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Mein Tag beim BAMF

Cornelia Seng, Gründerin von “Willkommen in Wermelskirchen” hat auf der Website der Initiative ihre Erfahrungen beim Besuch des Bundesamtes für Migration in Bielefeld veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung von “Willkommen in Wermelskirchen” publizieren wir diesen Beitrag von Cornelia Seng.

Mein Tag beim BAMF

von Cornelia Seng

Gestern bin ich in aller Frühe aufgestanden, um A. um 7.15 Uhr abzuholen. Um 10.00 Uhr war er zum „Interview“ bestellt. In seinem Fall war der Termin bei einer Außenstelle des „Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“ (BAMF) in Bielefeld, Am Wellbach 4, angesetzt.

Zum Glück hatte ich mir das Gebäude und die Umgebung auf Google Maps angesehen, denn weder an der Einfahrt zu dem großen Bürohaus, noch am Gebäude selbst gibt es einen Hinweis auf das Amt! Ich hatte deutliche Hinweisschilder erwartet, aber es gab nicht mal einen Zettel an der Türe und auch keine auffällig sichtbare Hausnummer! An absolut nichts ist zu erkennen, dass es sich hier um eine bundesdeutsche Behörde handelt! Ist das ein Irrtum? Auf meine verwirrte Nachfrage, ob wir denn hier richtig seien, es gäbe keine Hinweise, antwortet der Mann vom Sicherheitsdienst hinter dem Computer: „Das ist absichtlich so!“

Was beabsichtigt das Bundesamt mit Anonymität, frage ich mich. Dass Flüchtlinge das Gebäude nicht finden?  Bei Nichterscheinen droht umgehend die Ankündigung der Abschiebung! Oder hat das Bundesamt Angst vor rechtsradikalen Anschlägen und traut sich deshalb nicht, als „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ deutlich sichtbar zu sein? Ich weiß nicht, welche der beiden Möglichkeiten ich für die schlimmere halte.

Der Mann in der Kluft des Sicherheitsdienstes hinter dem Computer prüft A.s Papiere und meinen Personalausweis. A. bekommt einen Stempel auf das Handgelenk, der im weiteren Verlauf des Tages gar keine Rolle mehr spielt, und ich ein „Besucher“- Schild.

Das Treppenhaus ist gesperrt. Ein weiterer Mann vom Sicherheitsdienst wird gerufen, der uns im Aufzug in die erste Etage bringt. Wie ich später erfahre, darf sich niemand im Gebäude ohne Begleitung bewegen. Nur bis zur Toilette darf ich noch unbegleitet gehen!

Im großem, sehr kargen Warteraum sitzen schon gut 200 Menschen. Außer vielen Stühlen ist hier überhaupt nichts! Die Wartehalle im Flughafen in Pristina im Kosovo ist Luxus dagegen! Außer mir gibt es nur noch zwei Menschen, die fließend Deutsch sprechen. Der ältere Herr neben mir begleitet eine Familie mit Kindern.

Ab und zu kommen zwei Personen in den Raum und rufen einen Namen. Das sind der jeweilige „Anhörer“ mit dem Dolmetscher, verstehe ich später. Unruhe entsteht jedes Mal,  jemand erhebt sich.

Wir warten und warten! Dabei ist Warten ganz und gar nicht meine Stärke! Zum Glück habe ich meine Wasserflasche und ein Pausenbrot dabei. A. trinkt und isst nichts außer zwei Mandeln. Ich frage immer wieder besorgt nach: Er habe genug dabei, versichert er mir.

In unregelmäßigen Abständen läuft ein schwarz gekleideter Mann vom Sicherheitsdienst durch den Raum und lüftet.  Die Menschen warten erstaunlich geduldig!  Kinder laufen umher oder spielen mit den Telefonen ihrer Väter.

Ob 200 Deutsche sich an ihrer Stelle auch so verhalten würden?

