SPD-Fraktion: Halbzeit

Von Jochen Bilstein, SPD-Fraktionsvorsitzender

Halbzeit in der gegenwärtigen Ratsperiode, die vor drei Jahren begann und 2020 endet. Die Amtszeit der Ratsmitglieder in NRW ist um ein Jahr verlängert worden, um zukünftig Kommunal- und Bürgermeisterwahlen wieder gemeinsam durchzuführen.

Hängengeblieben sind bei den Bürgerinnen und Bürgern vermutlich die spektakuläreren Projekte wie Loches Platz, Kunstrasenplätze und Neubau eines Hallenbades. Mehr als neunzig Prozent der Beschlüsse in Ausschüssen und Rat aber bleiben für die meisten Bürger unbekannt, obwohl sie das Leben der Menschen in unserer Stadt auch beeinflussen. So wurden im Rahmen der Haushaltplanberatungen 2018/19 der Verwaltung weitere Stellen genehmigt, damit wichtige Maßnahmen auch umgesetzt werden können. Sogar die Kanzlerin hat festgestellt, dass viele Milliarden öffentlicher Gelder nicht abgerufen werden, weil zum Beispiel die Kommunen in den vergangenen Jahren zu viel Personal an falscher Stelle abgebaut haben. Wie sieht aus meiner Sicht die Halbzeitbilanz der Kommunalpolitik in Wermelskirchen aus und was steht auf der Agenda für die kommenden drei Jahre?

Haushaltkonsolidierung

Angesichts des bestehenden Haushaltsicherungskonzepts, das die Stadt Wermelskirchen bei ihren Ausgaben beachten muss, ist die Balance zwischen Sparen und Investieren extrem schwierig. Wir haben uns für die kommenden Jahre teure Investitionen wie Kunstrasenplätze und ein neues Hallenbad vorgenommen. Das haben wir in einem breiten Konsens unter den Fraktionen beschlossen, weil es in unserer Stadt öffentliche Angebote geben muss, die zu den Mindeststandards einer Kommune unserer Größe gehören. Dabei haben wir nur eine Chance auf eine Genehmigung dieser Ausgaben durch die Kommunalaufsicht, wenn wir nachweisen, dass die Investitionen helfen, die derzeitigen Unterhaltskosten nachhaltig zu reduzieren. Damit wir aber trotz der Investitionen unser Haushaltsziel bis 2020 nicht aus dem Blick verlieren, hat meine Fraktion vorgeschlagen, dass die Fraktionen im Herbst gemeinsam mit der Verwaltung das Haushaltsicherungskonzept nachjustieren.

Bildung und Erziehung

Schulen waren in Wermelskirchen immer im Fokus aller Fraktionen. Das zeigen Schulan- und neubauten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Was aber seit Jahren zu kurz kommt, das ist die Sanierung bestehender Gebäude. So großzügig die neue Waldschule gebaut und ausgestattet wurde, so unzureichend sind die Raumangebote an anderen Grundschulen. Begründet wird das immer wieder mit der unsicheren Perspektive von Schulstandorten. Die dem zugrundeliegenden Zahlen treffen aber zum Teil nicht mehr zu. Daher ist der Vorschlag von Henning Rehse, den Schulentwicklungsplan zu erneuern, sinnvoll. Es wird also eine dringende Aufgabe der kommenden Jahre sein, die Schulstandorte zu ertüchtigen. Damit das kein Stückwerk wird und nicht der zuerst bedient wird, der am lautesten schreit, erwartet die SPD-Fraktion einen Handlungsplan von der Verwaltung, in der die wesentlichen Maßnahmen nach Prioritäten aufgelistet sind. Das mag am Anfang Mehrarbeit bedeuten, wird sich aber in der Zukunft auszahlen. Vorrangig muss im Herbst zudem über den Neubau der Sekundarschule entschieden werden. Sie ist bald neben dem Gymnasium die einzige weiterführende Schule. Das war vom ganzen Rat so gewollt, jetzt müssen wir auch die baulichen Voraussetzungen für ein Gelingen dieser neuen Schulform schaffen. Positiv zu erwähnen ist der geplante Ausbau von Kitaplätzen. In dem Zusammenhang unterstützt die SPD-Fraktion auch die Pläne der Lebenshilfe, ihren Kindergarten Wellerbusch in das geplante Quartier Jörgensgasse zu verlegen.

Innenstadt

Ein Meilenstein bei der Stärkung und Entwicklung der Innenstadt ist die Auswahl eines Investors für einen Lebensmittelvollsortimenter auf dem Loches Platz, der damit endlich ein neues Gesicht bekommt. Versuche, das Miteinander von Fußgängern, Auto- und Fahrradfahrern zu verbessern, ist leider an CDU und WNK gescheitert. Hier bleibt gegenwärtig nur das Prinzip Hoffnung. Wenn auch das Rhombusgelände privaten Eigentümern gehört, ist es doch auch im Interesse der Allgemeinheit, dass für den Schadfleck in so exponierter Lage eine geeignete Nutzung gefunden wird. Dass eine Mehrheit des Rates den Bau eines Lebensmittelmarktes dort abgelehnt hat, ist dem Erhalt des Einzelhandels im Stadtzentrum geschuldet.

