Von Fritz Wolf
Subjektive Geschichtserforschung ist ein wichtiges Genre im Dokumentarfilm, weil sich damit geschichtliche Faktizität durch Erleben und Erfahrung ergänzen lässt – umso wichtiger, als die Zeitzeugen im Dunkel der Zeitgeschichte verschwinden. „Meine Mutter, ein Krieg und ich “ führt zurück inden zweiten Weltkrieg und die Ukraine.(ZDF Kultur, Mi11.05.2016, 22.30-23.50)
Tamara Trampe ist Filmemacherin, sie kam in einem Schützengraben zur Welt und sie sucht nach ihrer Geschichte. Zwei Jahre vor dem Tod ihrer Mutter hat die Regisseurin mit ihr noch ein Interview vor der Kamera geführt und darin auch die Frage nach dem Vater gestellt. Die Mutter antwortet abweichend. Der Vater war Kommissar, geliebt will sie ihn nicht haben, nur Respekt sei da gewesen. Er war Kommissar der Roten Armee, überdies verheiratet und vierfacher Vater, wurde nach der Affäre versetzt und verschwand. Ob es Liebe im Krieg gebe, will die Filmemacherin wissen.
Diese Frage stellt sie auch Menschen, die wie ihre Mutter im Krieg gelebt haben. Die alten Frauen haben noch ihre Uniformjacken im Schrank mit den vielen Orden, sie ziehen sie auch an vor der Kamera und es ist nichts Anrüchiges daran. Es hängen Leben und Tod und Überleben dran, nicht irgendwelche, sondern existenzielle Geschichten. Und da ist man auch schon mittendrin in der Erinnerung, aber die ist, wie immer: sehr verblasst. Eine der alten Frauen kann sich vor der Kamera an vieles nicht mehr erinnern, sie hadert mit dem Verlust und macht ein böses Gesicht. Aber das weiß sie: Liebe an der Front hat es nicht gegeben. Und dann sprechen die Frauen über Leben, Überleben, über den Kampf.
Mit diesen Erinnerungen ist es wie mit den Fotos, die Tamara Tampe hervorholt: vergilbt, teilweise zerstört, an den Rändern eingerissen. Was genau sie uns wissen lassen wollen, was ihre Perspektive ist, weiß man nicht immer zu sagen. Andererseits: man sieht hier Menschen, die einmal jung waren , lebenshungrig und schön, die ihr Leben dem Krieg überantwortet haben. Man sieht in diesen Gesichtern die gestohlenen Jahre.
Am Ende führt diese Spurensuche nicht an den Ort, wo die TV-Historiker sich gerne aufhalten, wo sie nach bewährten Mustern alles in 45 Minuten klar machen. Nichts hier in diesem Film ist einfach, abgerundet, abgeklärt. Hier ist Freude und Trauer, Erinnerung und Vergessen, gelebtes und verpasstes Leben, gewonnener und verlorener Mut. http://www.meinemuttereinkriegundich.de/
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