„Geheimes Kuba“. Von Emmanuel Amara, Kai Christiansen und Florian Dedio (ZDF Info, Sa 24.09.2016, ab 20.15 / Sa 01.10.2016, ab 09.15)

Von Fritz Wolf

Das Bild ging um die Welt: US-Präsident Barak Obama und Kubas Präsident Raul Castro beim Händedruck. Ende einer feindseligen Ära, Beginn einer neuen Politik, ein weltpolitischer Einschnitt. Wie kam es dazu? Wie verlief die Geschichte Kubas? Wer Kuba verstehen will, so steht es als Leitsatz über der Produktion von ZDF-Info, der muss seine Vergangenheit kennen (ZDF Info, Sa 24.09.2016, ab 20.15 / Sa 01.10.2016, ab 09.15) Diese Vergangenheit kennen zu lernen, ist das Ziel der aufwändigen 8-teiligen Reihe „Geheimes Kuba“. Der Titel ist schon mal blöd. An Kuba ist gar nichts geheim und auch nicht geheimnisvoll. Das Wissen um die Geschichte der Karibikinsel ist gering, das ist alles. Und dann gleich noch der Trailer mit Sprüchen wie „Heiße Nächte und eiskalte Killer“. Da möchte man gleich wieder ausschalten.

Das wäre aber schade. Denn der Film ist zwar konventionell in seiner Anmutung, aber interessant, informativ und spannend, jedenfalls in den ersten vier Folgen, auf die sich diese Kritik bezieht.  Die Autoren ziehen da die langen Linien der Geschichte. Sie beginnen bei Columbus, bei der langen Kolonialgeschichte der Insel und den zahlreichen Versuchen, sich Unabhängigkeit zu erkämpfen, erst von der spanischen Kolonialmacht, dann von der indirekten Kolonialmacht USA. Es zeigen sich Muster in der Geschichte, Wiederholungen, Ähnlichkeiten. Die Revolutionen auf Kuba kamen immer von Osten der Insel in den Westen, aus den armen Gebieten in die reichen. Nach Miami exiliert sind mit der Politik unzufriedene Kubaner nicht erst seit Castro, sondern schon viel früher. Als ihren Hinterhof betrachteten die USA die Insel nicht erst seit der Diktatur des Fulgencio Batista, sondern schon als sie Spanien im Krieg besiegten und für das Ende des spanischen Kolonialismus sorgten.

Erzählt wird das alles chronologisch und sehr detailliert, die Autoren haben ja auch die Zeit dafür. Wenige Jahre nach Columbus waren die Einheimischen fast ausgerottet, zwei Millionen Sklaven aus Afrika nahmen ihre Stelle ein. Die Insel war schon damals Drehkreuz für den spanischen Handel. Tabak und Zucker waren die entscheidenden Produkte, die die weiße Oberschicht reich machten. Dagegen gab es immer wieder Aufstände, am geschichtsträchtigsten der Versuch des kubanischen Dichters José Marti, der beim Ver-such, die Insel zu erobern ums Leben kam. Marti ist kubanischer Nationalheld, der Lateinamerika-Chef des damaligen KGB urteilt lakonisch: „Marti ist wie Castro, nur hundert Jahre früher“

Am Ende läuft die vierte Folge der Serie auf den Sieg von Fidel Castros Bewegung „26. Juni“ und das Ende der Diktatur Batista hinaus. Sehr ausführlich erzählt der Film, wie Fidel Castro als Rechtsanwalt zunächst mit juristischen Mitteln gegen Batista vorging und erst zur Waffe griff, als diese Mittel ausgereizt waren. Bei dieser Gelegenheit räumt der Film mit einer Reihe von Mythen auf; für Kenner der kubanischen Geschichte nichts Neues, aber der Film ist nicht vorrangig für Kenner der kubanischen Geschichte gedacht.

Castro und seiner kleinen Gefolgschaft misslang zunächst alles. Der Sturm auf die Mon-cada-Kaserne, heute ein geschichtsträchtiges Datum wie etwa der Sturm der Vietcong auf die US-Botschaft in Saigon, war tatsächlich ein Desaster. Die meisten Aufständischen wurden gleich erschossen, Castro und die überlebenden Mitkämpfer landeten im Gefäng-nis. Nach einer Amnestie ging die Gruppe ins Exil nach Mexiko, dort stieß der argentinische Arzt Ernesto Che Guevara dazu. Dann die Überfahrt mit dem maroden und überlasteten Schiff „Granma“ nach Kuba, noch eine militärische Niederlage. Nur wenige, unter ihnen die Castro-Brüder und Che Guevara, überlebten und zogen sich in die Sierra Maestre zurück. Erst als die USA dem Diktatur Batista die Unterstützung entzog und dieser am 1.1.1959 in die Dominikanische Republik floh, brach der Staatsapparat zusammen und für die sehr kleine Armee des Fidel Castro war der Weg zur Macht frei.

