Autor: Klaus Ulinski

  • Zum Gedenken an Dr. Kurt Wohl (1876–1957)

    Zum Gedenken an Dr. Kurt Wohl (1876–1957)

    Ein Wer­mels­kir­che­ner Arzt – ein deutsch-jüdi­sches Schick­sal

    Am 9. Novem­ber erin­nern wir an die Reichs­po­grom­nacht von 1938 – an den Beginn der offe­nen Gewalt gegen jüdi­sche Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger in Deutsch­land.

    Auch in Wer­mels­kir­chen wol­len wir an die­sem Tag der Opfer der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Dik­ta­tur geden­ken. Einer von ihnen war der Wer­mels­kir­che­ner Arzt Dr. Kurt Wohl, des­sen Lebens­weg exem­pla­risch für das Schick­sal vie­ler deut­scher Juden steht.

    Obgleich Kurt Wohl nicht direkt Opfer im Zuge der Pogrom­nacht des 9. Novem­ber 1938 war, wur­de sein Schick­sal und das sei­ner spä­te­ren Frau jedoch schon drei Jah­re vor die­sem schreck­li­chen Ereig­nis besie­gelt: Im Sep­tem­ber 1935 beschlos­sen die Nazis das Gesetz zum Schutz des deut­schen Blu­tes und der deut­schen Ehre sowie das Reichs­bür­ger­ge­setz. Bei­de Geset­ze gin­gen in die Geschich­te als Nürn­ber­ger Geset­ze bzw. als “Ras­se­ge­setz” ein.

    Ein ange­se­he­ner Arzt und enga­gier­ter Bür­ger

    Dr. Kurt Wohl wur­de 1876 in Bres­lau gebo­ren – als Jude, aber von evan­ge­li­schen Pfle­ge­el­tern groß­ge­zo­gen. Nach sei­nem Medi­zin­stu­di­um kam er 1903 nach Wer­mels­kir­chen, um die Gynä­ko­lo­gie im geplan­ten Kran­ken­haus der Stadt auf­zu­bau­en. Hier ließ er sich als Arzt für All­ge­mein­me­di­zin, Gynä­ko­lo­gie und Geburts­hil­fe nie­der.

    Er galt als hoch­ge­ach­te­ter, belieb­ter und hilfs­be­rei­ter Arzt, der sowohl Arbei­ter­fa­mi­li­en als auch die Fabri­kan­ten in Wer­mels­kir­chen und im benach­bar­ten Len­nep betreu­te. Wohl lei­te­te zudem die Sani­täts­ko­lon­ne des Roten Kreu­zes und erhielt für sei­nen Ein­satz im Ers­ten Welt­krieg das Eiser­ne Kreuz. Er war ein patrio­ti­scher, pflicht­be­wuss­ter Bür­ger – fest ver­wur­zelt in sei­ner Stadt und sei­nem Land.

    Lie­be und Aus­gren­zung

    Nach dem Tod sei­ner ers­ten Frau im Jahr 1929 ver­lieb­te sich Kurt Wohl in sei­ne Sprech­stun­den­hil­fe Klä­re Zän­der. 1930 ver­lob­ten sich bei­de, doch mit den Nürn­ber­ger Ras­se­ge­set­zen von 1935 wur­de ihnen die Ehe ver­bo­ten – eine Ver­bin­dung zwi­schen Juden und „Ari­ern“ war fort­an unter­sagt. Klä­re muss­te ihre Anstel­lung auf­ge­ben und Wer­mels­kir­chen ver­las­sen. Die Gesta­po stell­te das Paar unter Beob­ach­tung, ihre Begeg­nun­gen wur­den über­wacht und bespit­zelt.

    Aus alten Gesta­po-Brie­fen und ‑Akten, die im Lan­des­ar­chiv Düs­sel­dorf ver­wahrt wer­den sowie aus  Aus­sa­gen von Ange­hö­ri­gen von Klä­re Zän­der geht her­vor, dass das Ergeb­nis die­ser sys­te­ma­ti­schen Bespit­ze­lun­gen die spä­te­re Inhaf­tie­rung und Über­stel­lung von in das KZ Ravens­brück war. Dort war sie für meh­re­re Jah­re inhaf­tiert.

    Die Ereig­nis­se des 9. Novem­ber 1938 und die immer wei­ter zuneh­men­den Ver­fol­gun­gen und Repres­sa­li­en führ­ten schließ­lich dazu, dass Kurt Wohl sei­ne Aus­rei­se nach Nie­der­län­disch-Ost­in­di­en (dem heu­ti­gen Indo­ne­si­en) in Erwä­gung zog, wo sein Sohn arbei­te­te. Die Gesta­po ver­zö­ger­te das geplan­te Aus­rei­se­ver­fah­ren, erhöh­te Schi­ka­nen ihm gegen­über und ent­zog ihm die Appro­ba­ti­on als Arzt. Damit war der einst ange­se­he­ne Arzt und Bür­ger end­gül­tig beruf­lich und gesell­schaft­lich recht­los. Es soll­te nun noch zwei wei­te­re bit­te­re Jah­re dau­ern, bis er im Janu­ar 1940 Deutsch­land ver­las­sen durf­te.

    Flucht, Ver­lust und Neu­be­ginn 

    In Sura­ba­ja (Indo­ne­si­en) ange­kom­men, arbei­te­te Dr. Wohl ehren­amt­lich in einem Kran­ken­haus. Sein gesam­tes Ver­mö­gen und sei­ne Alters­vor­sor­ge, die er in Wer­mels­kir­chen zurück­ge­las­sen hat­te, waren für ihn unwi­der­bring­lich  an den NS-Staat ver­lo­ren: Im Jah­re 1941 wur­de er von Nazi-Deutsch­land aus­ge­bür­gert, sein Besitz beschlag­nahmt.

