Alles gut – Ankommen in Deutschland. Von Pia Lenz (SWR, Do 19.04.2018, 3.15-00.50)

Von Fritz Wolf

Wie funktioniert die Integration von Flüchtlingen? Wie bewältigen sie den Alltag. Pia Lenz beschreibt in ihrem Film „Alles gut – Ankommen in Deutschland“ einige Schicksale sehr konkret und genau – und vor allem aus der Perspektive der Flüchtlinge selbst. (SWR, Do 19.04.2018, 3.15-00.50). Der Film bekam in diesem Jahr den Grimmepreis. hier die Begründung der Jury Jurybegründung Grimmepreis

Ein kleiner Junge steht auf einem Schulhof, inmitten vieler Kinder und Eltern, mit einer Laterne in der Hand singt er ganz laut „He, du alter Mond…“ Als er erfährt, dass seine Mutter nicht kommen wird, er auch den Text nicht versteht, wird sein Gesang leiser und leiser, bis er verstummt. Trotz der vielen Menschen ist der siebenjährige Djaner allein. Es sind diese Bilder, die einem die Kehle zuschnüren. Pia Lenz, die nicht nur Autorin und Regisseurin des Film ist, sondern auch in weiten Teilen die Kamera selbst geführt hat, gelingt es, sensibel und differenziert, ihren Protagonisten ganz nah zu kommen. Nach dem Willkommen, wo viel über Flüchtlinge geredet wurde, lässt die junge Filmemacherin Betroffene für sich sprechen und bezieht all jene mit ein, die sie auf dem Weg in ein neues Alltagsleben unterstützen. Dabei entstehen durch den Perspektivwechsel, durch Bildkomposition und kluge Montage Bilder in selten gesehener Intensität. Eindrückliche Szenen zeigen die große Einsamkeit, die für Kinder, aber auch für die Erwachsenen Teil der Flucht und nun der Bewältigung von Alltag in einem fremden Land ist. Die Bilder sind nicht nur präzise, sondern vor allem berührend.

Adel, der verzweifelt auf seine Familie wartet, die irgendwo unterwegs auf der Flucht ist, wartet allein. Als Mahmud nicht mit dem Bruder zusammen zur Schule gehen darf, bleibt Djaner mit seinem neuen Schulranzen und der Freude auf das Abenteuer Schule allein. Als seine Familie den Bescheid über den abgelehnten Asylantrag erhält, verzweifelt Mutter Eleonore allein. Aber es gibt auch Bilder der Hoffnung: Adel, der die Ankunft seiner Familie vorbereitet und die Betten bezieht.

Pia Lenz nimmt nicht nur konsequent die Perspektive Geflüchteter ein und stellt die Probleme des Ankommens in den Mittelpunkt. Sie zeigt, dass Integration vor allem Hoffnung, Unterstützung der aufnehmenden Gesellschaft und große Empathie braucht. Schulleiter, Klassenlehrerin, Hilfsorganisationen bemühen sich und geraten dennoch immer wieder an die Grenzen gesetzlicher oder gesellschaftlicher Umstände. Der Begriff Integration kommt gar nicht vor. Der Ruf nach dem Miteinander, vor allem durch die Kinder, ist unüberhörbar. Damit beteiligt sich dieser Film an der aktuellen gesellschaftlichen Debatte um Obergrenzen, Familiennachzug und Integrationsbereitschaft und nimmt dabei keine politisch belehrende, sondern eine humanitäre Position ein.

Über die Bilder sehen wir den Wunsch Djaners, Ghofrans und ihrer Familien, integriert zu werden. Es braucht dafür weder zusätzliche, erklärende Texte noch eine begleitende Musik. Sie möchten in diesem Land, mit den Menschen hier zusammen leben. Alltag, der uns ganz normal erscheint, ist für Flüchtlingsfamilien oft pure Überforderung. Dass viele dennoch die Hoffnung nicht aufgeben, weil sie hier Schutz vor Krieg, Gewalt und Elend suchen, davon berichtet dieser Film. Damit erzählt er auf eindrückliche, herausragende Weise auch eine universelle Geschichte über Mitmenschlichkeit.

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