Die Darstellung ist sehr detailliert und liefert viele Erklärungen. Dass die USA immer noch und wohl noch auf lange eine Marinebasis auf der Insel unterhalten, Guantanamo, ist auf den spanisch-amerikanischen Krieg von 1895 zurückzuführen. Die Amerikaner fürchteten vor allem um ihren wirtschaftlichen Einfluss in der Zuckerindustrie und ließen sich das Recht zusichern, militärische Stützpunkte zu unterhalten. Man erfährt vom Doppelgesicht des Fulgencio Batista, der zunächst 1940 als Unteroffizier putschte, sich zum General erklärte und eine fortschrittliche Verfassung durchsetzte, mit Frauenwahlrecht, Bodenre-form und Achtstundentag. Ab 1944 ließ sich Batista als Politrentner in Miami nieder, kehrte 1952 zurück, putschte vor den Wahlen und errichtete eine Diktatur, in der die amerikanische Mafia den Tourismus und die Spielcasinos eroberte. Bacardi war die er-folgreichste kubanische Firma und, auch das lernen wir, der Cuba libre ursprünglich ein Unterschicht-Produkt.

Viel Stoff also, sehr viel Stoff. Von der Bauart ist die Serie konventionell gebaut. Sie führt eine imposante Reihe von prominenten Zeitzeugen ins Feld. Die Enkelin des Mafia-Bosses Meyer Lansky etwa, Nikolai Leonow, den Lateinamerika-Chef des KGB oder Castros lang-jährigen Geheimdienstchef. Oder auch Fidel Castros Schwager, der den präzise-eindrucksvollen Satz spricht: „Sie haben uns nichts versprochen. Nur Revolution. Und die haben sie gemacht.“ Der Umgang mit dem Dokumentarmaterial ist interessant, auch vie-les dabei, das so noch nicht zu sehen war – ein Resultat der amerikanisch-kubanischen Annäherung ist auch der Zugang zu Archiven.

Von der Methode her gesehen, handelt es sich bei „Geheimes Kuba“ um klassisches Geschichtsfernsehen in Form von chronologischer Ereignisgeschichte. Übersichtlich, detailliert, ausgewogen. Erkennbar anders, als beispielsweise Geschichtsfernsehen der (inzwischen weitgehend verschwundenen) Guido-Knopp-Schule: ohne Re-Enactment, weitgehend unaufgeregt, ohne dramatisierenden Enthüllungston, ohne puschenden Histotainment-Sound.

Allerdings werden in dieser Ereignisgeschichte auch interessante politische Fragen nicht gestellt. Vermutlich kann die Geschichte Kubas nicht isoliert betrachtet werden von den Unruhen auf dem ganzen Kontinent in den sechziger Jahren – die USA betrachteten ja nicht nur Kuba, sondern ganz Lateinamerika, vor allem Mittelamerika, als ihren Hinterhof, wie sich Jahre später in Guatemala, Chile, Panama zeigen sollte. Zu kurz kommt die Einordnung in die politischen Mechanismen des Kalten Krieges; da dürfte die Aussage nicht reichen, die Sowjetunion habe in Lateinamerika den Antiamerikanismus geschürt –das haben die USA schon selber getan. Auch bleiben die politischen Ideen Castros unscharf. Zwar wird erwähnt, dass Fidel, anders als sein Bruder Raul, kein Kommunist war – aber welchen politischen Vorstellungen er in der Zeit seines Aufstiegs vom Studentenführer zum siegreichen Revolutionär anhing, wie er über Bodenreform, Verstaatlichung, Industrialisierung, also die Grundfragen dieser Jahre dachte, erfährt man nicht.

Von diesen Einwänden aber einmal abgesehen, liefert die Serie ein brauchbares, umfäng-liches und durchaus interessantes Kompedium an Geschichtswissen. Geheimes Kuba“ ist eine internationale Koproduktion von looksfilm („Die Wahrheit über den Holocaust“), Interscoop und Format TV in Koproduktion mit ZDFinfo, in Zusammen-arbeit mit dem Institut National de l’Audiovisuel und gefördert durch das Centre National de la Cinématographie et de l’Image Animée sowie durch das Media Programme der Eu-ropäischen Union. Sie wird nach Angaben der Produktionsfirma in Frankreich, Finnland, Litauen, Russland, Slowenien und Spanien gezeigt.

www.wolfsiehtfern.de

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