    Die Schick­sals­schlä­ge nah­men für Kurt Wohl jedoch kein Ende: Sein Sohn kam wäh­rend des Krie­ges bei einem japa­ni­schen Bom­ben­an­griff ums Leben. Zudem erfuhr er in der Frem­de, dass sei­ne Ver­lob­te, die er in Deutsch­land zurück­ge­las­sen hat­te, Klä­re Zän­der, Opfer wur­de von sys­te­ma­ti­scher staat­li­cher Über­wa­chung und Denun­zia­ti­on, ver­haf­tet und ins KZ Ravens­brück depor­tiert wur­de. Erst nach Kriegs­en­de kam sie frei.

    Erst vie­le Jah­re spä­ter fan­den sich die bei­den wie­der. Sie hei­ra­te­ten per Fern­trau­ung, und Klä­re konn­te nach Indo­ne­si­en aus­rei­sen. Am 23. Mai 1957 kehr­ten sie gemein­sam nach Wer­mels­kir­chen zurück – „herz­lich emp­fan­gen“, wie es heißt. Doch Gerech­tig­keit erfuhr Dr. Wohl nicht mehr: Sei­ne ein­ge­zahl­te Alters­ver­sor­gung erhielt er nie zurück.

    Erin­ne­rung als Auf­trag

    Dr. Kurt Wohl starb 1957 – in jener Stadt, die ihm für fast 40 Jah­re sei­nes Lebens Hei­mat war, die ihn einst ver­ehr­te, dann aus­grenz­te und schließ­lich ver­gaß.

    Sein Schick­sal erin­nert uns dar­an, dass Aus­gren­zung, Hass und Gleich­gül­tig­keit zer­stö­re­ri­sche Kräf­te sind. Die Reichs­po­grom­nacht von 1938 mar­kiert den Über­gang von Dis­kri­mi­nie­rung zu sys­te­ma­ti­scher Gewalt. Aus Wor­ten wur­den Taten!

    Am 9. Novem­ber geden­ken wir nicht nur der bren­nen­den Syn­ago­gen, son­dern auch der zer­stör­ten Leben und Bio­gra­fien – von Nach­barn, Freun­den und Mit­bür­gern.

    Das Geden­ken an Dr. Kurt Wohl mahnt uns, wach­sam zu blei­ben, Hass und Het­ze ent­schie­den zu wider­spre­chen und die Wür­de jedes Men­schen zu schüt­zen.

    Ehren­grab der Stadt Wer­mels­kir­chen für Kurt Wohl, Stadt­fried­hof Wer­mels­kir­chen

    Quel­len: Rede von Bür­ger­meis­ter Rai­ner Bleek, „Unver­ges­sen“ – Ver­an­stal­tung zum 9. Novem­ber 2019; Tho­mas Wint­gen u. a., „Men­schen. Fak­ten. Akten (1933–1945)“, Bei­trä­ge zur Wer­mels­kir­che­ner Geschich­te, Band 9 (1997)

    Bild: Mit freund­li­cher Erlaub­nis von Marie-Loui­se Lich­ten­berg
    Titel­bild: Mit freund­li­cher Erlaub­nis von Pfrin. S. Kan­ne­mann

  • Warum der 9. November 1938 uns mahnt 

    Warum der 9. November 1938 uns mahnt 

    – und war­um unse­re Erin­ne­rung kein „Schuld­kult“ ist, son­dern Ver­ant­wor­tung

    Der 9. Novem­ber 1938 war ein Wen­de­punkt in der deut­schen Geschich­te. In die­ser Nacht – der soge­nann­ten Reichs­po­grom­nacht – brann­ten in ganz Deutsch­land die Syn­ago­gen. Jüdi­sche Geschäf­te wur­den zer­stört, Woh­nun­gen geplün­dert, Men­schen ver­folgt, ver­letzt und getö­tet – nur, weil sie Juden waren.

    Das Forum Wer­mels­kir­chen wird die­sem fol­gen­rei­chen Tag mit einer Bei­trags­se­rie geden­ken.

    Die­se Gewalt war kein spon­ta­ner Aus­bruch von Wut, son­dern das Ergeb­nis geziel­ter Het­ze und jah­re­lan­ger Aus­gren­zung.

    Um zu ver­ste­hen, wie es zu die­sen unge­heu­er­li­chen Hass­aus­wüch­sen kam, muss man auf die Ereig­nis­se im Herbst 1938 zurück­bli­cken:

    In den 1930er Jah­ren nahm der Anti­se­mi­tis­mus in Polen deut­lich zu. Jüdi­sche Bür­ger waren immer stär­ke­rer Dis­kri­mi­nie­rung und recht­li­chen Benach­tei­li­gun­gen aus­ge­setzt. Die­se Stim­mung präg­te den öffent­li­chen Dis­kurs und das poli­ti­sche Kli­ma – unter ande­rem durch For­de­run­gen nach Aus­wan­de­rung und eine zuneh­men­de sozia­le Aus­gren­zung. Fol­ge­rich­tig wuchs somit in der pol­ni­schen Regie­rung nach dem „Anschluss“ Öster­reichs an das Deut­sche Reich die Sor­ge, dass eine grö­ße­re Zahl jüdi­scher Staats­bür­ger aus Öster­reich nach Polen zurück­keh­ren könn­te. 

