Von Fritz Wolf
Die Bilder von den brennenden Ölquellen im Irak und den ölübergossenen, wie bronziert aussehenden Feuerwehrmänner, sind weltberühmt geworden. Bilder aus dem Dante’schen Inferno. Rauch, Feuer, Wüste, wuchtig, überwältigend, voller Pathos – Bilder des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado. Wim Wenders hat über den Fotografen eine Hommage gedreht: „Das Salz der Erde“. Dafür gab es u.a. den französischen Filmpreis César. ARD, Mi 01.11.2017, 22.45-00.25
„Das Salz der Erde“ heißt auch der der Film von Herbert J. Biberman über streikende Bergarbeiter in New Mexiko, ein Filmklassiker von 1954. Das Salz der Erde, das sind auch in Wenders Film und vor allem in Salgados großen fotografischen Projekten die Menschen. Vergessene wie in seinen Bilderserien über Urwaldvölker in Lateinamerika. arbeitende wie in dem Projekt „Workers“, leidende wie in „Sahel“ und flüchtende wie in „Exodus“. Salgado fotografierte in allen Krisenherden der Welt. Als er die Schauplätze mörderischster Gewalt in Ruanda fotografierte, da kam ihm der Glaube an die Menschen abhanden und er hörte auf, sie zu fotografieren. Später wandte er sich der Naturfotografie zu und schuf in „Genesis“ einen Bilderzyklus über die Schönheit der bedrohten Erde.
Bilder und Biographie des Fotografen stehen im Zentrum des Films von Wim Wenders, allein. Keine Interviews mit Zeitzeugen, keine Experten. Salgado erzählt zu den Bildern die Geschichten ihrer Entstehung. Wenders baut seinen Film locker biographisch, schildert den Weggang aus dem von einer Militärdiktatur gequälten Brasilien, skizziert in knappen Passagen der ersten Karriere als Wirtschaftswissenschaftler, dann die Zuwendung zur Fotografie. Er folgt dem Ablauf der großen Fotoprojekte, die maßgeblich auch von Salgados Frau Lelia vorangetrieben werden. Mit dabei ist auch Sohn Giuliano Ribeiro Salgado, der neben Wim Wenders als Co-Regisseur agiert. Er hat selbst auch seinen Vater mit der Filmkamera begleitet und ihn bei der Arbeit gedreht.
Das ist eine der Schlüsselszenen des Films: als Sebastião Salgado Seelöwen fotografieren will und ein Eisbär dabei stört. Den Eisbär könne er nicht fotografieren, sagt er, da sei nur Geröll als Hintergrund, das sei uninteressant, das gäbe nur ein Bild von einem Bären. Später gelingen unerhörte Fotos von den Seelöwen mit ihren großen Fangzähnen, an die Fotograf und Filmemacher sich im Wortsinn herangerobbt haben. Sie sehen aus wie urzeitliche Wesen, überhöht, dramatisch. Die Bilder sind eine Hommage an die Art, ein Hohelied auf die Natur und ihre Geschöpfe – und nicht nur einfach Bilder von Seelöwen.
Wim Wenders präsentiert in seinem Film viele Bilder Salgados und sie entfalten auf der Leinwand eine große Wucht. Salgado ist kein journalistischer Fotograf, sondern einer, der sich viel Zeit genommen hat, der lange unter den Menschen gelebt hat, die er fotografierte. Und Wim Wenders ist kein journalistischer Dokumentarist. Deshalb ist ein Film auch nicht kritisch-distanziert, sondern eine Liebeserklärung an einen Künstler – so wie in den anderen seiner Künstlerfilme auch, wie etwa „Pina“ über Pina Bausch. Die Filmbilder, die Wenders selbst mit Salgado dreht, sind teilweise in Farbe, teilweise in Schwarzweiß und können mit den Bildern des Fotografen einigermaßen mithalten; jedenfalls fallen sie nicht ab.
Den Bildern des Sebastião Salgado gibt Wim Wenders eine große Bühne und einen mächtigen Auftritt. Das gilt vor allem für die großartigen Porträts. Salgado spricht vom „Bruchteil der Sekunde, in dem man etwas von der Person versteht, die man porträtiert“ und sagt: „Ein Porträt nimmt man nicht alleine auf. Der andere schenkt es einem“. Man hätte freilich gern auch noch etwas erfahren darüber, wie Salgado es schafft, seinen Schwarz-Weiß-Fotografien diese dramatische Wucht zu geben. Häufig wirken seine Bilder wie inszeniert. In einigen Filmsequenzen sehen wir, wie der Fotograf seine Protagonisten auch arrangiert.
Vor allem aber wüsste man gern etwas mehr darüber, wie der Fotograf selbst den Konflikt sieht zwischen dem allergrößten menschlichen Leiden und der Kunst, diesem Leiden eine Ästhetik abzugewinnen. Susan Sonntag hat Salgado vorgeworfen, er lasse die Bilder etwa der Leidenden aus dem Sahel, namenlos und demonstriere damit nur „die Machtlosigkeit der Ohnmächtigen“.
An Fragen solcher Art ist Wim Wenders Film nicht interessiert. Er zeigt uns das Werk eines Künstlers, den er verehrt. Er zeigt uns dessen Bilder, von denen jedes einzelne zum Drama überhöht ist, auch darauf angelegt, den Betrachter zu überwältigen. Am Ende ist man nahezu erschöpft vom Schauen.