Von Fritz Wolf
Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler: Drei Anwälte, die die Geschichte der Bundesrepublik prägten. Drei Lebensgeschichten, die einen fast gleichen Ausgangspunkt nahmen und unterschiedlicher nicht hätten ausfallen können. Phoenix, Sa 08.04.2017, 22.30-00.00 „Die Anwälte“ ist ein Dokumentarfilm über bundesdeutsche Zeitgeschichte, abgehandelt an drei Männern, die alle kennen, aber vielleicht noch nie so im Zusammenhang betrachtet haben. Den visuellen Ausgangspunkt liefert eine Fotografie. Sie zeigt drei Männer eng beieinander stehend und offensichtlich miteinander vertraut. Rechtsanwalt Horst Mahler, langbärtig, angeklagt wegen der Angriffe auf das Springer-Hochhaus, im Herbst 1968. Vor ihm in Robe zwei Anwälte, Hans-Christian Ströbele und Otto Schily. Sie verteidigten Horst Mahler.
„Die Anwälte“ von Birgit Schulz erzählt die Geschichte dieser drei Juristen, die gesellschaftliche und politische Zeitgeschichte mitgeschrieben haben. Für alle war der Tod von Benno Ohnesorg ein Schlüsseldatum. Ströbele ging danach als Referendar zu Mahler. Schily war aktiv im Kurras-Prozess. Mahler schloss sich der RAF an, tauchte unter, wurde verhaftet, angeklagt und verurteilt. Schily und Ströbele agieren beide als Verteidiger in den Stammheimprozessen. Schily und Ströbele gehen später beide zu den Grünen, Schily danach zur SPD. Kohls Parteispendenaffäre, Entscheidung zum Kosovokrieg, Verhandlung über das NPD-Verbot – alles politische Ereignisse, in die die Anwälte verwickelt sind. Schily und Mahler treffen noch einmal aufeinander, als das Bundesverfassungsgericht über das NPD-Verbot entscheidet, diesmal auf gegnerischen Positionen. Horst Mahler sitzt inzwischen im Gefängnis, er hat den Holocaust geleugnet.
Drei vergleichbare Ausgangspunkte und am Ende doch sehr unterschiedliche Positionen, die gleichwohl ihre innere Logik haben. Schily beruft sich darauf, immer auf der Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit gesetzt zu haben, Ströbele rekurriert auf das Denken in sozialen Kategorien, seit APO-Zeiten verinnerlicht. Nur Mahlers Weltanschauungsbruch bleibt unklar und unverständlich. Solche Lebensgeschichten kann niemand erfinden, sie finden einfach statt. Die Autorin interviewt ihre Protagonisten in einem leeren Gerichtssaal, wo sie auch ein wenig posieren, als hielten sie eine Verteidigungsrede oder lieferten dem Gericht einen Bericht. Dazu hat die Autorin reiches dokumentarisches Material aus der Berufsgeschichte dieser drei Männer ausgegraben, Parlamentsreden, Pressekonferenzen. Die politischen Ereignisse setzen sich aus den Erinnerungen der drei Männer zusammen. Der Film ist auf ihre Haltung zur Gesellschaft, auf ihr Rechtsverständnis und ihr politisches Verständnis fokussiert. Man hört ihnen zu und entlang ihrer Erzählungen stellen sich die interessanten Fragen nach der Kontinuität politischer Einsichten, nach der Logik von Biographien, nach den Veränderungen in der Republik. Die drei werden nicht durch die Meinungen anderer eingekreist, sondern ausschließlich durch sich selbst und durch die dokumentarischen Bilder konturiert. Sie sprechen auch übereinander, meist respektvoll, manchmal diplomatisch.
„Es ist eine Tragödie“ sagt Schily, nach Mahlers Rechtsdrift befragt; mehr nicht. Mahler schätzt Schily als Anwalt und verachtet ihn als Minister. Ströbele und Schily waren in den letzten Jahren vor allem in Fragen der inneren Sicherheit unterschiedlicher Meinung. Er habe aber immer persönliche Konfrontation vermieden, sagt Ströbele. In einer dokumentarischen Szene wird Schily von einem Reporter nach seinen politischen Wandlungen befragt und barsch zurechtgewiesen: „Nur Idioten verändern sich nicht“. Man kann Schilys Politik für falsch und doch diesen Satz für richtig halten. Er lässt sich auch auf die Republik anwenden.