    Um das zu ver­hin­dern, ent­zog Polen die­sen Men­schen die Staats­an­ge­hö­rig­keit. Die Nazis in Deutsch­land wie­der­um woll­ten sie nicht im Land behal­ten – und so kam es am 28. Okto­ber 1938 dazu, dass mehr als 15.000 Juden pol­ni­scher Her­kunft in einer Nacht-und-Nebel-Akti­on an die deutsch-pol­ni­sche Gren­ze gewalt­sam abge­scho­ben wur­den.

    Unter die­sen Men­schen  war auch die Fami­lie Grynszpan aus Han­no­ver. Ihr damals 17 jäh­ri­ger Sohn Her­schel, der zu die­ser Zeit in Paris leb­te, erfuhr hier­von durch eine erschüt­tern­de Nach­richt sei­ner Schwes­ter. Wut und Ver­zweif­lung dar­über trieb ihn schließ­lich dazu, sich eine Waf­fe zu besor­gen, mit der er ein paar Tage spä­ter,  am 7. Novem­ber 1938 ein töt­li­ches Atten­tat auf den deut­schen Diplo­ma­ten Ernst vom Rath ver­üb­te.

    Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Pro­pa­gan­da nutz­te die­ses Atten­tat sofort als Vor­wand. Joseph Goeb­bels, Reichs­pro­pa­gan­da­mi­nis­ter und obers­ter „Ein­peit­scher“ stell­te das Ereig­nis als Angriff des „inter­na­tio­na­len Juden­tums“ auf Deutsch­land. Sei­ne Hetz­re­de am 9. Novem­ber in Mün­chen war dann letzt­lich das Signal zum Los­schla­gen. 

    Aus Wor­ten wer­den Taten!

    Nur weni­ge Stun­den spä­ter begann in ganz Deutsch­land die sys­te­ma­ti­sche Zer­stö­rung jüdi­scher Ein­rich­tun­gen und unge­heu­re Gewalt gegen jüdi­sche Men­schen, Män­ner, Frau­en, Alte, Kin­der.

    Auch im Ber­gi­schen Land hin­ter­lie­ßen die Hor­den eine Spur der Gewalt: In Solin­gen, Rem­scheid und Wup­per­tal – über­all in unse­rer Regi­on – muss­ten jüdi­sche Fami­li­en uner­mess­li­ches Leid erfah­ren. Ihre Geschäf­te wur­den zer­stört, ihre Syn­ago­gen geschän­det und in Brand gesetzt. Vie­le Men­schen, die hier zu Hau­se waren, wur­den ver­trie­ben, depor­tiert oder spä­ter ermor­det. 

    Baden-Baden, BAD; Reichs­po­grom­nacht, Zwangs­marsch der Juden zur Syn­ago­ge | Digi­ta­li­sie­rung: Lan­des­ar­chiv Baden-Würt­tem­berg | Daten­part­ner: Lan­des­ar­chiv Baden-Würt­tem­berg | Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/ | URL: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/ELMH4TR7QEI5QK6UBA54FBZFT3QW74MC

    Wer­mels­kir­chen blieb in jener Nacht zwar von der unmit­tel­ba­ren Zer­stö­rung ver­schont, doch auch hier erkann­ten die jüdi­schen Fami­li­en, dass die Natio­nal­so­zia­lis­ten ihre Dro­hun­gen nun grau­sa­me Wirk­lich­keit wer­den lie­ßen.

    Unver­ges­sen – auch in Wer­mels­kir­chen

    Dar­um ist der 9. Novem­ber für uns heu­te so bedeut­sam. Die Ereig­nis­se jener Nacht, die auch hier im Ber­gi­schen Land so viel Leid über jüdi­sche Fami­li­en brach­ten, mah­nen uns bis heu­te. Sie zei­gen, wie aus Wor­ten Taten wur­den, wie aus Vor­ur­tei­len Gewalt wur­de – und wie aus Nach­barn plötz­lich Opfer und Täter wur­den.

    Wenn heu­te wie­der Stim­men laut wer­den, die eine „erin­ne­rungs­po­li­ti­sche Wen­de um 180 Grad“ (Zitat des AfD-Poli­ti­kers Björn Höcke) for­dern oder die Gedenk­kul­tur als „Schuld­kult“ ver­ächt­lich machen, dann zeigt das, wie not­wen­dig unser Erin­nern bleibt.

    Denn wer das Geden­ken rela­ti­viert, der öff­net die Tür für Geschichts­ver­ges­sen­heit – und am Ende auch für Men­schen­ver­ach­tung.

    Wenn wir hier in Wer­mels­kir­chen der Opfer geden­ken, dann tun wir das, um Erin­ne­rung wach­zu­hal­ten und Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men.

    Denn Demo­kra­tie, Mit­mensch­lich­keit und Zivil­cou­ra­ge ent­ste­hen nicht von selbst – sie müs­sen jeden Tag neu gelebt wer­den.

    Erin­nern heißt nicht zurück­schau­en, son­dern wach­sam blei­ben – gera­de heu­te.

