„Die Geschichte der RAF“. Von Anne Kauth und Bernd Reufels (ZDF Info, So., 01.05.2016, ab 20,15)

Von Fritz Wolf

Mit dem 6Teiler über die Geschichte der RAF hat ZDF-Info mal wieder eine große Zeitgeschichts-Reihe produziert, Geschichtsdarstellung ohne Re-Enactment. Was schon mal erwähnenswert ist. Der Film wirft auch die Frage auf, warum noch mal die Geschichte der RAF auf diese Weise erzählen wollte. (ZDF Info, So., 01.05.2016, ab 20,15)

 

Die sechsteilige Dokumentation über „Die Geschichte der RAF“ gibt einen ausfühlichen Überblick über den Gang der Ereignisse. Sie ist sorgfältig chronologisch gegliedert, erst die Gründungsphase, dann die Phase bis zur Verhaftung von Baader, Meinhof, Ensslin, dann der Stammheim-Prozess und schließlich der Herbst 1977, der mit der gescheiterten Flugzeugentführung in Mogadischu endete, mit dem Tod Hanns Martin Schleyers und dem Selbstmord der RAF-Terroristen im Gefängnis in Stammheim. Der Verlauf der Eskalation zwischen einer kleinen Gruppe und der Staatsmacht wird chronologisch erzählt, Schritt für Schritt. Alles, was ohnehin im Bild gut dokumentiert ist, kommt vor, die bekannten Bilderschleifen. Die beiden jetzt ausgestrahlten Folgen reichen bis in die Gegenwart, bis zum Prozess gegen Verena Becker und bis zu den immer noch geheim gehaltenen Akten der Verfassungsschutzes, leisten also grade die aktuelle Anbindung.

Ausführlich behandelt der Film die Motive der Studentenbewegung, sehr ausführlich wird der Stammheim-Prozess dargestellt, mit den Statements der Verteidiger (Schily, Croissant) und den Tonbandprotokollen der Verhandlung, die etwas über das Verhandlungsklima erzählen. Ausführlich auch die Schilderung der Flugzeugentführung, der Aussagen der Überlebenden. Dazu natürlich auch die Nachrichtenbilder von damals. Zeitzeugen, oft sorgsam gegeneinander abgewogen, liefern ein Bild der Ereignisse. Von den Rechtsanwälten sind Hans-Christian Ströbele, Ulrich Preuß und Rupert von Plottnitz dabei, die Historikerzunft vertreten Wolfgang Kraushaar und Butz Peters, Astrid Proll von der RAF, Rainer Hofmeyer vom BKA, der Gefängnisdirektor von Stammheim, Hans Nusser,und Jürgen Vietor, der Co-Pilot der Landshut.

Ein wichtiger Part fällt dem Liberalen Gerhart Baum zu, Innenminister von 1978-1982. Er liefert politische Einordnung und betont mehr als einmal, welche Verantwortung auch die staatliche Politik für die Eskalation des Konflikts trug, etwa bei der Frage der Haftbedingungen. Auch die mehr als einmal fragwürdige Rolle des BND kommt zur Sprache. Ausführlich dargestellt wird etwa die Rolle des Verfassungsschutzagenten Peter Urbach, der Molotow-Cocktails in die Anti-Springer-Demonstrationen der Studenten einführte und auch sonst für Bewaffnung sorgte – eine Geschichte, die sonst nicht so gern erzählt wird. Die Aktivitäten der Dienste sind ein zweites Thema dieses Films.

Über die Mitglieder der RAF erzählt der Film eigentlich gar nichts, nicht über Herkünfte, Karrieren, Motive etwa von Gudrun Ensslin. Baader wird als Diktator der Gruppe dargestellt, nur Ulrike Meinhof bekommt etwas mehr Aufmerksamkeit. Es geht aber nirgendwo um Individuelles oder Persönliches, nur um die Aktionen der Gruppe. Dagegen vermisst man sehr, dass die Filme sich nicht befassen mit dem gesellschaftlichen Klima und mit der Hysterie Mitte der Siebziger und im Deutschen Herbst, wie sie etwa durch BILD bewusst geschürt wurde und zum Beispiel einen Heinrich Böll zu einem RAF-Sympathisanten machte.

Die Filme sind chronologisch, linear und streng nach dem Ablauf der Ereignisse gegliedert. Sie werden vorangetrieben von einem leitenden und alles dominierenden Erzähltext, der die Ereignisse und ihre Interpretation formuliert. Bilder sind in der Regel illustrativ eingesetzt, meist bekanntes Nachrichtenmaterial. Die Autoren lösen, anders als im Histotainement üblich, die Geschichte nicht in Geschichten und individuelle Erlebnisse auf, sondern schreiben Ereignisgeschichte. Re-Enactment gibt es nicht, an einigen Stellen kommen einfache Animationen zum Einsatz, etwa um die Anordnung der Zellen im Stammheimer Gefängnistrakt zu illustrieren. Die Interviews werden vor einem Hintergrund geführt, der wie eine blaugraue Betonwand aussieht; darauf werden auch während der Interviews schattenhaft Filmsequenzen aufgespielt. Die Musik ist zurückhaltend, lange nicht so donnernd wie sonst genreüblich– man fragt sich freilich, was die Popmusik von Stones bis Beatles, die hier als Musiktapete dient, dafür kann, hier so ziellos verwurstet zu werden.

Die interessante Frage ist, weshalb dieser Sechsteiler doch umfänglich das Thema RAF noch einmal aufgreift. Der Film liefert eine Zusammenschau, wenn man so will, aber er enthält nichts wirklich Neues, behauptet das auch nicht. Ein äußerer Anlass, etwa ein Jahrestag, ist nicht erkennbar, wird auch nicht angespielt. Die Geschichte der RAF ist in vielen Filmen aus verschiedenen Perspektiven erzählt worden, in Spiel- wie in Dokumentarfilmen. Die Selbstauflösung der RAF liegt 15 Jahre zurück. Und eine Verbindungslinie zu heutigem Terrorismus ist nicht erkennbar, auch nicht gesucht. Allerdings, im Zusammenhang mit den Attentaten in Paris, sieht man diese zeithistorischen Bilder von der nicht weniger brutal mordenden RAF mit Beklemmung, wird doch aus dieser Geschichte klar, wie sehr Terrorismus jedenfalls das innere Klima die Gesellschaft verändern kann. Es war offenbar Absicht des Senders, einen jüngeren Publikum die Zeitgeschichte gradlinig zu erklären. Mit sechs Folgen haben die Autoren einen größeren Spielraum für Begründungen und Zusammenhänge, den sie auch durchaus nutzen.

http://www.wolfsiehtfern.de

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.