Buchtipp: Reinhard Kleist, Der Traum von Olympia – Die Geschichte von Samia Yussuf Omar, Carlsen Verlag 2015, 152 Seiten, ab 12 Jahre

Von Marie-Louise Lichtenberg

Reinhard Kleist erzählt die wahre Geschichte des somalischen Flüchtlingsmädchens Samia Yussuf Omar als Graphic Novel. Samia steht stellvertretend für die zahl- und namenlosen Menschen, die aus Verzweiflung ihre Heimat verlassen und auf ein friedliches Leben hoffen.

Samia nahm 2008 als Leichtathletin an den Olympischen Spielen in Peking teil. Da sie schon in der Vorrunde ausschied, wollte sie unbedingt so viel trainieren, dass sie 2012 in London bessere Chancen haben wollte. Zurück in Mogadishu, wird ihr klar, dass sie hier keine Chancen hat. Der Vater von islamistischen Extremisten ermordet, Mädchen, die keine Schule besuchen geschweige denn trainieren dürfen, und die Mutter, die unter schwierigsten Bedingungen sechs Kinder durchbringen muss – das alles zeigt, dass Samia ihren Traum von Olympia nicht in der Heimat verwirklichen kann.

Sie entscheidet sich zur Flucht nach Europa, in der Hoffnung, dort unter besseren Bedingungen leben und trainieren zu können. Ihrer großen Schwester Hodan ist die Flucht nach Europa geglückt, sie lebt in Skandinavien.

Auf der Flucht erlebt Samia die ganze Grausamkeit und das Elend, das sie mit so vielen teilt. Sie überlebt die Überfahrt von Libyen aus in einem viel zu kleinen Schlauchboot nicht, ertrinkt vor der italienischen Küste.

Die Graphic Novel ist nur in Schwarz-Weiß-Zeichnungen gestaltet, was sehr gut zu der tragischen Geschichte passt.

Aus meiner Sicht ist das Buch für Kinder ab etwa 12 Jahren geeignet. Viele sehen und erleben fast täglich die dramatische Situation der Flüchtlinge, ob im Fernsehen, in der Schule oder in der Nachbarschaft. Literatur kann ein wichtiger Begleiter sein, um über schwierige Themen zu reflektieren und Verständnis für Flüchtlinge zu entwickeln. Wenn beispielsweise die Turnhalle zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert wird und nicht mehr für den Schul- oder Vereinssport zur Verfügung steht, können Kinder empathisch und verständnisvoll darauf reagieren, statt sauer zu sein und negative Gefühle den Flüchtlingen gegenüber zu entwickeln. Das Buch regt darüber hinaus zum Nachdenken an, auch über das Schließen von Grenzen.

Reinhard Kleist ist ein überzeugendes Buch gelungen, weil er das tragische Schicksal von Samia Yussuf Omar zeichnend erzählt. Spätestens seit dem Erscheinen seiner Graphic Novel „Der Boxer“ hat er sein herausragendes Können unter Beweis gestellt. „Der Traum von Olympia“ ist hochaktuell und wird durch seine allgemeine Gültigkeit dem Friedensgedanken gerecht.

2016 erhielt Reinhard Kleist für dieses Buch den Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher.

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