    Bild­nach­weis: Bundesarchiv_Bild_146-1970–083-44 / 146‑1979-082–79 sowie Lan­des­ar­chiv Baden-Würt­em­berg
    Titel­bild mit freund­li­cher Erlaub­nis von Pfrin. S. Kan­ne­mann

  • Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am kommenden Sonntag, 18 Uhr: “Unvergessen”

    Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am kommenden Sonntag, 18 Uhr: “Unvergessen”

    Am kom­men­den Sonn­tag lädt die Evan­ge­li­sche Kir­chen­ge­mein­de Wer­mels­kir­chen zu einer Gedenk­ver­an­stal­tung unter dem The­ma: “Unver­ges­sen – Gedenk­ver­an­stal­tung zur Pogrom­nacht und alle Ver­folg­ten der NS-Zeit” ein

    Die­se Ver­an­stal­tung wird durch Pfar­re­rin Sarah Kan­ne­mann sowie Jugend­li­chen der Ev. Kir­chen­ge­mein­de gestal­tet. Eben­falls wird unser neu­er Bür­ger­meis­ter Bernd Hibst hier mit­wir­ken.

    Pfar­rer Man­fred Jet­ter schreibt hier­zu:

    “Vor­letz­te Woche stand ich vor den Grund­ris­sen der Syn­ago­ge in Hei­del­berg. Durch wei­ße Stei­ne im dunk­len Pflas­ter mar­kiert.
    Auch die­se Syn­ago­ge wur­de am 9.11.1938 nie­der­ge­brannt, wie so vie­le ande­re, vie­le jüdi­sche Mit­bür­ger in Hei­del­berg danach ver­haf­tet, ver­schleppt, ermor­det, ent­eig­net.

    Heu­te, in einer Zeit eska­lie­ren­der gesell­schaft­li­cher Ver­wer­fun­gen, die auch unse­re frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung angrei­fen und unse­ren frei­en Lebens­sinn,
    ist es um so wich­ti­ger zusam­men­ste­hen, über oft unwich­ti­ge Gren­zen hin­weg, und ein Gesicht zu zei­gen für Men­schen­wür­de, Demo­kra­tie und Viel­falt.”

    Die Gedenk­ver­an­stal­tung fin­det am kom­men­den Sonn­tag, 9. Novem­ber um 18:00 Uhr am Markt 1 statt.

    Bild: Sarah Kan­ne­mann

  • Tragödie in Hagen als Argument für das Quellenbad? – Unwürdig und sachlich unhaltbar

    Tragödie in Hagen als Argument für das Quellenbad? – Unwürdig und sachlich unhaltbar

    Zunächst ein­mal: Der tra­gi­sche Todes­fall des sie­ben­jäh­ri­gen Jun­gen im Hage­ner West­fa­len­bad ist ein erschüt­tern­des Ereig­nis, das nie­man­den unbe­rührt lässt. Jede sol­che Nach­richt mahnt, wie schnell Unglü­cke gesche­hen kön­nen – selbst unter Auf­sicht.

    Doch aus einem der­ar­ti­gen Ein­zel­fall eine poli­ti­sche Recht­fer­ti­gung für die Inves­ti­ti­on in ein KI-Sys­tem im Quel­len­bad Wer­mels­kir­chen zu kon­stru­ie­ren, ist nicht nur sach­lich frag­wür­dig, son­dern schlicht geschmack­los.

    Die CDU-Ver­tre­ter im Stadt­rat – nament­lich Karl-Heinz Wil­ke und Micha­el Schnei­der – haben den Vor­fall in Hagen in ihren Stel­lung­nah­men gegen­über dem WGA aus­drück­lich als Begrün­dung für die jüngst getrof­fe­ne Ent­schei­dung her­an­ge­zo­gen. Eine sol­che Argu­men­ta­ti­ons­li­nie wirkt pein­lich bemüht und lässt den Ein­druck ent­ste­hen, man wol­le ein tra­gi­sches Schick­sal instru­men­ta­li­sie­ren, um eine umstrit­te­ne und inhalt­lich kaum nach­voll­zieh­ba­re Rats­ent­schei­dung nach­träg­lich zu legi­ti­mie­ren.

    Denn der Ver­gleich hinkt in jeder Hin­sicht:

    Das West­fa­len­bad in Hagen ist ein groß dimen­sio­nier­tes Frei­zeit- und Erleb­nis­bad mit rie­si­gem Besu­cher­auf­kom­men, meh­re­ren Berei­chen (Sport­bad, Frei­zeit­bad, Sau­na, Sole, Rut­schen­an­la­gen) und ent­spre­chend kom­ple­xen Betriebs­ab­läu­fen.

    Laut offi­zi­el­ler Zah­len aus den Jah­ren 2023/2024:

    •⁠  ⁠Besu­cher­zah­len 2023: 545.070 ins­ge­samt

    •⁠  ⁠davon Sau­na: 105.662 (his­to­ri­scher Rekord)

    •⁠  ⁠davon Frei­zeit­bad: 211.305 (eben­falls Rekord)

    •⁠  ⁠Gesamt­be­su­cher seit Eröff­nung 2010 bis April 2024: über 7 Mil­lio­nen

    Dem gegen­über steht das Quel­len­bad Wer­mels­kir­chen, ein über­schau­ba­res, sanie­rungs­be­dürf­ti­ges Hal­len­bad mit täg­lich rund 250 Gäs­ten.

    Die RP erin­ner­te kürz­lich in einem Hin­ter­grund­be­richt dar­an, dass das Bad in den 1970er-Jah­ren zwar gut besucht war, heu­te aber deut­lich an Bedeu­tung ver­lo­ren hat und ohne­hin bald einem Neu­bau auf dem Rhom­bus-Gelän­de wei­chen soll:

    „Der­zeit kom­men wir auf höchs­tens 250 Gäs­te pro Tag“, berich­tet Bad­lei­ter David Bre­me­rich.