Nur ein Mann in einer grellen Satinhose beschwert sich ein paar Mal bei mir in ganz gut verständlichem Deutsch, warum er nicht pünktlich dran käme, wenn er schon einen Termin habe. Ob man in Deutschland nicht Pünktlichkeit liebe? Er möchte, dass ich etwas unternehme. Ich bleibe erstaunlich gelassen.

Wir warten von kurz vor halb zehn bis kurz vor 13.30Uhr! Volle vier Stunden! Beim Arzt hätte ich das nicht geschafft. Aber ich weiß, dass für A. viel von diesem Termin abhängt. Nur mit Gelassenheit kann ich ihm jetzt noch helfen.

Als die Anhörerin, Frau H., mit dem Dolmetscher endlich kommt und A. aufruft, dürfen wir wählen, Treppe oder Fahrstuhl bis in ihr Büro im 4. Stock. „Treppe“, sage ich schnell. Die Männer haben keine Wahl.  Im Treppenhaus erklärt sie mir, dass sie heute Glück habe, bei ihr seien alle Asylbewerber zum Termin erschienen. Es gebe Tage, da komme niemand. Deshalb werden immer mehr Menschen bestellt, als in der normalen Arbeitszeit zu schaffen ist. Notfalls arbeitet sie bis in den späten Abend.

Frau H. klärt A. über seine Rechte auf: Ob er wolle, dass ich an der Anhörung teilnehme, er habe das Recht, eine Begleitperson mitzunehmen. Nach Aufnahme der Formalien habe er Zeit, seine Fluchtgründe zu erklären. Sie sei die „Anhörerin“, die Entscheidung fällt ein „Entscheider“ nach Durchsicht des Protokolls der Anhörung.

Den Ausweis aus dem Heimatland müsse sie einziehen, A. hat eine Kopie davon und einen Nachweis über die Abgabe erhalten.

Die vom Dolmetscher übersetzte Geschichte von A. hat sie gleich in den Computer diktiert.   Zwei oder dreimal habe ich mich in das Gespräch eingeschaltet und A. darauf hingewiesen, dass etwas noch nicht gut genug verständlich war. Auch das wurde ohne Unmut zugelassen.  Am Ende wurde der Ausdruck vom Dolmetscher für A. rückübersetzt, Verbesserungen wurden sofort korrigiert.A. bekommt ein Protokoll, und alle außer mir unterschreiben eine Dokumentation des abgelaufenen Gespräches.

Das war das erste Mal, dass ich bei einer Anhörung dabei war. Der präzise Ablauf des Vefahrens, die Transparenz und der faire Ablauf haben mich beeindruckt.

Das war für mich ein beeindruckendes Erlebnis von Rechtsstaatlichkeit!

A. hat mir aber auch berichtet, dass andere Flüchtlinge es anders erlebt haben. Er hatte mit Zwischenfragen und Zeitdruck gerechnet.

Für mich war dieser Tag wichtig, obwohl ich erst gegen Abend wieder zu Hause war. Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl ist ein hohes Gut! Und die Einschränkungen durch das im August 2016 verabschiedete „Intergrationsgesetz“ scheinen mir nach dieser Erfahrung noch fragwürdiger.

Wir sollten das Bundesamt zu mehr Transparenz ermutigen. Auf diese Asylgesetzgebung können wir stolz sein!  Das Gebäude in Bielefeld hätte ein großes Plakat verdient: „Hier werden Asylverfahren im Namen der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt!“

Der äußere Ablauf ließe sich leicht menschenfreundlicher gestalten, –  mit einem Trinkwasserspender zum Beispiel. Oder einem Kaffeeautomaten.  Der hätte mir bei vier Stunden Wartezeit echt geholfen!

Einen ähnlichen Bericht von Wolfgang Horn über den Besuch beim BAMF unter dem Titel  “Bürokratische Entwürdigung” kann man hier nachlesen.

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