Schreibabtausch: Ein offener Brief und eine offene Antwort

Ein offener Brief ist ein Brief, der sich weniger an den im Schriftstück genannten Empfänger wendet, sondern eher an die Öffentlichkeit. Ein offener Brief ist also mehr der Form nach ein Brief, der Absicht nach handelt es sich um einen öffentlichen Text, ein Schreiben, das an viele, an alle gerichtet ist. Hier bei uns in Wermelskirchen gibt es nur selten solche offenen Briefe zu lesen. Und wenn, dann heißt der Verfasser meist Henning Rehse, Fraktionsvorsitzender der WNKUWG. Henning Rehse hat einen Brief an den Bürgermeister geschrieben. Und diesen Brief flugs in Facebook der ganzen Stadt zu lesen aufgegeben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Wer einen Sachverhalt aufklären will, schreibt nicht an alle, sondern an den, der aufklären könnte. Im vorliegenden Fall an den Chef der Verwaltung. Stilfragen aber scheinen immer weniger das Problem von Politikern zu sein. Wir dokumentieren nachfolgend den öffentlichen Brief und eine Antwort darauf aus der Feder des Fraktionsvorsitzenden der SPD in der Stadtverordnetenversammlung, Jochen Bilstein.

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Offener Brief:

Rassistische Äußerungen im Haupt- und Finanzausschuss am 26.01.2017

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

lieber Rainer,
sehr geehrter Herr Scholz,

es wurde (von offenbar interessierter Seite) in Richtung Medien übermittelt, in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 26.01.2017 seien von Seiten der Bürger rassistische Äußerungen getätigt worden.

So wurde dies u.a. zweimal in der Lokalzeit des WDR behauptet:

http://www1.wdr.de/…/video-buergerversammlung-fluechtlinge-…

http://www1.wdr.de/…/video-umstritten-fluechtlingsunterbrin…

Als Mitglied des Hauptausschusses war ich die ganze Zeit der Sitzung zugegen und habe wie andere Ausschussmitglieder auch, keinen einzigen rassistischen Ausspruch oder Zwischenruf der Zuschauer wahrgenommen!

Die kritischen Zwischenrufe der Bürger bezogen sich auf folgende Punkte:

1. Keine Möglichkeit des Rederechts in der Sitzung

2. Entscheidung des Ausschusses über das Thema VOR der Bürgerversammlung

3. Ihren deutlich gezeigten Unwillen, Herr Bürgermeister, Bürgerversammlung dezentral an den Standorten durchzuführen

Kein Bürger hat auch nur einen Ton inhaltlicher Kritik oder gar rassistischer Natur verlauten lassen!

Insofern hat es mich schon verwundert, warum die Bürgerversammlung vom 02.02.2017 quasi zu einem „Hoch-Sicherheits-Spiel“ hochstilisiert wurde.

Hierfür wie auch die „Videoüberwachung“ der Versammlung – das war erst- und einmalig! – gab es keinerlei Veranlassung, es sei denn, man wollte, wie es bei den Bürgern auch angekommen ist, vorsorglich einschüchtern und einen „Maulkorb“ verpassen.

Wir sind uns sicherlich einig, dass rassistische Äußerungen absolut inakzeptabel sind!

Auf der anderen Seite haben es die Wermelskirchener Bürger jedoch auch nicht verdient, vorsorglich unter Generalverdacht gestellt zu werden!

Und es muss in diesem Land jeder noch die Möglichkeit haben, im gesetzlich garantierten wie auch begrenzten Rahmen seine Meinung zu sagen – auch in einer von der Stadt veranstalteten Versammlung und auch wenn die Meinung Ihnen, der Verwaltung und Teilen der Politik nicht passt!

Mit freundlichen Grüßen

Henning Rehse

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Lieber Herr Rehse,

wenn sich ihr Brief auch an den Bürgermeister richtet, er aber als „offener Brief“ veröffentlich wurde, möchte zu ihren Äußerungen Stellung nehmen.

Sie schreiben, dass „von offenbar interessierter Seite“ den Medien über rassistische Äußerungen von Zuhörern der Haupt- und Finanzausschusssitzung vom 26. Januar berichtet wurde. Da frage ich mich gleich zu Anfang ihres Briefes natürlich, wer denn offenbar interessiert gewesen ist. Angesichts von 12 Jahren deutscher Geschichte, in denen rassistische Äußerungen von Deutschen zum Alltag der Deutschen gehörten und dabei im Vergleich zum deutschen Handeln nur die Oberfläche darstellten wie auch zu den unerträglichen Äußerungen und Gewaltaktionen gegen Menschen anderer Hautfarbe und anderer Religion in unseren Tagen hätte ich von jedem Zuhörer der Sitzung erwartet, die gemachten Äußerungen nicht unwidersprochen stehen zu lassen. Wenn sie nun erklären, von solchen Bemerkungen nichts gehört zu haben, so mag das so sein. Das ist aber eher banal. Angesichts der lebhaften Debatte ist es ihnen wohl kaum möglich gewesen, alle Äußerungen von Zuhörern zu verstehen. Sie müssen ja nicht unbedingt gebrüllt haben. Den Ohrenzeugen, die dies vernommen haben, vertraue ich allerdings voll und ganz.

