Pressemitteilung des Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF)
Union und SPD haben sich im Rahmen der Koalitionsgespräche auf Änderungen in der Flüchtlingspolitik geeinigt. Auch wenn im Koalitionsvertrag Verbesserungen beim Bleiberecht und der Ausbildungsduldung vorgesehen sind, sieht der Bundesfachverband umF die Vereinbarungen zu minderjährigen Flüchtlingen mit großer Sorge.
Der gesetzliche Anspruch auf Familieneinheit für subsidiär Schutzberechtigte wird weiter ausgesetzt. Vielmehr ist ein Familiennachzug nur in Einzelfällen und im Rahmen von monatlichen Kontingenten vorgesehen. Dabei soll der Eltern- und Geschwisternachzug zu subsidiär geschützten, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen offenbar von dem monatlichen Kontingent von bis zu 1000 Personen ausgenommen zu werden.
Die geplanten Anker-Zentren könnten zudem zu Türstehern des Kinderschutzes werden. Unbegleitete Minderjährige sollen bis zu ihrer Alterseinschätzung dort verbleiben und erst danach von den Jugendämtern in Obhut genommen werden. Das Verfahren der Identifizierung und Erstunterbringung unbegleiteter Minderjähriger soll dann nicht länger durch die kommunalen Jugendämter, sondern in Erstaufnahmeeinrichtungen für Erwachsene erfolgen. Damit würde der Vorrang der Kinder- und Jugendhilfe für junge Flüchtlinge faktisch abgeschafft.
Auch wenn der Wortlaut noch vieles offen lässt, ist die Richtung eindeutig: Mehr Härte beim Zugang zur Kinder- und Jugendhilfe für unbegleitete Minderjährige. Dies birgt die Gefahr, dass Minderjährige häufiger als bereits jetzt älter gemacht werden und damit ungeschützt in den Erwachsenensystemen verbleiben. Ein klares Bekenntnis zum Primat der Jugendhilfe und zum bestmöglichen Schutz von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen fehlt in dem Koalitionsvertrag.
Der Bundesfachverband umF befürchtet zudem, dass insbesondere Kinder und Jugendliche, die entweder mit ihren Eltern oder unerkannt als unbegleitete Minderjährige einreisen, über lange Zeiträume in nicht kindgerechten Anker-Einrichtungen leben müssen. Für Kinder und Jugendliche ist das Wohnen in Aufnahmeeinrichtungen mit erheblichen Nachteilen für ihr psychisches und physisches Wohl sowie mit zahlreichen rechtlichen Einschränkungen verbunden (Schule, Ausbildung, Wohnsituation, Ernährung, räumliche Beschränkung). Ein kindgerechtes Aufwachsen ist in solchen Einrichtungen nicht möglich.
Zahlreiche unbegleitete Kinder- und Jugendliche leiden bereits jetzt erheblich unter der Trennung von ihren Familien. 90,5 % der vom BumF befragten Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe geben an, dass die Minderjährigen oft bzw. sehr oft in ihrem Alltag durch die Trennungssituationen beeinträchtigt sind. Statt die belastenden Trennungssituationen ernst zu nehmen, werden die Minderjährigen im Koalitionsvertrag jedoch zur expliziten Zielgruppe von Verschärfungen.
Bis zum 31.7.2018 soll eine Neuregelung geschaffen werden, nach der monatlich lediglich bis zu 1000 Personen nachziehen können, wobei kein Rechtsanspruch formuliert wird. Zudem scheint der Eltern- und Geschwisternachzug hierbei von dem Kontingent ausgenommen zu werden, da die Koalitionspartner bei der Neuregelung Anreize ausschließen wollen, „die dadurch entstehen, dass Minderjährige von ihren Eltern unter Gefährdung des Kindeswohls zukünftig auf die gefährliche Reise vorgeschickt werden”.
Das Kindeswohl der in Deutschland lebenden unbegleiteten Minderjährigen und ihr Recht auf Familie wird mit keinem Wort erwähnt. Kindern und Jugendlichen das Recht auf Familieneinheit zu versagen, widerspricht der im Koalitionsvertrag begrüßenswerterweise vorgesehenen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Den Familiennachzug zu Kindern und Jugendlichen nur bei Nachweis eines Härtefalls zu gewähren, verlagert die rechtlich und bürokratisch aufwendige und langwierige Beweislast auf die Schultern Minderjähriger.