. der Eisenhammer des Peter Moll von Lennep, den dieser 1732 in der Krebsöge an der Wupper errichtete, und der Reckhammer der „Kaufhändler und Eisenfabrikanten” Johann und Franz Hasenclever 1758 an der Einmündung des Lobachs in den Eschbach.) In der Mark hatte das Eisengewerbe die Wälder nicht so stark ausgebeutet, so dass Ende des 18. Jahrhunderts von dort ziemliche Mengen an Holzkohle in das Bergische geliefert wurden. Großenteils war aber um diese Zeit schon die Steinkohle zum wich­tigsten Feuerungsmittel geworden; auch für sie war Bezugsquelle die Grafschaft Mark. Zahlen über die Höhe des Kohlenverbrauchs in den Kirch­spielen Remscheid, Cronenberg und Lüttringhausen in den Jahren 1773 und 1774 bringt Hofkammerrat Jacobi. Ihm zufolge lieferte die Grafschaft Mark 18.000 Karren Steinkohle und 800 Karren hölzerne Kohlen sowie das Bergische Land selbst 1.400 Karren Holzkohlen 

(nach: „Aus der Geschichte der Remscheider und Bergischen Werkzeug- und Eisenindustrie“ von Wilhelm Engels und Paul Legers, erschienen 1928 zum 25jährigen Bestehen des Arbeitgeber-Verbandes der Eisen- und Metallindustrie von Remscheid und Umgebung e. V., 1979 im Verlag Ute Kierdorf als Faksimile­druck neu aufgelegt.)

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