Dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung den nachfolgenden Beitrag über die Müngstener Brücke:
934.456 Nieten halten an der Müngstener Brücke die 4978 Tonnen Stahl in Form und auf Spannung. Die hundertprozentig kraftschlüssige Verbindung von Knotenblechen und Brückenlagern ist wichtig, damit die Brücke das Gewicht der Züge aushalten kann. Derzeit darf die Brücke nur von den „leichten“ Zügen von Abellio befahren werden. Künftig wird auch wieder Güterverkehr erlaubt sein. Deshalb wird das Strahlgitter von Deutschlands höchster Eisenbahnbrücke (107 Meter) derzeit verstärkt. Das betrifft insbesondere die so genannten Knotenbleche. Sie dienen im Stahlbau zur Verbindung einzelner Stahlbauträger und fungieren damit als Gelenkpunkte eines Tragwerks. Hergestellt wurden sie für die Müngstener Brücke jeweils aus einem Stück Stahlblech, das mit Bohrungen zur Aufnahme von Nieten versehen war. Die wichtigste Funktion eines Knotenblechs besteht darin, das punktgenaue Zusammentreffen der Schwerelinien im Tragwerk aufzufangen.
„2010 wurde bei Kontrollen deutlich, dass auch ein Austausch der 126 auf Knotenblechen aufliegenden Lager der Fahrbahnbrücke erforderlich war“, beschreibt Hans Günter Gewehr, Projektleiter der DB Netz mit Sitz in Düsseldorf, den Instandsetzungsbedarf. Ersetzt werden mussten auch die 28 Rollenlager der Müngstener Brücke (siehe Waterbölles-Video von Juli 2015), die ebenfalls auf Knotenblechen gelagert sind.
Mit dem Austausch beziehungsweise der Instandsetzung der Knotenbleche wurde 2013 begonnen. Günter Gewehr: „An diesen neuralgischen Punkten wird eine hundertprozentig kraftschlüssige Verbindung benötigt, um die eingeleiteten Kräfte sicher zu verarbeiten.“ Womit der Projektleiter damals nicht gerechnet hatte: „„Uns war bewusst, dass wir die Knotenbleche würden unterfüttern müssen; dafür hatten wir auch Futterbleche und Keilplatten ausgeschrieben. Schnell wurde aber deutlich, dass wir die gar nicht vorfertigen lassen konnten.“ Der Grund: Mit den Jahren hatte sich das Bauwerk statisch deutlich verändert. Über nicht mehr voll funktionsfähige Lager hatten sich ungeplante Kräfte ihren eigenen Weg gesucht und auf die Konstruktion eingewirkt; „Im Ergebnis zeigte sich jeder Ansatz für die Knotenbleche anders – mal dicker, mal dünner, mal hier, mal dort anzupassen.“
Auch eine Neuvermessung der gesamten Konstruktion zur Vorfertigung von Lager-Keilplatten oder -Futterblechen war keine Option, wie sich herausstellte: „Dadurch dass der Brückenbogen links und rechts so eingespannt ist, wirken sich schon geringste Temperaturschwankungen auf die Gesamtkonstruktion aus. Da geht der Bogen schon allein durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung gern mal um gut vier Zentimeter nach oben oder unten. Messungen, die morgens gemacht wurden, waren also mitunter schon mittags nichts mehr wert.“
Was tun? MM1018 musste her! Dieser metallpolymere Werkstoff der Diamant Metallplastic GmbH in Mönchengladbach sorgt für einen hundertprozentig kraftschlüssigen Spaltausgleich. Das mit speziellen metallischen Stoffen hoch aufgefülltes Zweikomponenten-Reaktionsharzsystem bewährt sich bereits seit Jahrzehnten weltweit vor allem im Brücken-, Stahl- und Stahlwasserbau sowie im Schiffsbau. In einem Arbeitsschritt leistet MM1018 den erforderlichen Spaltausgleich ohne mechanische Bearbeitung und ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Keilplatten oder Futterbleche. Es kann flüssig oder als Paste verwendet werden. In beiden Varianten ist das Material in der Regel nach 24 Stunden voll ausgehärtet und belastbar. Das erspart Zeit und Personal. Für die DB Netz AG die ideale Lösung dar, um die notwendige Präzision an den Verbindungen zwischen Knotenblechen und Lagern der Müngstener Brücke zu erzielen. „Ein Glücksgriff“, so Hans Günter Gewehr. Bei der Müngstener Brücke wurden beide Varianten verwendet.
Vermutlich Ende 2018 soll die Ertüchtigung der Müngstener Brücke abgeschlossen sein. Dann werden auch wieder Güterzüge über die Brücke fahren können. Die Pressestelle der Bahn AG spricht von der „Streckenklasse CM2“. Sie erlaubt für die Müngstener Brücke eine Verkehrslast vom ca. 6.000 Tonnen. Das lässt Fahrten von (Güter-)Zügen mit einer Achslast von 21,5 Tonnen und sogar vielen Dampfloks zu.
Eine gute Nachricht für Dirostahl in Lüttringhausen. Das Unternehmen ist auf die Bahnverbindung angewiesen. Eine längere Schließung der Strecke nach Wuppertal wegen Bauarbeiten am Rauenthaler Tunnel ohne Öffnung der Müngstener Brücke für den Güterverkehr hätte den Stahlproduzenten in den Konkurs treiben können. Das hatte Martin Husmann, der Vorstandssprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), bei seinem Besuch des Haupt- und Finanzausschuss im Januar gar nicht auf dem Schirm.
(Beitragsfoto: Die Müngstener Brücke aus der Vogelperspektive • © Lutz Beckers)