BESCHLUSS DES SPD-PARTEITAGS RBK
Hauptdebattenpunkt des Parteitages der SPD im Rheinisch-Bergischen Kreis war ein Initiativantrag des Kreisvorstandes, der sich mit dem Ukrainekrieg und dessen Folgen auseinandersetzte. Dieser wurde nach engagierter Diskussion einstimmig angenommen. In dem Antrag sprach sich der Parteitag für deutliche und spürbare Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger aber auch der Unternehmen aus, die unter den Folgen des Krieges besonders leiden. Aus Sicht des Parteitages habe die Bundesregierung unter Olaf Scholz die richtigen Weichen gesetzt. Jetzt sei vor allem das Land und die schwarz-grüne Regierung gefordert eigene Entlastungen auf den Weg zu bringen, „statt sich in Schweigen zu hüllen und in Totalverweigerung zu üben.“
Hier der Beschluß im Wortlaut:
Der russische Überfall auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf das freie Europa. Das Putin-Regime führt einen brutalen Vernichtungskrieg gegen die nach Europa strebende Bevölkerung der Ukraine, welche sich nach einem Leben in Frieden und Demokratie sehnt. Er hinterlässt Tote, Verletzte, Misshandelte, Traumatisierte, Vertriebene, Hungernde und zerstört Existenzen. Dies zeigen nicht zuletzt die Bilder der Kriegsverbrechen aus den befreiten Gebieten Butscha und Irpin, die um die Welt gingen.
Dieser grausame und unmenschliche Krieg ist auf das Schärfste zu verurteilen. Mit diesem Krieg hat die russische Regierung die ohnehin bereits sehr fragile internationale Nachkriegsordnung endgültig verlassen, die mühevoll nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut wurde. Ein in weiten Teilen völkisch-nationalistisch motivierter Angriffskrieg stellt nicht nur ideologisch einen Rückfall in längst für überwunden gehaltene Politik dar. Er steht auch ganz praktisch der Arbeit an den eigentlich anstehenden Aufgaben für die Weltgemeinschaft, insbesondere dem Kampf gegen den Klimawandel, entgegen und verschärft globale Krisen und Ungerechtigkeiten, z.B. durch die kriegsbedingten Ausfälle von Getreide- und Nahrungsmittelexporten oder die wirtschaftlichen Folgen der noch nicht überwundenen Corona-Pandemie. Es darf im 21. Jahrhundert nicht sein, dass das Recht des Stärkeren sich gegenüber der Stärke des Rechts durchsetzt. Unsere Solidarität gilt daher den Menschen der Ukraine. Sie nehmen ihr Recht zur Selbstverteidigung wahr und verdienen dabei die Unterstützung der westlichen Welt. Wir unterstützen die von Olaf Scholz angeführte Bundesregierung in ihrem entschlossenen Kurs international abgestimmt die Ukraine militärisch, humanitär und finanziell zu unterstützen. Dies ist nicht zuletzt ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch der internationalen Solidarität.
Folge des Krieges in der Ukraine ist aber auch ein Wirtschaftskrieg, dem sich die europäischen Demokratien und die westliche Welt ausgesetzt sieht. Die Auswirkungen sind eine steigende Inflation und dramatisch steigende Preise für Strom und Gas. Unternehmen geraten in Zahlungsschwierigkeiten. Arbeitsplätze sind in Gefahr. Soziale Notlagen drohen. Arbeitsplätze schützen, Einkommen sichern und soziale Notlagen abzumildern sind nun das oberste Gebot. Dies ist die Zeit für einen starken und solidarischen Sozialstaat.
Es bedarf aller staatlichen Anstrengungen, d.h. vom Bund über die Länder bis hin zu den Kommunen, um Deutschland sicher durch diese Krise zu führen. Deutschland in dieser Zeit zusammenzuhalten, ist das oberste Gebot. Wir dürfen uns nicht spalten lassen und müssen allen Demagogen entschieden entgegentreten. Die liberale und soziale Demokratie ist stärker als ihre Feinde.
Mit dem dritten Entlastungspaket hat die Bundesregierung vorgelegt und die richtigen Akzente gesetzt. Direktzahlungen für Renter:innen und Student:innen, das Abschöpfen von Zufallsgewinnen, einer Strompreisbremse für die Basisversorgung, der Reform des Wohngeldes und der Einführung des Bürgergeldes sind richtige Maßnahmen und verdienen unsere Unterstützung. Klar ist aber auch: Es werden weitere Entlastungsmaßnahmen nötig sein. Insbesondere sind Maßnahmen zur Begrenzung des Gaspreises absehbar in Zukunft notwendig. Hierbei darf es nicht am Geld scheitern. Ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse darf zur Abwendung von sozialem Abstieg und der Verhinderung einer Rezession kein Tabu sein!
