“Inakzeptabel”

Vom Bundestagsabgeordneten der CDU für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Dr. Hermann-Josef Tebroke, ist zur aktuellen Debatte um die Asyl- und Flüchtlingspolitik von CDU und CSU, Innenminister und  Bundesregierung noch nichts zu vernehmen. Dagegen hat Jürgen Hardt, CDU-Abgeordneter der Nachbarstadt Remscheid, eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht. Jürgen Hardt ist außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und gehört dem Fraktionsvorstand an:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Streit um Masterplan zur Flüchtlingspolitik

Liebe Freunde,

auf diesem Wege möchte ich Sie am Nachmittag des 14. Juni über den aktuellen Stand im unionsinternen Streit über den Masterplan des Bundesinnenministers Seehofer zur Flüchtlingspolitik informieren und eine vorläufige Bewertung abgeben.

Als zuständiger Bundesminister hat Horst Seehofer mit Unterstützung der Bundeskanzlerin und mit voller Rückendeckung aller Kolleginnen und Kollegen einen Masterplan zur Flüchtlingspolitik erarbeitet, der bereits ergriffene Maßnahmen sowie neue und weitergehende Vorschläge zur Flüchtlingspolitik zusammenfasst. Ein solcher Masterplan wäre als Arbeitsprogramm der Union und der Koalition zur Flüchtlingspolitik in dieser Legislaturperiode ein wichtiger Beitrag, bei diesem zentralen Thema spürbare Veränderungen hin zu einer umfassend kontrollierten Migration vorzunehmen.

Bis zum heutigen Nachmittag wissen wir als Abgeordnete der Unionsfraktion über die Details des Plans nur das, was Horst Seehofer in der Fraktionssitzung am 12. Juni in groben Zügen Preis gegeben hat. Das Papier ist beim Innenminister weiter unter Verschluss. Von allen Politikern kennen lediglich der Bundesinnenminister und die Bundeskanzlerin den Masterplan in Gänze.

Nachdem die CSU heute nochmals eine Sitzung der Landesgruppe – also der Mitglieder der CSU im Deutschen Bundestag – einberufen hatte, sind auch wir CDU-Mitglieder zu einer gemeinsamen Sitzung zusammengekommen. Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder stellte dar, dass unser Erster Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Alexander Dobrindt, der ja gleichzeitig auch der CSU-Landesgruppe vorsitzt, eine gemeinsame Sitzung der Fraktion und Entscheidung zu dieser Sache erst nach der Sitzung des CSU-Vorstands am kommenden Montag für sinnvoll hält. Umso wichtiger ist es, dass auch wir in der CDU uns jetzt mit der schwerwiegenden Störung des Verhältnisses unter uns Schwesterparteien beschäftigen.

Angela Merkel hat heute vor den Abgeordneten der CDU ihre Position dargelegt. Sie hat zunächst mitgeteilt, dass sie den Wunsch des Vorsitzenden unserer Schwesterpartei CSU, Horst Seehofer, respektiert, das Papier weiter unter Verschluss zu halten. Sie hat dann für sich festgestellt, dass der Masterplan ihre Unterstützung hat. Sie hat erläutert, dass sie in einem Punkt, nämlich der Frage, wie Flüchtlinge an der deutschen Außengrenze, also einer Binnengrenze innerhalb der EU, zurückgewiesen werden können, anderer Meinung ist als Seehofer. Sie will vermeiden, dass Deutschland einen unabgestimmten Alleingang unternimmt, der unsere Nachbarländer veranlassen könnte, die Asylsituation wieder zu verschärfen. Sie bittet die Unionsabgeordneten darum, bis zum EU-Gipfel Ende des Monats nicht in der Sache zu entscheiden. Sie will in den nächsten zwei Wochen mit unseren Nachbarn Vereinbarungen darüber erreichen, welche Flüchtlinge unter welchen Bedingungen an der Grenze in andere EU-Länder zurückgeschickt werden können und so in der Sache dem Anliegen des Innenministers entsprechen.

Wie die meisten Kolleginnen und Kollegen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war ich sehr überrascht, dass die Vereinbarung von CDU und CSU nach der Bundestagswahl – das „Regelwerk zur Integration“ – nun von der CSU wieder hinterfragt wird. Denn bereits damals wurde der in Rede stehende Sachverhalt, den nun Seehofer augenscheinlich in den Masterplan einbauen will, diskutiert und eine Lösung im nationalen Alleingang gemeinsam verworfen, weil ein solcher Ansatz mehr Risiken als Chancen für eine nachhaltige Lösung des Flüchtlingsthemas birgt.

