Tödliche Exporte. Von Daniel Harrich (3Sat, Di 06.03.2018, 21.45-22.40)

Von Fritz Wolf

Wie das deutsche Geschäft mit Waffen außer Kontrolle geriet. Den Stoff behandelte Daniel Harrich in einem Fernsehfilm und mehreren Dokumentationen. „Tödliche Exporte“ handelt davon, wie das Sturmgewehr G36 in die mexikanischen Drogenkriege geriet (3Sat, Di 06.03.2018, 21.45-22.40) Eine äußerst umfangreiche Recherche, für die der Filmemacher und sein Team 2016 den Grimme-Preis für besondere journalistische Leistung erhielt. Hier die Begründung der Jury.

Wer den Begriff „Warlord“ bisher eher im Reich der Fiktion verortete, sieht sich angesichts dieser Reportage einer erschreckenden Realität mit hohem Normalitätswert gegenüber. Zuverlässigkeitsprüfung, Endverbleibserklärung, Kleinwaffenexporte, Waffenausfuhr-genehmigung, Kriegswaffenkontrollgesetz sind Begriffe aus einem dunklen, nahezu undurchdringlichen und öffentlich sorgsam abgeschotteten Wirtschaftszweig. Daniel Harrich und sein Team weisen nach, wie das deutsche Geschäft mit Waffen für die Welt außer Kontrolle geriet, und decken ein Netzwerk des Todes auf. Über den E-Mailverkehr bei Heckler & Koch und im Wirtschaftsministerium werden Exportlisten, Seriennummernaufstellungen und falsche Ausfuhrpapiere als Beweise für betrügerisches Handeln offen gelegt. Deutschland gehört zu den Ländern, die illegal Waffen in Krisenregionen, Bürgerkriegsgebiete und an Parteien in kriegerischen nationalen Konflikten ebenso liefern, wie in Länder, wo Menschrechtsverletzungen, Drogenkriege und Militärputsche an der Tagesordnung sind. Niemand kann den Endverbleib der Waffen sicher klären. So sterben in Mexiko demonstrierende Studenten, erschossen von Polizisten mit G36-Sturmgewehren von Heckler & Koch, die sie gar nicht haben dürften. Es verschwinden Menschen, ermordet durch Drogenkartelle mit Kleinwaffen aus deutscher Produktion. Unter Umgehung von Gesetzen und Nutzung von Grauzonen liefern deutsche Rüstungsfirmen Lizenzen zum Bau von Waffenfabriken, waffenfähiges Material und Experten nebst Know-how – frei nach dem Motto „Wenn wir das Geschäft nicht machen, macht‘s ein anderer.“

Zum ersten Mal vergibt eine Jury in der Kategorie „Information & Kultur“ den Preis für die „Besondere journalistische Leistung“. Er kann fakultativ verliehen werden und soll Arbeiten auszeichnen, die der klassischen Fernsehpublizistik verpflichtet sind, Themen herausragend recherchieren, Material zuschauergerecht und klug aufbereiten und in der kleinen Form der Nachrichten- und Magazinformate, formatübergreifend oder in der Fernsehreportage die deutsche Fernsehlandschaft auf vorbildliche Weise bereichern. Die außergewöhnliche investigative Recherche zu „Tödliche Exporte – wie das G36 nach Mexiko kam“ bricht die Undurchdringlichkeit deutscher Waffengeschäfte auf. Dabei ist es dem Autor und Regisseur des Films Daniel Harrich beeindruckend gelungen, Aussteiger und Insider, juristische und fachliche Experten als Zeugen vor der Kamera aussagen zu lassen. Sachlich fundiert klären das Filmmaterial der Waffenexperten und die Interviews mit den Opfern die Ereignisse in Mexiko aus dem Jahr 2011 auf. Die vorgelegten Beweise zeigen zweifelsfrei, wie die Branche funktioniert. Der Film hat zu verstärkten Ermittlungen gegen Heckler & Koch und endlich auch gegen Bundesbehörden geführt. Die Recherchen gaben Anlass für eine aktuelle Stunde im Bundestag am 23. September 2015. Der Grimme-Preis für die journalistische Leistung geht an Daniel Harrich; stellvertretend für ein engagiertes Team, insbesondere Claudia Gladziejewski, Manfred Hattendorf, Hans-Michael Kassel und Thomas Reutter. Eindrucksvoll weisen die Untersuchungen nach: „Der Meister des Todes“ ist immer noch und entgegen aller Regierungsbeteuerungen ein Meister aus Deutschland. Die Jury würdigt damit die mehrjährige, investigative Recherche zum illegalen Handel mit Kriegswaffen, die im Jahr 2015 mit dem Film „Tödliche Exporte – wie das G36 nach Mexiko kam“ für vorbildliches Fernsehen steht. Mit einer beispielhaften Aufbereitung des zusammengeführten Materials in verschiedenen Fernsehformaten wird das Thema durch die beteiligten Journalisten und den SWR sowie den BR in der Öffentlichkeit präsent gehalten.

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