Von Fritz Wolf
Es ist nicht sicher, ob der Satz von Albert Einstein stammt: Wenn die Bienen von der Erde verschwänden, hätten die Menschen nur noch vier Jahre zu leben. Sicher ist, dass seit einigen Jahren weltweit Bienenvölker in einem besorgniserregenden Ausmaß sterben. Der Schweizer Regisseur Marcus Imhof hat sich in seinem vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilm auf die Suche nach den Ursachen gemacht (BR, Mi 04.10.2017, 22.45-00.15)
„More than Honey“ war im Kino besonders erfolgreich, hat Preise nur so abgeräumt. In der Schweiz war er der erfolgreichste Dokumentarfilm aller Zeiten. Offenbar hat Markus Imhoof mit seiner Recherche nach dem Schicksal der Honigbiene einen Nerv getroffen bei einem Publikum, das weiß, dass es sich der Natur entfremdet und das eine intakte Natur wieder haben will.
Da es sich beim Bienensterben um ein weltweites Phänomen handelt, kommt der Regisseur dabei um die Welt. Von der kleinen Gemeinde im Berner Oberland bis zum großindustriellen Mandelanbau in Kalifornien, von der Königinnenzucht in der Steiermark bis nach China. Dort werden in einigen Regionen Obstbäume per Hand bestäubt, weil die Bienen verschwunden sind. Lakonisch vermerkt der Kommentar: „Die Bienen können es besser“. Wer bisher nur vom Schwänzeltanz aus der Schule wusste, muss jetzt dazu lernen, dass man selbst als Vegetarier der industriellen Tierzucht nicht entkommt.
Markus Imhoof und seinem Kameramann Jörg Jeshel gelingen auf diesem Roadmovie durch die Welt der Bienenvölker und Bienenzüchter unglaubliche Bilder, so etwa von der Geburt einer Königin, in der die Kamera die Tiere umkreist wie sonst nur einen Hollywoodstar – mitten im Bienenstock. Er arbeitet auch sehr überzeugend mit computeranimierten Bildern etwa von der Ansiedlung wilder Bienenvölker.
Dem Autor gelingt es, Empathie für das Schicksal der Insekten zu erwecken, die schon kulturell ein positives Image haben. Er wirbt für Sympathie sogar noch für die sogenannte Killerbienen, die sich als offenbar resistent erweisen gegen die Stressfaktoren, die die gewöhnliche Honigbiene so ruinieren. Bei deren Verschwinden handelt es sich offenbar um eine menschengemachte Katastrophe: die Wirkung von Pestiziden, Schwächung großer Bienenvölker durch mehrtägige Reisen quer durch den amerikanischen Kontinent, die üblichen Krankheitsfolgen von Massentierhaltung.
Markus Imhoof ist Enkel eines Imkers und selbst Hobby-Imker. Sein Film hat sogar die Politik auf EU-Ebene erreicht und mit dafür gesorgt, dass es mancherorts in Europa schick geworden ist, sich ein Bienenvolk zu halten. Nur auf den ersten Blick ein Tierfilm, auf den zweiten ein Blick auf unsere Welt, die jedenfalls an dieser Stelle längst aus dem Gleichgewicht geraten ist. Unbedingt ansehen.