    Das Bad habe „sei­ne bes­ten Tage hin­ter sich“ – ein Neu­bau sei in Pla­nung, ein Frei­zeit­bad wer­de das neue Gebäu­de jedoch nicht, son­dern ein Sport- und Gesund­heits­bad.

    Es ist also völ­lig klar:

    Das West­fa­len­bad in Hagen ist auf­grund sei­ner Grö­ße, sei­ner Besu­cher­zah­len und sei­nes Per­so­nal­be­darfs in kei­ner Wei­se mit dem Quel­len­bad Wer­mels­kir­chen ver­gleich­bar.

    Den tra­gi­schen Tod eines Kin­des in einem völ­lig anders struk­tu­rier­ten Groß­bad als Argu­men­ta­ti­ons­hil­fe für eine Inves­ti­ti­on in eine Klein­stadt­an­la­ge her­an­zu­zie­hen, die ohne­hin in weni­gen Jah­ren geschlos­sen wird, ist beschä­mend.

    Nie­mand bestrei­tet die Bedeu­tung von Sicher­heit im Schwimm­be­trieb – sie ist selbst­ver­ständ­lich. Aber Sicher­heit ent­steht nicht durch sym­bo­li­sche Schnell­schüs­se oder den Ver­such, poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen nach­träg­lich mora­lisch auf­zu­wer­ten.

    Statt­des­sen wäre es ver­ant­wor­tungs­voll, erst ein­mal die fach­li­che Bewer­tung des Bad­lei­ters ernst zu neh­men, der die Not­wen­dig­keit eines KI-Sys­tems im Quel­len­bad selbst in Zwei­fel gezo­gen hat, und die noch offe­nen Fra­gen zur tech­ni­schen und wirt­schaft­li­chen Über­trag­bar­keit die­ser Anschaf­fung in den Neu­bau auf dem Rhom­bus-Gelän­de zu klä­ren.

    Der Ver­weis auf Hagen ersetzt kei­ne sach­li­che Begrün­dung – er ent­wer­tet sie.

    Bild­nach­weis: Can­va

  • Reformationstag – Ein Tag, der uns auch heute etwas zu sagen hat

    Reformationstag – Ein Tag, der uns auch heute etwas zu sagen hat

    Am 31. Okto­ber ist wie­der Refor­ma­ti­ons­tag – ein beson­de­rer Tag, gera­de hier bei uns in Wer­mels­kir­chen. Unse­re Stadt ist seit jeher evan­ge­lisch geprägt. Vie­le von uns sind mit den Wer­ten groß gewor­den, die auf die Refor­ma­ti­on zurück­ge­hen: Die Frei­heit eines Chris­ten­men­schen – die Frei­heit des Den­kens, Ver­ant­wor­tung für das eige­ne Han­deln und Mut, Din­ge kri­tisch zu hin­ter­fra­gen.

    Vor über 500 Jah­ren, im Jahr 1517, schlug Mar­tin Luther sei­ne 95 The­sen an die Kir­chen­tür in Wit­ten­berg. So wird es über­lie­fert. Er sprach dar­in Miss­stän­de an, die vie­le Men­schen in ihrem Gewis­sen quäl­ten. Er stell­te sich gegen Macht­miss­brauch, Auto­ri­ta­ris­mus und Bevor­mun­dung – und er for­der­te, dass jeder Mensch selbst den­ken und glau­ben darf.

    Die­ser The­sen­an­schlag an die Holz­tü­ren der Kir­che war zugleich ein Wen­de­punkt in der Geschich­te – und ein star­kes Zei­chen für Eigen­ver­ant­wor­tung und Gewis­sen. Das war ein Auf­bruch in eine neue Epo­che: die der Auf­klä­rung, der Beginn der Neu­zeit mit tief­grei­fen­den gesell­schaft­li­chen, poli­ti­schen und kul­tu­rel­len Umwäl­zun­gen. 

    Wenn wir heu­te auf unse­re Stadt schau­en, mer­ken wir, dass die The­men der Refor­ma­ti­on nichts an Aktua­li­tät ver­lo­ren haben. Bei uns in Wer­mels­kir­chen sitzt inzwi­schen – wie in vie­len ande­ren Städ­ten in die­sem Land – eine Par­tei im Stadt­rat, die vom Ver­fas­sungs­schutz als gesi­chert rechts­extrem ein­ge­stuft ist – und die gemein­sam mit ande­ren, zum Teil rechts­po­pu­lis­ti­schen Grup­pie­run­gen, Poli­tik macht.

    Das soll­ten wir ernst neh­men. Sehr ernst! Denn wo Men­schen­ver­ach­tung, Aus­gren­zung oder Geschichts­ver­zer­rung begin­nen, ist Frei­heit schnell in Gefahr. Und: wo Fak­ten, wis­sen­schaft­lich fun­dier­te gar, kei­ne Rol­le mehr spie­len sol­len, wo von Rechts­extre­men (und auch von eini­gen Rechts­po­pu­lis­ten in die­ser Stadt) der Fokus auf ihre „alter­na­ti­ve Fak­ten“ gelegt wird und jede his­to­ri­sche Erkennt­nis geleug­net wird, da soll­te uns der Geist der Refor­ma­ti­on noch­mal in den Sinn kom­men.

    Nun wird der Theo­lo­ge sagen: Der Refor­ma­ti­ons­tag aus rein theo­lo­gi­scher Sicht betrach­tet bedeu­tet zunächst, dass die soge­nann­ten “Fünf Solas” im Mit­tel­punkt ste­hen. Und genau die fas­sen die Grund­ge­dan­ken der Refor­ma­ti­on zusam­men: Sola Scrip­tu­ra, Sola Fide, Sola Gra­tia, Solus Chris­tus, Soli Deo Glo­ria.