Doch wo der Bund handelt und vorlegt, hüllt sich die neue schwarz-grüne Landesregierung in Schweigen und übt sich in Totalverweigerung. So drohte Hendrik Wüst zuletzt mit der Ablehnung des dritten Entlastungspaketes. Ein fatales Zeichen! Statt auf parteipolitische Blockade zu setzen, muss die Landesregierung eigene entschiedene Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir unterstützen die Forderungen der SPD-Landtagsfraktion nach einem eigenen Entlastungspaket des Landes, welches folgende Dinge enthalten muss:
• Abschaffung der Kita- und OGS-Gebühren • Kostenloses Mittagessen in der Schule und echte Lehr- und Lernmittelfreiheit • Ein Notfallfonds in Höhe von 300 Millionen Euro für Familien sowie Rentnerinnen und Rentner, die durch die Energiekrise in Zahlungsschwierigkeiten geraten • Einen Schutzschirm für die Stadtwerke zur Sicherung der regionalen Energieversorgung • Sicherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit der Kommunen • Ein Schutzschirm für die Sozial- und Gesundheitsbranche • Schnelle Hilfen aus Landesmitteln für die Industrie und den Mittelstand
Und nicht zuletzt muss das Land ausreichend finanzielle Mittel für einen kostengünstigen und einfachen Nachfolger des 9€-Tickets zur Verfügung stellen. Wir unterstützen die Forderung der SPD-Kreistagsfraktion an das Land, dem Bund zu folgen und dauerhaft einem preisgünstigen ÖPNV zu ermöglichen. Ein gültiges ÖPNV-Ticket für 49 Euro und ein reduziertes Ticket für 29 Euro für Schüler, Auszubildende, Studenten, Senioren, Ehrenamtler und Nutzer bestehender Sozialtarife muss möglich sein!
Es bedarf darüber hinaus noch mehr: Insbesondere das Land ist gefordert die Kommunen in dieser Zeit ausreichend in allen notwendigen Facetten zu unterstützen. Die Städte, Gemeinden und Kreise haben in der Corona-Pandemie bewiesen, dass sie Zusammenhalt vor Ort organisieren können.
Trotzdem haben sich die Aufgaben für die Kommunen längst von den finanziellen Erstattungen entkoppelt. Seit Jahren wachsen die Aufgaben viel schneller als die Erstattungen von Bund und Land. Die steigenden Energiepreise und die Folgen des Ukraine-Kriegs kommen als zusätzliche Belastungen jetzt oben drauf. Diese steigenden Ausgaben dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass Kommunen wegen ausbleibender Erstattungen vor Ort Steuern erhöhen oder Leistungen kürzen müssen. Das würde das Vertrauen der Bürger:innen in den Staat massiv beschädigen und gleichzeitig den Kommunen die Luft zum Atmen nehmen, die jetzt dringend gebraucht wird. Deswegen in aller Deutlichkeit: Land und Bund dürfen die Kommunen nicht alleine lassen, wenn es darum geht, die Folgen zu tragen. Hier muss ein Rettungsschirm für die Kommunen gespannt werden.
Zusammen werden wir in Deutschland und Europa diese Krise meistern, denn die weiteren großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Bekämpfung der Klimakrise, die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft und die Bekämpfung der Pandemie sind weiterhin akut und drängend. Nur wenn die Gesellschaft zusammenhält und sich unterhakt werden wir diese Aufgaben bewältigen. Diesen Zusammenhalt zu organisieren und zu unterstützen ist Aufgabe eines starken Sozialstaates. Hierfür tagtäglich zu kämpfen und zu streiten ist unsere Aufgabe als Sozialdemokratie im Rheinisch-Bergischen Kreis.
Die Realität sieht meist anders aus, als sie in Parteitagsbeschlüssen abgebildet wird. Es fehlt die Perspektive eines friedlichen Europas. Es reicht da eben nicht, die “völkisch – nationalistische” ideologische Begründung des Krieges durch Russland heraus zu heben, ohne diese auch bei der Ukraine festzustellen, aber diese eben mit Orientierung auf das westliche Bündnis. Als Bezugspunkt die fragile Nachkriegsordnung nach dem II. Weltkrieg heran zu ziehen, ist zumindest der Kritik würdig. Ich würde (1991) die Auflösung der Sowjetunion als Bezugspunkt nehmen und damit eben die verpassten Chancen Russland in das europäische Haus zu integrieren, unter Berücksichtigung der Interessen der RF. Die Aufarbeitung dieser verpassten Chancen bleibt so der Geschichtsschreibung vorbehalten, hätte aber durch praktische Politik des Interessenausgleichs auch anders laufen können. Es fehlt aktuell die Kritik der Sanktionen, der Ausbau der militärischen Kapazitäten Deutschlands und, perspektivisch, das Ziel, der Sozialismus. Der Kritik der schwarz/grünen Landesregierung kann ich mich anschließen, insbesondere auch was die Auswirkungen auf die Kommunen angeht.