Ein paar laienhafte Überlegungen zur Innenstadtbelebung

von Reinhard Schinka

Seit den 80er-Jahren habe ich die Entwicklung der Wermelskirchener Innenstadt verfolgen können. Meine Familie und ich wohnten von 1980 bis 1987 am Anfang der Telegrafenstraße in der Remscheider Straße 5. Täglich bummelte ich als Schüler mindestens einmal durchs Kaufhaus Nickel, um die neuesten Schallplatten und Singles zu sichten (für Jugendliche: Das hat nichts mit dem Beziehungsstatus zu tun, es sind die „kleinen Schallplatten“. Okay, was Schallplatten sind, googelt ihr vielleicht besser). Die Telegrafenstraße war damals eine sehr belebte Einkaufsmeile, man traf immer viele Bekannte und Freunde, wenn man einmal durch die Innenstadt ging, was man ja hervorragend machen konnte, indem man die Telegrafenstraße bis zum hinteren Ende an der Eich spazierte, dann in die zweite Einkaufsstraße, die Kölner Straße, einbog, um am Café Wild über die Obere Remscheider Straße zum Ausgangspunkt zurück zu spazieren. Leider war die Telegrafenstraße jeden Tag gegen vier Uhr komplett durch einen horriblen Stop-and-go-Verkehrsinfarkt von Autoabgasen verseucht, und alle hofften wir damals, dass nach dem Bau der neuen Umgehungsstraße dieser Zustand ein Ende haben würde. Alles würde gut werden, endlich würde die Innenstadt ein gänzlich lebenswerter Ort sein.

Wermelskirchen_Eich_2015Wurde er das? Leider nein. Um es in der Sprache von Schülern einer größeren Nachbarstadt, in der ich mittlerweile lebe, zu formulieren: In Wermelskirchen „ist komplett tote Hose“. Im Prinzip gibt es kaum einen Grund, sich in die Telegrafenstraße zu bewegen, außer, um im Cordella ein vorzügliches Zimt-Eis zu essen oder um sich „bei Ali“ oder im „Europa-Imbiss“ mit einem Döner zu versorgen.

Ich ziehe da ab und zu Geld bei der Deutschen Bank oder der Commerzbank, denn der nächste kostenlose Geldautomat für mich befindet sich dann in Remscheid.

Umso mehr verwundert es, dass durch die Telegrafenstraße weiterhin hunderte Autos täglich entlang rollen, obwohl neben der Umgehungsstraße auch noch der parallel verlaufende Brückenweg zur Umfahrung ausgewiesen ist. Penetrant halten fußfaule Bürger mit ihrem Auto direkt vor der Bäckerei, auch, als dies temporär verboten wurde, auch, als dies mit Bußgeldern belegt wurde. Dabei gibt es direkt gegenüber zwei kostenlose Parkmöglichkeiten auf einem Parkplatz und in einem Parkhaus.

In den letzten Jahren wurden diverse Versuche zur Belebung der Innenstadt unternommen, es wurden Neubauten errichtet, der Radverkehr mal in diese, mal in jene Richtung zugelassen, dann wieder verboten. Herausgekommen ist im Prinzip nichts. Lebensmittel werden statt in der Telegrafenstraße beim Discounter am Ende der Thomas-Mann-Straße oder im Rewe-Center (früher unter dem hübschen Namen EKZ bekannt) gekauft, vieles Anderes auch im Internet, das es in den 80ern ja noch nicht gab. Die verbliebenen Läden führen ein unauffälliges Leben, die Gastronomie (naja, sagen wir besser: die zwei Imbisse) ebenfalls. Das Kino ist ein Fossil, aber immerhin noch vorhanden.

Zeit also für ein paar laienhafte Überlegungen – warum eigentlich nicht? -, wie dem Übel zu Leibe gerückt werden könnte. Mir fällt dazu beispielsweise Folgendes ein:

  1. Die Telegrafenstraße ist die Shopping-Meile Nummer eins von Wermelskrichen. Dort sollten die umsatzstärksten attraktiven Ladenansiedlungen gefördert werden, wo und wie es geht! Zugleich muss es sehr nah kostenlose Parkmöglichkeiten geben, ohne dass man in die Straße hineinfahren muss. Das könnten neben den vorhandenen Möglichkeiten auch durchaus viele schräge Parktaschen sein. Der Bürger will vorfahren, warum es ihm nicht ermöglichen? Der Platz ist vorhanden. Wer keinen Parkplatz findet, fährt dann am Ende der Straße auf einer der hinteren Parkmöglichkeiten und läuft vielleicht doch mal ein paar Meter – das soll gesund für den Bewegungsapparat sein und entlastet langfristig vielleicht auch die Altenpflege oder Krankengymnastik.
  2. Die Kölner Straße ist die zweite Shopping-Meile, die aber mit Durchgangsverkehr schon lange klar kommt. Auch hier bedarf es einer Parkmöglichkeit, die ja an einer Seite am Norma-Parkplatz gegeben ist. Irgendwie sollte das am Markt ergänzt werden, denn dort kann man nirgendwo bequem parken (okay, rückseitig im Woolworth-Parkhaus, aber auch kostenlos? Dies würde auch die Region „Markt“/”Markt-Passage” beleben).
  3. Die Obere Remscheider Straße ist eine Rückzugsstraße geworden, da sie vom Verkehr weitgehend getrennt wurde, obwohl sich auch dort ein Parkhaus befindet. Die Sackgassensituation sollte wieder aufgehoben werden. Alle Parkplätze dort sollten weg, man kann im Parkhaus parken. Dadurch hätte man die Möglichkeit, der dort (noch) recht zahlreich vorhanden Gastronomie mehr Außenplatz auf dem Gehwegbereich zu schaffen. Dies fördert die Belebung, da Menschen sich dort vielleicht auch abends einmal gerne länger aufhalten würden. Und wo Menschen sind, da wollen auch andere Menschen sein.
  4. Die Carl-Leverkus-Straße sollte für den Auto-Verkehr komplett dicht gemacht werden, es ist überhaupt nicht einzusehen, dass dort irgendwer lang fährt. Das ist eine reine gemütliche Quer-Bummel-Zone für Fußgänger – und kann es auch bleiben.

Zusammenfassend hätte dies folgenden Effekt: Das klassische Dreieck Telegrafenstraße-Kölner-Straße-Obere Remscheider Straße kann direkt angefahren werden, so, wie es der Dellmann eben liebt. Und er findet bestimmt einen Parkplatz dort, wo er einkaufen oder dinieren möchte. Und dann kauft er auch ein oder geht mal schick essen. Und alle sind glücklich.

Wermelskirchen ist einmal entlang einer Landstraße entstanden, die Telegrafenstraße zeigt das noch heute durch ihren Namen. Es wäre schön, wenn man von dort eines Tages einmal ein Telegramm kriegen würde, in dem steht: „Hier ist es ganz toll, hier schlägt das Herz dieser wundervollen Kleinstadt!“

( ©  Foto Eich, Wermelskirchen, Uwe Barghaan, © Kurpfälzischer Hof Wermelskirchen von 1854, Klaus J. Breidenbach, Eigenes Werk, Sammlung, Quellen & Materialien)

 

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