    Doch kann man die­se Sicht­wei­se durch­aus als zu eng gefasst betrach­ten: Denn die “Fünf Solas” sind nicht nur ein theo­lo­gi­sches Pro­gramm. Chris­tus selbst hat das Prin­zip der Gerech­tig­keit, der Nächs­ten­lie­be und der Frei­heit nicht nur ver­kün­det, er hat sie gelebt. Er ist den Men­schen auf Augen­hö­he begeg­net, hat Gren­zen über­schrit­ten und gesell­schaft­li­che Unge­rech­tig­kei­ten benannt.

    Des­halb kann man als Mensch, der den Refor­ma­ti­ons­tag begeht durch­aus zum Schluss kom­men: Die Refor­ma­ti­on und mit ihr die “Fünf Solas” ste­hen nicht nur für den Glau­ben – sie sind auch ein ethi­sches Fun­da­ment, das bis heu­te unse­re Vor­stel­lung von Gerech­tig­keit, Men­schen­wür­de und Ver­ant­wor­tung in der Gesell­schaft prägt.

    Der Refor­ma­ti­ons­tag erin­nert uns dar­an, dass Frei­heit und Ver­ant­wor­tung zusam­men­ge­hö­ren. Dass man den Mund auf­ma­chen muss, wenn Grund­wer­te auf dem Spiel ste­hen. Und dass Demo­kra­tie nicht ein­fach da ist – sie lebt davon, dass wir sie jeden Tag neu ver­tei­di­gen. In unse­rer Nach­bar­schaft, in unse­rer Stadt in Wer­mels­kir­chen und in unse­rem Land.

    Viel­leicht ist das der eigent­li­che Kern die­ses Tages: inne­hal­ten, nach­den­ken, Hal­tung zei­gen.

    Bild­nach­weis: Klaus Ulin­ski

  • CDU beendet Kooperation – GRÜNE kündigen konstruktive Oppositionsarbeit an

    CDU beendet Kooperation – GRÜNE kündigen konstruktive Oppositionsarbeit an

    Die CDU-Kreis­tags­frak­ti­on im Rhei­nisch-Ber­gi­schen Kreis hat ent­schie­den, die bis­he­ri­ge Zusam­men­ar­beit mit den GRÜNEN nicht fort­zu­set­zen. Die GRÜNE Kreis­tags­frak­ti­on zeigt sich ent­täuscht über das Ende der erfolg­rei­chen Koali­ti­on und bedau­ert, dass die gemein­sa­men Pro­jek­te nun nicht in gewohn­ter Form wei­ter­ge­führt wer­den kön­nen.

    Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de Ursu­la Ehren erin­ner­te an wich­ti­ge Fort­schrit­te der ver­gan­ge­nen Jah­re – etwa in den Berei­chen Kli­ma­schutz, Mobi­li­tät und sozia­le Gerech­tig­keit – und erklär­te, man hät­te den ein­ge­schla­ge­nen Weg ger­ne fort­ge­setzt. Ihre Co-Vor­sit­zen­de Dag­mar Kel­ler-Bartel beton­te, poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung bedeu­te Ver­läss­lich­keit und Mut, zen­tra­le Zukunfts­the­men wei­ter anzu­pa­cken.

    Trotz des Bruchs kün­di­gen die GRÜNEN an, künf­tig eine wach­sa­me und gestal­ten­de Oppo­si­ti­on zu bil­den. Man wol­le wei­ter­hin eige­ne Ideen ein­brin­gen, Alter­na­ti­ven auf­zei­gen und als trei­ben­de Kraft für eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung im Rhei­nisch-Ber­gi­schen Kreis wir­ken.

    Bild­nach­weis: Die Grü­nen RBK

  • Ratssitzung und Vereidigung des neuen Bürgermeisters

    Ratssitzung und Vereidigung des neuen Bürgermeisters

    Wann:Mon­tag, 03.11.2025
    Sit­zung des Rates der Stadt
    Uhr­zeit17:00 Uhr
    Wo:Gro­ßer Saal, Bür­ger­zen­trum

    Das sind die Tages­ord­nungs­punk­te:

    TOP 1 Sit­zungs­er­öff­nung 

    TOP 2   Bestel­lung der Schrift­füh­re­rin bzw. des Schrift­füh­rers

    TOP 3   Ver­ei­di­gung und Ein­füh­rung des Bür­ger­meis­ters

    TOP 4   Wahl der Stell­ver­tre­ter bzw. Stell­ver­tre­te­rin­nen des Bür­ger­meis­ters

    TOP 5   Ver­pflich­tung und Ein­füh­rung der Stellvertreter/ ‑innen der Bür­ger­meis­te­rin und der wei­te­ren Mit­glie­der des Rates der Stadt

    TOP 6   Ver­pflich­tung und Ein­füh­rung eines nach­ge­rück­ten Mit­glie­des des Rates der Stadt

    TOP 7  Anfra­gen  

    TOP 8 Ver­schie­de­nes

    Es folgt ein nicht­öf­fent­li­cher Teil

    Bei­trags­bild: Can­vas / Klaus Ulin­ski

  • „…wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem…“

    „…wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem…“

    Was prägt unser Stadt­bild wirk­lich?

