In einem Gastkommentar in der WELT hat Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Humboldt-Universität Berlin, einen Schuldenschnitt auch für die deutschen Kommunen gefordert.
Der Bundestag habe jüngst einer Umstrukturierung der Schulden für Griechenland zugestimmt und damit den Weg frei gemacht für eine letzte Tranche aus dem Hilfspaket und vor allem für Schuldenerleichterungen. Allen kritischen Stimmen aus Deutschland hält Fratzscher entgegen, daß eine Umstrukturierung der Schulden für Griechenland auch im deutschen Eigeninteresse liege. Wenn aber diese diese Logik auf Griechenland zutreffe, „wieso dann nicht auch auf die deutschen Kommunen?“ Knapp ein Drittel aller deutschen Kommunen leide unter hohen Schulden, viele seien derart überschuldet, dass sie in Haushaltsverwahrung durch ihre Länder sind, also gar keine eigenverantwortlichen Entscheidungen mehr treffen könnten.
Fratzscher konstatiert ein massives Süd-Nord-Gefälle: Einerseits machten die Kommunen im Süden Überschüsse und tätigten zum Teil das Siebenfache an kommunalen Investitionen pro Kopf von Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern. Dabei seien kommunale Investitionen in der föderalen Struktur Deutschlands ungeheuer wichtig und machten mehr als die Hälfte aller öffentlichen Investitionen aus.
„Die staatliche Förderbank KfW schätzt in ihrem Kommunalpanel, dass die deutschen Kommunen einen Investitionsbedarf von knapp 159 Milliarden Euro haben. Das Problem der finanzschwachen Kommunen ist dabei erwiesenermaßen nicht, dass sie schlecht wirtschaften, sondern dass sie mit hohen Sozialausgaben belastet sind und zu wenige Möglichkeiten haben, selbst Steuereinnahmen zu generieren. So bleibt finanzschwachen Kommunen in wirtschaftlich schweren Zeiten meist keine andere Alternative, als Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu kürzen“, so der Professor für Makroökonomie und Finanzen.
Unternehmen siedelten sich lieber in reicheren Kommunen an, wo die Gewerbesteuern häufig geringer und viele gut qualifizierte Menschen verfügbar seien, was wiederum die regionalen Unterschiede vergrößere. An diesem Teufelskreis habe auch die Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs kaum etwas geändert.
„Ein Schuldenschnitt für die finanzschwachen deutschen Kommunen wäre ein wichtiger Schritt, um langfristig gleichwertige Lebensbedingungen herzustellen, und eine kluge Entscheidung, um mehr Wachstum und Wohlstand in Deutschland zu generieren.“