So immer wieder…
Gestern bekam ein Flüchtlingshelfer, nennen wir ihn „Balu“, den Whatsapp-Anruf eines Flüchtlings aus Schwarzafrika, der schon gut unsere Sprache spricht, hier im zweiten Ausbildungsjahr ist und dennoch in Deutschland immer noch nur geduldet ist. Wir nennen ihn Beppo.
Der Flüchtling Beppo telefonierte also mit dem Flüchtlingshelfer Balu und erzählte ihm von einem „Bruder“, der die Dienste des Flüchtlingshelfers nutzen möchte. Einen „Bruder“ nennen die Jungs ihre Kumpels beziehungsweise Freunde.
Der Flüchtlingshelfer willigte ein und ließ von Beppo einen Termin mit seinem „Bruder“ vereinbaren. Das Treffen fand dann heute irgendwo in einem Eiscafé in NRW statt
„Bruder“ brachte einen Brief der Arbeitsagentur mit und Balu fragte, ob er diesen Brief verstünde. „Bruder“ verstand kein Wort, denn er spricht nur Französisch. Balu erklärte ihm nun Schritt für Schritt, dass „Bruder“ einen Termin bei der Arbeitsagentur habe, um seine Jobperspektive abzusprechen. „Bruder“ ist mit seiner Familie, zwei Kindern und seiner Ehefrau erst ganz kurz in Deutschland und möchte gerne arbeiten und deutsch lernen, um unabhängig von sozialen Leistungen zu werden. Da kommt dieser Termin ja gerade recht.
„Bruder“ erzählte Balu noch von seiner Arbeit, die er gelernt habe und viele Jahre ausgeübt habe. Er ist Fliesenleger und scheint das ganz ordentlich zu machen, wie viele Fotos seiner Arbeiten zeigten
Um der Arbeitsagentur und „Bruder“ etwas behilflich zu sein, rief Balu bei der Arbeitsagentur an, um dort die nicht unwichtige Information über die beruflichen Kenntnisse bekannt zu geben. Erst ruft man zu diesem Zweck eine 0800er Nummer an und landet bei einer Computerstimme, die einen dazu auffordert, zwischen zwei Zahlen zu wählen: 2 für Hartz4-Fragen und 4 für andere Probleme.
An dieser Stelle wäre „Bruder“ schon gescheitert, denn er spricht ja nur Französisch. Also 4 für andere Fragen und dann fragte die Computerstimme nach der Postleitzahl. Nachdem diese ebenfalls eingegeben war, spielte Musik in einer Warteschleife. Einige Minuten später meldete sich am anderen Ende der Leitung eine Dame vom Amt. Balu stellte sich und sein Vorhaben, die Informationsweitergabe an das Amt, kurz vor
Dann wollte die Dame vom Amt aber eine genau Identifikation von „Bruder“ durchführen und bat Balu, den Telefonhörer an „Bruder“ weiterzugeben, damit sie mit ihm selbst sprechen könne. Zur Identifikation aus Datenschutzgründen. Jetzt versuchte die Dame vom Amt, die der französischen Sprache nicht Herr, besser: Frau war, mit „Bruder“ eine datenschutzrechtliche Identifikation am Telefon durchzuführen.
Beide brachen den Versuch nach wenigen Minuten ab und Balu bekam wieder den Telefonhörer in die Hand gereicht. „Und – hat ihre Identifikation funktioniert?“ fragte Balu die Dame vom Amt. „Nein – und überhaupt, was wollen sie nun eigentlich von uns wissen?“ antwortete die Dame vom Amt. „Ich möchte nichts von Ihnen wissen, ich möchte ihnen lediglich einige Informationen zu den beruflichen Fähigkeiten des Herrn „Bruder“ geben, damit sie diese vielleicht schon einmal in seine Akte eintragen können. Denn das Gespräch am Termin wird sicher nicht so einfach sein, wenn sich die Teilnehmer nicht verstehen“, erwiderte Balu der Flüchtlingshelfer.
Doch dann hatte die Dame vom Amt anscheinend keine Zeit mehr, denn sie brachte nur noch den folgenden Satz heraus: „Die Amtssprache ist Deutsch!“
Und so bedankte sich Balu bei ihr und wünschte ihr viel Erfolg bei dem Termin mit „Bruder“. Leider ist die Amtssprache Deutsch und nicht Mensch.
Oder so…
Der Flüchtlingshelfer „Balu“ kümmert sich auch ein bisschen um einen alleinstehenden jungen Mann, den es ebenfalls auf seiner Flucht nach NRW verschlagen hat. Wir nennen ihn einfach „Fabregas“
Fabregas wünscht sich momentan nichts mehr, als möglichst schnell die deutsche Sprache zu erlernen und vielleicht direkt im Anschluss eine Ausbildung zu beginnen. Balu hat dann für Fabregas erst einmal einen Termin zur Vorstellung für einen Sprachkurs bei der Volkshochschule vereinbart, den Fabregas allerdings selber bezahlen müsste.
Kurz bevor der Tag dieses Termins erreicht war, meldete sich entweder die Arbeitsagentur oder das Jobcenter bei Fabregas und bot ihm ebenfalls ein Gespräch zur Sondierung seiner sprachlichen und beruflichen Zukunft an. Balu sagte fürs Erste den Termin bei der Volkshochschule ab und wartete mit Fabregas auf das Ergebnis des Gesprächs beim Amt.
Dabei kam allerdings erstmal nichts heraus, beziehungsweise Fabregas hatte es wohl nicht richtig verstanden, denn wir erinnern uns ja: „Die Amtssprache ist Deutsch“. Fabregas bat also wieder Balu um Hilfe und der schrieb per Email seine Kontaktperson an. Ja so etwas gibt es tatsächlich beim Jobcenter.
Diese Kontaktperson stellte daraufhin fest, dass Fabregas gar nicht über das Jobcenter, sondern direkt von der Arbeitsagentur verwaltet würde und informierte auch direkt und ohne Umwege die betreffende Fallbearbeiterin der Arbeitsagentur, damit die sich mit Balu in Verbindung setzte.
Hurra
Balu ist ja nur ein ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer und somit konnte er dem Terminwunsch der Arbeitsagentur für ein Gespräch unter sechs Augen, also quasi zwischen der Dame vom Amt, Fabregas und Balu nicht zustimmen, sondern bat darum, den Fall per Email zu kommunizieren.
Und was soll ich den werten Lesern jetzt sagen? Es funktioniert – sie lösen die Sache tatsächlich ganz ohne Identifikation und doppelten Boden. Einfach so.
PS: Sollte sich ein Fliesenlegerbetrieb ins Forum verirren, der einen Fliesenleger zur Anstellung sucht, bitte melden.
Tja, wie sagte es noch kürzlich ein Herr Kauder „…Integration kann nur gelingen, wenn sie von beiden Seiten gewollt ist“ (sinngemäß). Aber wenn man nur deutsch kann und nicht bereit oder fähig ist, auch mal „Amtsmäßig“ in eine Fremdsprache zu schlüpfen, wenigstens ausnahmsweise, bleibt Integration leider nur einseitig.
Das braucht schon viel Geduld und Offenheit und Dranbleiben und dran glauben, sein Ziel im Auge behalten und Liebe.