    Wäh­rend Bun­des­kanz­ler Merz mit sei­ner „Stadtbild“-Aussage bun­des­weit Dis­kus­sio­nen aus­löst, zeigt sich im Ber­gi­schen ein ande­res Bild: Nicht Migra­ti­on, son­dern Leer­stän­de, Sau­ber­keit und feh­len­de Bele­bung prä­gen vie­le Innen­städ­te.

    Wer­mels­kir­chen steht ver­gleichs­wei­se gut da – die Leer­stands­quo­te ist die nied­rigs­te im Ber­gi­schen Land, doch auch hier gibt es Hand­lungs­be­darf. Laut der HSK-Stu­die NRW sind Auf­ent­halts­qua­li­tät, Mobi­li­tät und wirt­schaft­li­che Impul­se ent­schei­dend für attrak­ti­ve Stadt­zen­tren.

    Aktu­ell wird in Wer­mels­kir­chen über eine mög­li­che Neu­ge­stal­tung der Tele­gra­fen­stra­ße dis­ku­tiert – als Idee, wie Ver­kehr, Rad­we­ge und Auf­ent­halts­qua­li­tät bes­ser zusam­men­spie­len kön­nen. Es geht also nicht um Schuld­zu­wei­sun­gen, son­dern um Per­spek­ti­ven für ein leben­di­ges und zukunfts­fä­hi­ges Stadt­bild.

    Stadt­bild und Innen­stadt­ent­wick­lung im Ber­gi­schen – was wirk­lich zählt

    Die Aus­sa­ge von Bun­des­kanz­ler Merz zum „Stadt­bild“ („…wir haben natür­lich immer im Stadt­bild noch die­ses Pro­blem…“) hat vie­le Dis­kus­sio­nen aus­ge­löst – auch im Netz, wie z. B. hier

    Doch jen­seits sol­cher Schlag­wor­te lohnt ein Blick dar­auf, was das Stadt­bild im Ber­gi­schen tat­säch­lich prägt.

    In Rem­scheid, Solin­gen oder Wup­per­tal sind es vor allem Leer­stän­de, Sanie­rungs­stau und feh­len­de Bele­bung, die das Erschei­nungs­bild der Innen­städ­te beein­flus­sen. Wer­mels­kir­chen steht im Ver­gleich noch gut da – hier ist die Leer­stands­quo­te die nied­rigs­te im Ber­gi­schen Land, auch wenn sie zuletzt leicht gestie­gen ist.

    Laut der aktu­el­len HSK-Stu­die NRW (2024) sind beson­ders Auf­ent­halts­qua­li­tät, Sau­ber­keit und wirt­schaft­li­che Impul­se ent­schei­dend, um Innen­städ­te attrak­ti­ver zu machen. Erfolg­rei­che Städ­te set­zen auf fle­xi­ble Nut­zungs­kon­zep­te, kul­tu­rel­le Ange­bo­te und moder­ne Mobi­li­täts­lö­sun­gen, etwa bes­se­re Rad­we­ge und eine aus­ge­wo­ge­ne Ver­kehrs­pla­nung.

    Auch in Wer­mels­kir­chen wird schon seit Jah­ren und der­zeit erneut über eine mög­li­che Neu­ge­stal­tung der Tele­gra­fen­stra­ße dis­ku­tiert – nicht als beschlos­se­ne Maß­nah­me, son­dern als Idee, wie sich Ver­kehr, Auf­ent­halts­qua­li­tät und Han­del künf­tig bes­ser mit­ein­an­der ver­bin­den las­sen könn­ten. Die­se Dis­kus­si­on zeigt, dass Stadt­bild­ent­wick­lung mehr ist als Fas­sa­den­ge­stal­tung: Es geht um Lebens­qua­li­tät, Erreich­bar­keit und ein Umfeld, in dem Men­schen sich ger­ne auf­hal­ten. Und zwar alle Men­schen: Ein­hei­mi­sche, Gäs­te, Besu­cher und die, denen wir Schutz bie­ten!

    Wenn wir also über das Stadt­bild spre­chen, soll­ten wir nicht über Pro­ble­me reden, son­dern über Per­spek­ti­ven – wie wir unse­re ber­gi­schen Innen­städ­te sau­be­rer, leben­di­ger und zukunfts­fä­hi­ger gestal­ten kön­nen.

    Bild­nach­weis: Pri­vat Klaus Ulin­ski

  • Gegenrede

    Gegenrede

    Im Anschluss an den Arti­kel Stadt­bild neu den­ken“ ent­stand auf Face­book und im Forum eine leb­haf­te Dis­kus­si­on, in der unter ande­rem ein Face­book-Nut­zer sei­ne Ent­täu­schung über die Dis­kus­si­ons­kul­tur äußer­te.

    Er beklag­te, dass sach­li­che Bei­trä­ge zu schnell ideo­lo­gisch ein­ge­ord­net oder gar dif­fa­mie­rend kom­men­tiert wür­den, und zog dar­aus die Kon­se­quenz, sich aus den Debat­ten zurück­zu­zie­hen. Eine Ent­schei­dung, die vie­le bedau­ern – denn jede Stim­me, die sich aus der öffent­li­chen Dis­kus­si­on ver­ab­schie­det, ist ein Ver­lust für die loka­le Demo­kra­tie.

