Von Fritz Wolf
Prominente Frauen und ihr Weg an die Macht, Aktivistinnen der feministischen Bewegung und die Geschichte eines Mädchens aus Niger. Ein Film zur Frage, wie weltweit die Geschlechterverhältnisse neu ausgerichtet werden. Katrin Schuster über „The Power of Women“ (Phoenix, 01.10.2016, 22.30-00.00)
Ein Film über die Frauen dieser Welt, der anderes zu erzählen hat als Erfolgs-, Schicksals- oder Opfergeschichten. Frauen aus Israel und El Salvador, aus Indien und Niger erklären, für und gegen was und wen sie kämpfen, warum sie das tun und wer oder was sich ihnen da entgegenstellt. So geraten nicht zuletzt die Medien selbst ins Blickfeld, denn Macht hat – immerhin darin sind sich alle einig –, wer im Bild ist.
Man kann sich, mit Recht und selbst mit feministischen Argumenten, gut darüber streiten, ob die mit Slogans bepinselten blanken Brüste der Femen-Aktivistinnen eine angemessene Metapher im Kampf für die Gleichberechtigung der Frau darstellen. Der Dokumentarfilm „The Power of Women“ von bezieht dahingehend keine Position, aber einer ähnlichen Methode, mediale Aufmerksamkeit zu generieren, bedient er sich doch.
Am Anfang stehen eine Reihe populärer Frauen, darunter Christine Lagard, Hilary Clinton, Michelle Bachelet und Angela Merkel, deren Biografien zweifellos das Interesse des Publikums erregen dürften. Deren Weg an die Macht wird kaum überraschend als beispielhaft (und mit den üblichen Highheel-Szenen) vorgestellt, doch im selben Atemzug nimmt der Film immer auch die Bruchkanten ins Visier: wie Hilary Clinton ihre Frauenthemen aus Angst vor Stimmenverlust nicht mehr ganz so explizit benannte; wie Michelle Bachelet und Margot Wallström nachgeben mussten, als die wirtschaftlichen Interessen ihres jeweiligen Landes sich gegen ihre Agenda wandten; wie Angela Merkel eine Quote beschloss, die offensichtlich nicht in ihrem parteipolitischen Sinne war. Und so erscheinen die prominenten Frauen bald nicht mehr als vorbildhafte Individuen, sondern als prominente Beispiele eines Unterschieds, den die Gesellschaft zwischen Frauen und Männern macht.
Ein ums andere Mal geht es um die öffentliche Präsenz von Frauen, in der Religion, in der Politik, in den Medien. Allein die Anwesenheit einer Frau beim IWF bringe Dinge in Bewegung, sagt Christine Lagard, da der ganzen Welt fortan vermittelt werde, dass Wirtschaft nicht mehr nur von Männern gemacht wird. Allein die Anwesenheit einer Frau im Gemeinderat, sagt genauso die indische Bürgermeisterin, bringe andere Probleme auf den Tisch und diene vor allem als Vorbild für nachfolgende Generationen. Die Schauspielerin Geena Davis springt dem aus Hollywood bei: In Massenszenen von Filmen betrage der durchschnittliche Frauenanteil 17 Prozent – kann man klarer bedeuten, welche Rolle Frauen im öffentlichen Leben spielen (sollen)?
So verschieden die Perspektiven auf das Thema, so verschieden auch die Positionen. Die Differenzen zwischen der jüdisch-orthodoxen Feministin, die sich für die religiöse Gleichberechtigung der Frau einsetzt, und der Pussy-Riot-Aktivistin, der Religion als das Böse schlechthin gilt, dürften sich kaum überbrücken lassen. Auch damit geschieht der feministischen Bewegung ein wichtiges Recht: indem sie endlich nicht mehr auf eine Haltung reduziert wird, sondern sie in all ihrer Vielgestaltigkeit zu Wort und vor allem Bild kommt.
Und dann wird „The Power of Women“ konkret, erschreckend konkret. Anhand der Geschichte des Mädchens Balkissa, das sich zur Wehr setzte, als es im Alter von zwölf Jahren dem Onkel versprochen wurde, nennt der Film die wichtigsten Zahlen über Zwangsheirat. 700 Millionen der heute lebenden Frauen wurden zwangsverheiratet, in Niger sind es drei Viertel aller Mädchen unter 18 Jahren, Melinda Gates spricht von 11 Prozent aller unter 15-Jährigen. In El Salvador wiederum begleitet der Film die Frauenrechtlerin Morena Herrera, die in den 1980er Jahren auf Seiten der Guerilla kämpfte und sich heute gegen die Abtreibungsgesetze ihres Landes engagiert. El Salvador ist eines von sechs Ländern der Welt, in denen Abtreibung unter allen Umständen verboten ist, selbst dann, wenn die werdende Mutter in Lebensgefahr ist. Die Haftstrafen sind drakonisch, siebzehn inhaftierte Frauen, die Fehlgeburten erlitten hatten, betreut Herrera. Eine davon wurde zu 30 Jahren, eine andere zu 40 Jahren Haft verurteilt, weil sie ihr Kind nicht geschützt haben, so der Vorwurf.
In die deutschen Medien dringen solche vermeintlich kleinen Geschichten vom anderen Ende der Welt nurmehr selten – auch diese Erweiterung des Horizonts aufs Internationale soll man dem Film also danken. Dass Frauenrechte nicht mehr und nicht weniger sind als Menschenrechte, wusste man wohl vorher schon. Aber danach weiß man noch einmal besser, warum dem so ist.