Buchtipp zum Holocaustgedenktag 2021

Zwischen Glück und Grauen

VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG

Der 27. Januar ist der Holocaustgedenktag und an diesem Tag wird in Deutschland seit 1996 der zahllosen Opfer der Nationalsozialisten gedacht. Der Tag erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee 1945 und ist seit 2005 auch weltweit Gedenktag der Opfer des Holocaust.

Heute empfehle ich mein eigenes Buch, da meine geplante Lesung am 27. Januar aus „Zwischen Glück und Grauen“ in der Stadtbücherei in Flörsheim am Main wegen der Coronapandemie abgesagt werden musste.

In dem Buch porträtiere ich 29 Menschen, die Opfer der irrsinnigen Rassenlehre der Nazis wurden, im Widerstand europaweit aktiv waren, Kriegsopfer der Bombenangriffe wurden und Flucht und Vertreibung überstehen mussten. Darüber hinaus recherchierte ich in neun deutschen Konzentrationslagern europaweit. Die Geschichten sind exemplarisch und meine Reisen führten mich in die Niederlande, die Schweiz, die Tschechische Republik, nach Spanien, Frankreich, Österreich, Polen, Großbritannien und natürlich durch Deutschland. Das Foto von 2006 auf dem Cover des Buches zeigt die Rampe in Auschwitz, das ist der Ort, wo die Deportationszüge ankamen.

Zuerst zitiere ich die Texte über das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, dann stelle ich die Holocaustüberlebende Trude Simonsohn vor. Sie steht stellvertretend für die zahllosen Opfer des Holocaust.

Marie-Louise Lichtenberg • Zwischen Glück und Grauen. Begegnungen mit Überlebenden der nationalsozialistischen Diktatur • Allitera, München 2010 • 332 Seiten • 24,00 € • Ab 14

Ehemaliges Konzentrations – und Vernichtungslager Auschwitz 1940 – 1945, bei Oświęcim in Polen


Stammlager Auschwitz I
Das Konzentrations – und Vernichtungslager Auschwitz wurde von den Nazis in der Nähe der polnischen Kleinstadt Oświęcim errichtet, die zusammen mit anderen Gebieten Polens während des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen besetzt war. Die Nazis änderten den Namen der Stadt in Auschwitz, nach der auch das Konzentrationslager seinen Namen bekam. Am 14. Juni 1940 kam der erste Transport polnischer politischer Gefangener nach Auschwitz.

Das Lager Auschwitz, 1940–1945, war das größte Konzentrations- und Vernichtungslager und bestand aus Auschwitz I, Auschwitz II–Birkenau, Auschwitz III–Monowitz sowie aus über 40 Nebenlagern. Am Anfang litten und starben Polen im Lager. Später kamen sowjetische Kriegsgefangene, Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, politische Gegner und andere Häftlinge hinzu. Ab Frühjahr 1942 wurde Auschwitz zum Ort des größten Massenmordes in der Geschichte der Menschheit an den europäischen Juden, deren völlige Ausrottung die Nazis sich zum Ziel gesetzt hatten. Die Mehrheit der nach Auschwitz deportierten Juden – Männer, Frauen und Kinder – kamen unmittelbar nach deren Ankunft in den Gaskammern in Birkenau um. Von Mai – Juli 1944 wurden allein etwa 400 000 ungarische Juden ermordet.

Rampe in Auschwitz II-Birkenau
Auschwitz II–Birkenau liegt etwa 3 Kilometer vom Stammlager entfernt. Vom ehemaligen Wachgebäude der SS, durch das Eisenbahnschienen führen, hat man einen guten Überblick über die riesigen Ausmaße des 171 ha großen ehemaligen Lagers.

Ab Juli 1942 fanden Selektionen an der Lagerrampe statt. Die meisten Menschen trafen in Viehwaggons im Lager ein. 60 – 70, manchmal 100 Menschen pro Waggon, hatten oft eine tagelange Fahrt ohne Unterbrechung hinter sich. Nach dem Aussteigen mussten alle der Reihe nach vor den jeweiligen SS–Arzt treten. Dieser selektierte nach einem kurzen Blick durch eine Handbewegung zur sofortigen Vergasung oder zur Zwangsarbeit im Lager.