Wohnen

Bauplätze für Einfamilienhäuser sind in Wermelskirchen wieder begehrt. Junge Neubürgerfamilien und auch „Heimkehrer“ wollen sich hier niederlassen. Andererseits werden zunehmend Einfamilienhäuser von älteren Mitbürgern angeboten, die in die Innenstadt ziehen wollen. Hier sollte es eine bessere Information ermöglichen, Kaufinteressenten und Verkäufer besser zusammen zu bringen. Das würde den Flächenverbrauch reduzieren und den Wert der Immobilien verbessern. Noch ausbaufähig ist das Angebot an bezahlbarem Wohnraum. Zwar werden in den kommenden 2 Jahren Objekte in Tente und am Wiesenweg errichtet, das deckt aber noch nicht den Bedarf. Rat und Verwaltung können Investoren animieren und, wo vorhanden, städtische Grundstücke bevorzugt bereitstellen; bauen müssen aber andere.

Sport und Freizeit

Sehr spät, zum Glück nicht zu spät, hat eine Mehrheit im Rat erkannt, dass Kunstrasenplätze keine Luxusinvestitionen sind. Fast in Sichtweite haben Nachbarkommunen solche Plätze für ihre Vereine gebaut, die damit die Fußballjugend auch aus unserer Stadt anziehen. Ein Kunstrasenplatz ist in Arbeit, ein weiterer an Stelle des Naturrasens im Eifgen beschlossen, um eine Sparvariante in Form eines „Grüne Asche“ Rasens bemüht sich derzeit der Polhausener Verein. Der Rat hat auch beschlossen, ein neues Hallenbad zu bauen. Das alte weist einen hohen Renovierungsbedarf auf. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass Schäden, die auftreten, einen Reparaturaufwand erfordern, der völlig unwirtschaftlich ist. Ein neues Bad senkt erheblich die Unterhaltskosten, vor allem im energetischen Bereich. Gute Realisierungschancen hat auch der Jugend- und Freizeitpark, für den nach langen Beratungen und viel politischem Gegenwind der Standort an der B51 beschlossen wurde. Für das Projekt gibt es eine Anschubfinanzierung, weitere Mittel werden vom Bürgermeister über Spenden akquiriert, Möglichkeiten einer Kofinazierung durch Landesmittel werden geprüft.

Wirtschaft

Topografie und Talsperren (Wasserschutzzonen) beeinträchtigen für unsere Stadt die Ausweisung von Gewerbegebieten. Mühsam und langwierig war das Verfahren für die Flächen „Autobahnohr“ und „Hinter dem Hofe“. Dass Wermelskirchen trotz einiger Nachteile gegenüber der Rheinschiene (vor allem verkehrstechnisch) ein interessanter Standort für Industrie und Gewerbe ist, zeigt der Umstand, dass das Gewerbegebiet „Autobahnohr“ schon vergeben ist.

Brandschutz

In Wermelskirchen löschen hauptamtliche und freiwillige Feuerwehrleute gemeinsam Brände. Damit das auch langfristig so bleibt und Schwachstellen beim Brandschutz korrigiert werden, wurde vor Jahren ein Brandschutzbedarfsplan beraten und beschlossen, aber nie umgesetzt. Die besonders heikle Frage, ob Dabringhausen eine zweite hauptamtliche Wache benötigt, wurde nach Vorlegen eines weiteren Gutachtens vom Rat verneint. Wohl aber braucht die Freiwillige Feuerwehr Dabringhausen eine neue Wache und zwar bald. Auch wird die Stationierung einer weiteren Drehleiter an dem neu zu bauenden Feuerwehrhaus in Dabringhausen angeraten. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, der keinen weiteren Aufschub verträgt.  

Integration von Geflüchteten

Es war und ist eine großartige Leistung von Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft, wie trotz vieler Schwierigkeiten die Aufnahme von geflüchteten Menschen gelungen ist und der soziale Friede in unserer Stadt keinen Schaden genommen hat. Mit großem Verständnis wurde die monatelange Umnutzung von Sporthallen durch die betroffenen Vereine akzeptiert. Viele Vermieter haben der Stadt Wohnraum zur Anmietung zur Verfügung gestellt. Die Ratsfraktionen haben nicht immer konfliktfrei, aber am Ende doch einstimmig ein Unterbringungskonzept der Verwaltung beschlossen. Geholfen hat dabei eine Vereinbarung zwischen Rat und Bürgermeister über Bürgerversammlungen zu einzelnen Standorten zur Unterbringung von Geflüchteten. Daran war mein Kollegen Christian Klicki maßgeblich beteiligt. Jetzt geht es um eine vertiefte Integration: Wohnen, Bildung, Arbeit, Vereine. Dazu sind gemeinsam mit den Neubürgern Verwaltung, Politik, Ehrenamtler wie Willkommen in Wermelskirchen, wenn möglich alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt aufgerufen.

Gemeinsam sind wir erfolgreicher

Ich will keine Konsenssoße über die kommunalpolitischen Konzepte der Parteien gießen. Es gibt zum Teil erhebliche Unterschiede, denkt man nur an die Themen Verkehr und Parkplätze. Erfolgreiche Ratsarbeit braucht aber auch die Zusammenarbeit der Fraktionen bei den großen Themen. Dazu bedarf es der Gesprächsbereitschaft aller handelnden Gruppen und Personen wie der persönlichen Kontakte, um die man sich immer wieder bemühen muss, auch in den kommenden drei Jahren. 

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