Von Julia Klatt
„Wir leben in unsicheren Zeiten“ – kaum ein Politiker kommt in Ansprachen ohne diesen vermeintlichen Hinweis aus (S. 6), der sich wie eine dunkle Wolke über die Gesellschaft zu legen scheint, die zu Teilen Angst und Ge- fühle von Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit regnen lässt. Der noch vor einigen Monate mit einem ungläubigen Schmunzeln abgewiegelte Begriff des „Postfaktischen“, der politisches Denken und Handeln beschreibt, bei dem nicht Fakten, sondern Emotionen Dreh- und Angelpunkt der jeweiligen Aussage sind, scheint heute omnipräsent und ernstzunehmendes Merkmal öffentlich geführter politischer Debatten zu sein.
Florian Hartleb macht mit „Die Stunde der Populisten“ bereits durch die Wahl des Titels mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass der „[…] Populismus in Deutschland angekommen“ (S. 100) ist. In seinem neuen Band, der zudem den auffallend plakativen Untertitel „Wie sich unsere Politik trumpetisiert und was wir dagegen tun können“ trägt, setzt sich der Politikwissenschaftler mit dem Phänomen des Populismus auseinander und knüpft damit an seine vorherigen Arbeiten an. Vordergründiges Ziel der Publikation ist es, Aufklärungsarbeit zu leisten und Handlungsstrategien und -vorschläge gegen die mutmaßliche „Trumpetisierung“ der Gesellschaft aufzuzeigen.
Der Autor steigt in die Thematik ein, indem er aktuelle (welt-)politische Ereignisse, wie die bevorstehenden Wahlen in Deutschland oder die Präsidentschaft Donald Trumps in den USA, als Anlass benennt, über die gegenwärtige Erfolgswelle des Populismus nachzudenken. Er zeichnet ein eher dunkles Bild europäischer Politik und bietet dem Leserauf diesem Wege die Möglichkeit, sich in einem Crashkurs geschichtliches Hintergrundwissen über relevante Parteien und aktuelles Politikgeschehen von Deutschland über Frankreich, Groß-Britannien, die Ukraine, über Russland bis zur Türkei oder Syrien anzueignen. Hartleb zieht durchweg vergleichend die aktuellen politischen Ereignisse in den USA hinzu und macht damit neue Ausmaße der Demagogie als mögliche Szenarien oder als mögliche Trends für Europa aus.
Ein Kapitel widmet sich ausschließlich dem „Trump-Phänomen“ (S. 13), in welchem ein umfassendes Bild von Trump auf seinem Weg in die Präsidentschaft gegeben wird. Trumps Agieren, insbesondere mit Blick auf den geführten Wahlkampf, dient hier als Musterbeispiel für emotionalisierte Politik und macht deutlich, dass auch abseits von Fakten und Realität politischer Erfolg möglich ist. Eine besondere Bedeutung spricht der Autor in dem Zusammenhang den Medien zu, die kaum mehr Möglichkeit zur differenzierten Informationsvermittlung oder zur Aufklärung über komplexe Sachzusammenhänge lassen würden, sondern vielmehr zum Instrument der ungefilterten Dauerbeschallung mutiert seien.
Hartleb wendet sich darüber hinaus der Begriffsbestimmung des Populismus zu, indem er diesen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und eine Art populistische Logik skizziert, welche nach Meinung des Autors dem simplen Muster „Wir gegen die da oben“ folgt. Des Weiteren charakterisiert der Autor auch den Populisten-Wähler, indem er diesem wenig Interesse für Fakten und größere Zusammenhänge und Angst vor Globalisierung und kosmopolitischen Entwicklungen zuschreibt. Hartleb bezeichnet die Wahl des Populisten als Protestwahl und nimmt auch hier aktuellen Bezug, wurden doch insbesondere die vergangenen Landtagswahlen durch die Medien zunehmend auch als Stimmungswahl bezeichnet. Hartleb spricht explizit nicht von Rechtspopulismus, sondern fasst unter „Populismus“ mehrere Strömungen zusammen. Populismus sei kein rationales, leicht nachvollziehbares Phänomen, dessen Logik müsse aber verstanden werden, um ihm entgegentreten zu können. Der Autor plädiert dafür, sich nicht abschätzig von Populisten und populistischen Bestrebungen abzuwenden, sondern diese ernst zu nehmen, hinzuschauen und sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen.
Daran anknüpfend befassen sich die abschließenden Kapitel dann mit der Bedeutung des Phänomens für demokratische Strukturen und eröffnen konkrete Handlungsleitlinien und mögliche Gegenstrategien. Hier liegt der Fokus insbesondere auf der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Wahrnehmung ihrer Ressourcen. In einem abschließenden „Plädoyer für eine nachhaltige Politik“ betont der Autor die Wichtigkeit einer zuversichtlichen Politik, die Raum für eine kritische Öffentlichkeit lässt.
Hartleb nimmt den Leser mit „Die Stunde der Populisten“ auf eine Reise durch die Populismuslandschaft und liefert eine einführende Abhandlung über Ausprägungen und mögliche Auswirkungen des Populismusphänomens. Das Buch ist mit seinen rund 230 Seiten kurzweilig und eignet sich als Einstiegswerk, um sich einen Überblick über die Dimension des Gegenstands zu verschaffen und lädt dazu ein, sich weitergehend mit dem Thema oder dessen Teilgebieten zu beschäftigen.
Hartleb, Florian: Die Stunde der Populisten. Wie sich unsere Politik trumpetisiert und was wir dagegen tun können Wochenschau-Verlag, Schwalbach 2017 ISBN: 978-3-7344-0464-1
240 Seiten, 16,90 Euro