Historiker können nicht genau sagen, wie viele Menschen in Auschwitz ermordet wurden, da nur etwa 400 000 registriert wurden und die SS die Dokumente vernichtete. 1,1 – 1,5 Millionen Menschen kamen im Lager um, 230 000 überlebten es. Eine große Zahl der Häftlinge starb infolge von Hunger, Zwangsarbeit, Terror, Exekutionen, sowie infolge der unmenschlichen Lebensbedingungen, von Krankheiten und Epidemien, Strafen, Folter und verbrecherischen Experimenten.

Als die Rote Armee im August 1944 dem KZ Auschwitz näherkam, begann die SS mit der stufenweisen Evakuierung des Lagers. Ab dem 17. Januar 1945 schickte sie etwa 56 000 Häftlinge auf Todesmärsche in Richtung Westen, um ihre Befreiung zu verhindern. Am 26. Januar ließ die Lagerleitung das letzte Krematorium sprengen. Als die sowjetische Armee am 27. Januar 1945 Auschwitz befreite, waren noch etwa 7500 kranke und vollkommen erschöpfte Häftlinge dort.

Am 2. Juli 1947 wurde durch ein Gesetz des polnischen Parlamentes auf den zwei erhaltenen Lagerteilen Auschwitz I und Auschwitz II–Birkenau das Staatliche Museum Auschwitz–Birkenau errichtet.1979 nahm die UNESCO diesen Ort in ihre Liste des Weltkulturerbes auf.

Trude Simonsohn wurde am 25. März 1921 in Olmütz in der damaligen Tschechoslowakei in eine jüdische Familie geboren, von den Nazis verfolgt und überlebte das Getto Theresienstadt und das Konzentrations – und Vernichtungslager Auschwitz. Ihre Eltern überlebten den Holocaust nicht. Ihre Lebensgeschichte erzählt sie auf den Seiten 46 – 51. Über die Ankunft mit ihrem Mann in Auschwitz sagt sie:

“ … Dann sind wir angekommen und ich wusste nicht wo wir sind. Und dann das übliche „Raus!“ und alles mit Eile und ich sagte: “Hier möchte ich lieber tot als lebendig sein.“ So ein Gefühl hatte ich einfach. Wir wurden bei der Ankunft sofort getrennt. Vor der Trennung haben wir abgemacht, dass wir uns nach der Befreiung in Theresienstadt treffen wollten, falls wir überleben sollten. Ich erinnere mich an Mengele, wie er breitbeinig dastand und einen Daumen nach rechts oder nach links zeigte. Und ich hatte keine Ahnung, als ich nach der einen Seite gehen musste, dass das zur Arbeit war und was die andere Seite bedeutete. Dann sind wir in die Duschen gekommen und ich wusste nicht, dass es Gas hätte sein können. Aber das habe ich nach einer Stunde von Leuten erfahren.Dann wurden wir kahlgeschoren und dann mussten wir, was ich bis heute als eine furchtbare Demütigung empfinde, so kahl geschoren und nackt, durch den Kordon der SS-Leute zu irgendeiner Kleiderausgabe gehen. Wir bekamen Kleidung und Holzpantinen und dann erinnere ich mich an das stundenlange Appellstehen, wo ich nur ein Gefühl hatte, jetzt möchtest du tot umfallen und zu allem spielte die Musik. Hier hört meine Erinnerung auf und sie ist nie wieder zurück gekommen. Ich weiß nicht, wie lange ich in Auschwitz war. Ich war nicht sehr lange da. Ich denke, wenn man sehr große körperliche Schmerzen hat, ist es ein Segen, wenn man ohnmächtig wird. Und ich glaube auch, dass eine Seele, die den Schmerz nicht mehr aushält, ohnmächtig werden kann. Ich hatte als Folge der gesamten Verfolgung drei solcher black outs. …“

Trude Simonsohn traf ich 2007 in Frankfurt am Main. Am 25. März 2021 wird sie 100 Jahre alt und seit 1979 spricht sie öffentlich und besonders in Schulen über ihr Leben und Leiden. Ich spürte bei unserer Begegnung die Kraft dieser bemerkenswerten Frau, die sich engagiert und überzeugend gegen das Vergessen wendet und alles tut, damit sich im Heute und Morgen dieses Grauen nicht wiederholt.

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