Denn auch in der Sache selbst glaube ich nicht, dass strengere neue nationale Zurückweisungsregeln einen Beitrag zur weiteren Senkung der Flüchtlingszahlen leisten. Denn wir sind mit der Kooperation in Europa zu den Flüchtlingen erfolgreich: Die Zahlen sind drastisch gesunken. Und auch in 2018 liegen die Zahlen der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge Monat für Monat unter denen der Vorjahre, auch unter den vergleichsweise niedrigen Zahlen von 2017 mit weniger als insgesamt 200.000 Flüchtlingen. Unser Versprechen vom Herbst 2017 – die CSU nennt die 200.000 ja bekanntlich als Obergrenze – halten wir also ein. Wenn wir jetzt versuchen, deutsche Flüchtlingspolitik gegen unsere Nachbarn in der EU durchzusetzen, wird das, so fürchte ich, als Bumerang zu uns zurückkommen. Wir wären wohlmöglich wieder beim „Durchwinken nach Deutschland“ des Herbstes 2015. Diese Situation darf sich aber auf keinen Fall wiederholen, so bekräftigte das auch Angela Merkel heute in der CDU-Abgeordnetensitzung.

Ich finde es bedauerlich, dass wir den in Rede stehenden Text zur Stunde immer noch nicht vorliegen haben. Ich kann verstehen, dass ein Bundesminister die Früchte seiner Arbeit auch gerne selbst einfahren und die öffentliche Vorstellung selbst vornehmen will. Doch Horst Seehofer sollte seinen Masterplan uns jetzt zugänglich machen, damit wir in der Sache sauber diskutieren und dann auch entscheiden können.

Für inakzeptabel hielte ich es, wenn wir das Angebot der Bundeskanzlerin, kurzfristig mit den EU-Nachbarstaaten zu reden und zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, jetzt nicht annehmen würden. Unter den CDU-Abgeordneten des Deutschen Bundestags gab es für diesen Kompromissvorschlag breiten Rückhalt. Hätten Einzelne insgeheim erhofft, die Sitzung werde zu einem schwierigen Termin für die Bundeskanzlerin, so wären sie enttäuscht worden. Sie wird den Verlauf der Diskussion als Ermutigung erfahren haben.

Am meisten stört mich, dass die stetigen Fortschritte beim Thema Asyl, die eindeutige Verbesserung der Situation und auch die weitere Annäherung in der EU angesichts der ständigen kontroversen Diskussion viel zu wenig wahrgenommen wird. So muss ja bei den Bürgern der falsche Eindruck entstehen, das Problem wäre riesig und die Politik machtlos. Die Herausforderung der Flucht- und Migrationskrise ist in allen ihren Dimensionen zu bewältigen, wenn wir in Deutschland und Europa zusammenstehen und Herz und Kopf zusammen bringen. Im Vergleich zur Lage von vor drei Jahren sind wir europäisch ein gutes Stück voran gekommen. Von Landtagswahlterminen dürfen wir uns nicht treiben lassen.

In der kommenden Woche wird es Sitzungen der Parteivorstände von CDU und CSU und dann auch eine Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geben. Wir von der CDU werben dafür, das Thema noch bereits in dieser Woche innerhalb der Gesamtfraktion zu diskutieren. Ich bin nach dem heutigen Verlauf unserer CDU-Sitzung zuversichtlich, dass wir in der Union und in der Sachfrage zusammenbleiben. Denn wir wollen Angela Merkel stärken und die Fraktionsgemeinschaft erhalten. 

Es bleibt jedoch eine Frage, wie und warum ein solcher Einzelaspekt, die nur einen Teil unserer umfassenden Asyl- und Flüchtlingspolitik darstellt und im Übrigen seit langem diskutiert und wie ich finde im Herbst letzten Jahres abschließend beigelegt wurde, solch eine Kontroverse innerhalb der Union auslösen kann. Wir können und dürfen die Stabilität und Regierungsfähigkeit Deutschlands nicht durch Meinungsverschiedenheiten in dieser Einzelfrage gefährden. In international extrem schwierigen Zeiten tut Deutschland unter dem Einsatz von Bundeskanzlerin Merkel alles, um umsetzbare und wirksame Lösungen voran zu bringen. Hiervon hat jeder einzelne Bürger in Deutschland und Europa etwas. Das dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Ihr
Jürgen Hardt

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