„Wem gehört die Stadt? – Bürger in Bewegung“. Von Anna Ditges (Phoenix, Sa 15.10.2016, 22.30-00.00)

Von Fritz Wolf

Wenn Menschen gegen Entscheidungen einer Stadtverwaltung protestieren, nennt man sie inzwischen gern „Wutbürger“. In Wirklichkeit geht es um einen demokratischen Prozess, in dem Interessen ausgehandelt werden. Einen solchen Prozess verfolgt Anna Ditges in ihrem Film „Wem gehört die Stadt? – Bürger in Bewegung“. (Phoenix, Sa 15.10.2016, 22.30-00.00)„Wem gehört die Stadt?“ ist der Titel eines Songs der Kölsch-Rockgruppe „Brings“. Im Film von Anna Ditges spielen sie ihn auf einem Straßenfest auf dem Helios-Gelände in Köln Ehrenfeld. Das Gelände lag brach, ein Investor interessierte sich, wollte dort eine Shopping-Mall ansiedeln – und entfachte Bürgerprotest. Gastronomen und Handwerker, deren Existenz durch den geplanten Abriss auf dem Spiel steht, aber auch Anrainer und Nachbarn sehen die Shopping Mall als Bedrohung für die gewachsene Infrastruktur und für den Einzelhandel des Viertels. Unterschriften werden gesammelt und eine Bürgerinitiative gegründet, deren Arbeitsgruppen nachhaltige und bürgernahe Konzepte zur Nutzung des Geländes erarbeiten wollen. Mit Unterstützung von Bezirksbürgermeister Wirges, dem die Menschen in „seinem Veedel“ am Herzen liegen, kommt es zu einem Bürgerbeteiligungsverfahren, in dem Vertreter der Stadt zwischen den Interessen von Wirtschaft, Politik und Bürgerschaft vermitteln und abwägen sollen. Unterschiedliche Interessen prallen aufeinander. Die Bürgerinitiative will lieber Kultur angesiedelt sehen, günstige Wohnungen, ein bürgerschaftliches Herzstück des Viertels. Öffentlich zugänglichen Raum in einem dicht bebauten Viertel.

Der Film dokumentiert diesen Prozess, man lernt die Interessen der einzelnen Beteiligten kennen, die Schwerfälligkeit städtischer Planung auch. Mit Aktivitäten der Bürgerinitiative kann die Verwaltung nicht recht umgehen, das hat sie nicht gelernt und die BI hat viele kompetente Experten in ihren Reihen. Anna Ditges gelingt es, sehr anschaulich die Ereignisse zu schildern, die Interessen sichtbar und erkennbar zu machen. Obwohl der Stoff ja filmisch nicht unbedingt viel hergibt: Straßenfeste, Interviews, viele viele Versammlungen mit vielen Rednern. Am Ende sind die Debatten noch lange nicht abgeschlossen, im Quartier haben sich neue, tragfähige Netzwerke unter den Bürgern gebildet, aber die Stadt hat kein Geld.

Anna Ditges sagt zu ihrem Film: „In den letzten Jahren ist der Wille der Menschen, gehört zu werden und sich einzumischen, deutlich spürbar geworden. In vielen Städten, wo über die Köpfe der Anwohner hinweg entschieden wurde, haben sich Bürgerbewegungen gebildet. Immer wieder ist dann von „Wutbürgern“ die Rede, die sich gegen jede (auch notwendige) Veränderung sperren. Dabei wird aber übersehen, dass durch dieses Engagement ein spannender demokratischer Prozess in Gang gesetzt wird. An dem oftmals sehr ideologisch geführten Kampf um das Kölner Helios-Gelände, im Mikrokosmos der größten deutschen Provinzstadt, zeigt sich exemplarisch, wie überall in Deutschland die verschiedenen Interessengruppen – Bürger, Politik und Wirtschaft – lernen müssen, miteinander umzugehen und Kompromisse zu finden. Während der langwierigen und spannungsreichen Auseinandersetzungen in Köln- Ehrenfeld ist mir vor allem eines klar geworden: Für die Bewohner einer Stadt geht es bei solchen Entscheidungen um viel mehr als um einen Planungs- und Investitionsraum, und um sehr viel mehr als ums bloße Rechthaben oder Blockierenwollen. Für sie geht es um Heimat, um Verortung, um Identität – und um das Gefühl, sich das alles selbst schaffen und gestalten zu können.“

www.wolfsiehtfern.de

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.