VON WALTER SCHUBERT
Still und heimlich, ohne große Diskussion und ohne jeden Protest wurde Ende März 2018 das sogenannte e-call Notrufsystem (= Emergency Call / Rettungsruf) eingeführt. Die Europäische Union schreibt dieses System für alle neuen Fahrzeugmodelle bis 3,5 Tonnen vor. Das System ist Bestandteil der Zulassung, durch Abschalten würde das Fahrzeug seine Betriebserlaubnis und damit auch den Versicherungsschutz verlieren. Ein Kunde hat also keinen Einfluss darauf – er muss dieses System akzeptieren oder ein älteres Fahrzeug kaufen.
Nach einem schweren Unfall (bei Überschlag oder bei Auslösen des Airbags) stellt das e-call System automatisch eine Verbindung zum Notruf 112 her. Eine manuelle Verbindung ist auch machbar. Über eine Freisprechanlage ist ein sprachlicher Kontakt möglich, falls die Unfallopfer ansprechbar sind. Mit einem GPS-Ortungssystem wird der Standort übermittelt und die Fahrtrichtung angegeben (wichtig bei Autobahnen oder Tunnel). Außerdem kann die Zahl der Insassen erkannt werden falls diese angeschnallt waren. Das klingt gut und überzeugend und die zuständigen Stellen gehen davon aus, dass dieses System mehrere tausend Verkehrsopfer verhindern wird.
Ohne Zweifel hat es im Fahrzeugbau wichtige Meilensteine für die Sicherheit gegeben. Zu nennen sind zum Beispiel Knautschzonen, ABS-Bremse, Airbag oder natürlich der Sicherheitsgurt. Das sind handfeste, teilweise sogar sicht- und spürbare Einrichtungen (=Gurt), die das Autofahren sicherer gemacht haben. Auch digitale Systeme können die Sicherheit erhöhen – doch werden diese nur dafür verwendet? Natürlich wird abgestritten, dass das e-call System persönliche Daten sammelt, speichert oder versendet. Es soll sich nur um einen „Minimal-Datensatz“ handeln.
Hat denn der interessierte, mündige Bürger überhaupt keine Zweifel? Hat denn der Bürger nicht erlebt, dass staatliche Stellen, Versicherungen, Autohersteller, Krankenkassen, Werbewirtschaft oder Konzerne für jede Schweinerei zu haben sind, um noch mehr Profit zu machen?
Das Gold dieser Zeit und noch mehr in der Zukunft sind Daten, Daten, Daten. Über alles und jeden, je mehr, desto besser. Und so könnte es doch gut sein, dass das hochgelobte Notrufsystem ein Profil erstellt. Es dokumentiert die Fahrweise, die Strecke und speichert, wer wann wo und wie gewesen ist. Immer mehr wird der Bürger in diese Entwicklung gedrängt, sei es durch die Einschränkung / Abschaffung des Bargeldes oder die Digitalisierung in allen Bereichen. Es bildet sich eine Überwachungsstruktur, die alles umfasst.
Das Schlimmste an dieser Entwicklung: Es stört offenbar niemanden! Wer sich freiwillig die Abhörmaschine „amazon-alexa“ ins Wohnzimmer stellt, wer ohne Druck und ohne Not die „privatesten Dinge“ in die asozialen Netzwerke stellt, dem ist der Rest sicher auch egal.
Wenn wir positiv denken, gehen wir davon aus, dass e-call eine gute und sichere Sache ist. Nur als Kunde möchte ich selbst entscheiden können, ob ich es haben möchte.
Ich freue mich auf die Restaurierung und Fertigstellung eines Citroen 2CV, Baujahr 1989. Das ist zwar kein sicheres Fahrzeug, aber ich kann total sicher sein, dass sich in diesem Fahrzeug absolut nichts Digitales befindet. Wie gesagt, jeder sollte selbst entscheiden können.
Ohne Auto ist vermutlich noch viel sicherer.