Noch unverständlicher als ihre Hinweise im ersten Teil ihres Briefes sind für mich die Vorhaltungen im 2. Teil, die sich auf die Bürgerversammlung am vergangenen Donnerstag beziehen und an der sie nun nachweislich nicht teilgenommen haben. Dabei von einem „Hoch- Sicherheits-Spiel“ zu sprechen und von „Maulkörben“ für die Zuschauer ist nun wirklich grotesk. Sie schreiben in ihrem Brief, rassistische Äußerungen seien unakzeptabel. Darin sind wir uns wenigstens einig. Fest steht aber seit längerem, dass es Menschen gibt, die in den einschlägigen Medien wie auch in öffentlichen Veranstaltungen all das vermissen lassen, von dem ich glaubte, dass es – und ich benutze das altmodische Wort bewusst – anständige Bürgerinnen und Bürger verinnerlicht hätten: zivilisatorische Umgangsformen in Verhalten und Sprache, Empathie gegenüber Menschen jeglicher Herkunft, Religion und Hautfarbe (von denen ich nichts Anderes erwarte!). Weil wir einschlägige Situationen aus sogenannten „Wir sind das Volk“ Veranstaltungen kennen, die zeigen, wie verroht wieder Deutsche in Wort und Tat sind, war es absolut richtig, dass der Bürgermeister von Anfang an klarstellte, wo die Grenzen des freien Wortes sein würden. Wie sehr alleine Worte verletzen können, habe ich heute in einem Gespräch mit jungen Flüchtlingen erfahren, die am vergangenen Donnerstag erleben mussten, wie sie unwidersprochen von Bürgerinnen und Bürgern unter Generalverdacht gestellt wurden, als ob es sich bei ihnen, alleine weil sie männlich, aus dem Mittleren Osten oder Afrika stammend und dem Islam zugehörend allesamt um Vergewaltiger handeln würde.

Und lassen sie mich zu ihrer Schlussbemerkung feststellen: Niemand stellt irgendjemanden in Wermelskirchen unter irgendeinen Generalverdacht und niemand wird in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten. Diesem Bürgerecht stehen aber das Recht des Staates im Strafrecht und das Recht von Bürgern aus der Verfassung – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ gegenüber. Hier werden Grenzen der Meinungsäußerung gezogen zum Schutz von Menschen, nicht nur Deutschen.

Mit freundlichem Gruß

Jochen Bilstein

Kommentare (6) Schreibe einen Kommentar

  1. Dieser Herr Rehse driftet ja immer weiter ab. Ob ihn noch jemand retten kann? Seine Parteifreunde vielleicht?

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    • Schawohl
    • 05.02.17, 22:27 Uhr

    Herr Rehse hat vollkommen recht und bringt es auf den Punkt. Die Antwort von Herrn Bilstein, der sich nur noch mit den obligatorischen 12 Jahren aus der Vergangenheitsbewirtschaftung zu helfen weiß, spricht eine deutliche Sprache.

    Meinungs- und Redefreiheit statt rot-grünen Oberlehrern und Maulkörben, die bis zum Himmel reichen!

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  2. Da ruft man nach Hilfe von Parteifreunden und ZACK steht direkt schon einer Gewehr bei Fuß.

    So funktioniert Zusammenarbeit in Wermelskirchen.

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  3. Nun, Lutz Balschuweit, in dem Fall kein Parteifreund. Aber hier steht einer dem anderen nahe, näher als anderen …

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    • Karl Springer
    • 06.02.17, 16:47 Uhr

    Guten Tag,
    Schön zu lesen, dass Herr Bilstein es wenigstens dem Bürgermeister nachsieht, wenn er die eigenen Bürger in seiner “Ansprache” unter Generalverdacht stellt und vorsichtshalber auch schon mal die Videoüberwachung einsetzt um der freien Meinungsäußerung mit dem sozialen Pranger zu drohen, sollte der Redner dann doch zu unbekümmert seine Emotionen in Worte fassen.
    Ich war an beiden Vranstaltungen zugegen und kann den Schilderungen des Herrn Rehse nur beipflichten und solange die “Ohrenzeugen” des Herrn Bilstein namen- und gesichtslos bleiben sollten sie bestenfalls in der Rubrik “Fake-News” auftauchen. Ich stehe jederzeit für eine Klärung, auch im kleinen Kreis, zur Verfügung.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Karl Springer

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