    Auf die­sen Bei­trag reagier­ten die Frei­en Wäh­ler Wer­mels­kir­chen mit fol­gen­dem Kom­men­tar:

    Die­ser Ver­gleich ver­dient eine kla­re Gegen­re­de – nicht, um den Streit wei­ter anzu­hei­zen, son­dern um die demo­kra­ti­sche Kul­tur zu ver­tei­di­gen, die unser Forum aus­macht:

    Lie­be Freie Wäh­ler Wer­mels­kir­chen,

    es ist bemer­kens­wert, wie schnell eine inhalt­lich wich­ti­ge Dis­kus­si­on – wie sie K.(*) ursprüng­lich ange­sto­ßen hat – in eine Rich­tung kippt, die mehr über die Dis­kus­si­ons­kul­tur als über die Sache selbst aus­sagt.

    Dass ihr das Forum Wer­mels­kir­chen in die­sem Zusam­men­hang als „Schwar­zen Kanal“ oder gar als „Nord­ko­rea TV“ bezeich­net, ist, offen gesagt, befremd­lich. Bei­de Begrif­fe ste­hen his­to­risch für das Gegen­teil von frei­em, plu­ra­lis­ti­schem Mei­nungs­aus­tausch:

    • Der „Schwar­ze Kanal“ war ein pro­pa­gan­dis­ti­sches DDR-Fern­seh­for­mat von Karl-Edu­ard von Schnitz­ler, das den poli­ti­schen Geg­ner dif­fa­mier­te und nie­mals einen offe­nen Dis­kurs zuließ.
    • Nord­ko­rea-TV ist – wie jeder weiß – ein Instru­ment staat­li­cher Kon­trol­le und Selbst­be­stä­ti­gung.

    Wer also die­se Begrif­fe bemüht, um ein Forum zu beschrei­ben, in dem sich Bür­ge­rin­nen und Bür­ger frei, öffent­lich und kri­tisch aus­tau­schen, der ver­fehlt nicht nur den Ton, son­dern auch den demo­kra­ti­schen Kern der Sache.

    1. Fal­sche Eti­ket­ten und der Ver­lust der Debat­te

      Im Bei­trag „Wenn Meta­phern Men­schen ver­trei­ben“ wird genau die­ses Phä­no­men beschrie­ben: Die Ten­denz, kom­ple­xe The­men mit schnel­len Eti­ket­ten zu ver­se­hen – „links“, „rechts“, „grün“, „bür­ger­lich“ – und so ech­te Aus­ein­an­der­set­zung zu ver­hin­dern.
      Die Sozio­lo­gin Jana C. Glae­se spricht in die­sem Zusam­men­hang von „lee­ren Boxen“, die je nach Zeit­geist mit Bedeu­tung gefüllt wer­den. Was einst zur Ori­en­tie­rung gedacht war, dient heu­te oft zur Abgren­zung und Aus­gren­zung.
      Genau das geschieht, wenn man ein Dis­kus­si­ons­fo­rum pau­schal als „lin­kes Sprach­rohr“ oder gar als „Nord­ko­rea-TV“ bezeich­net. Damit wird nicht über Inhal­te gespro­chen, son­dern über Eti­ket­ten. Das ersetzt Argu­men­te durch Abwer­tung.
    2. Demo­kra­tie bedeu­tet Streit – aber mit Argu­men­ten

      Wenn ihr als Freie Wäh­ler für euch bean­sprucht, sach­ori­en­tiert und unab­hän­gig zu han­deln, dann gehört dazu auch, euch argu­men­ta­tiv ein­zu­brin­gen – gera­de dort, wo Mei­nun­gen aus­ein­an­der­ge­hen.
      Das Forum Wer­mels­kir­chen ist kein „Mei­nungs­fil­ter“. Es ist ein öffent­li­cher Raum, in dem Bei­trä­ge kri­tisch gele­sen und kom­men­tiert wer­den dür­fen.
      Wider­spruch ist kein Angriff auf Mei­nungs­frei­heit, son­dern deren Aus­druck.
      Wenn der Face­book-Kom­men­ta­tor, dem Ihr bestä­ti­gend ant­wor­tet oder ande­re den Ein­druck haben, sie wür­den in eine Ecke gedrängt, soll­ten wir gemein­sam dar­über spre­chen, wie Debat­ten respekt­vol­ler geführt wer­den kön­nen – aber bit­te nicht, indem man das Forum selbst dele­gi­ti­miert.
      Wer Dis­kus­si­ons­räu­me schlecht­re­det, schwächt am Ende die Betei­li­gungs­kul­tur ins­ge­samt – und damit auch die loka­le Demo­kra­tie, die von enga­gier­ten Stim­men lebt.

    Ein Appell zum Schluss

    Statt mit Begrif­fen aus der Mot­ten­kis­te des Kal­ten Krie­ges um sich zu wer­fen, wäre es kon­struk­ti­ver, inhalt­lich zu strei­ten – über The­men wie das Stadt­bild, über Ver­ant­wor­tung, über Teil­ha­be.

    Das Forum Wer­mels­kir­chen ist kein „Schwar­zer Kanal“.

    Es ist ein Ort, an dem vie­le Men­schen ihre Sicht tei­len – kri­tisch, lei­den­schaft­lich, manch­mal unbe­quem, aber immer mit der Mög­lich­keit zur Gegen­re­de.

    Und genau das unter­schei­det demo­kra­ti­sche Dis­kus­si­on von Pro­pa­gan­da.

    Dar­um unse­re Bit­te:

    Betei­li­gen Sie sich, Freie Wäh­ler Wer­mels­kir­chen – Betei­li­gen Sie sich mit Argu­men­ten, mit Inhal­ten, mit Hal­tung. Hier, in die­sem Forum Wer­mels­kir­chen. Für alle sicht­bar medi­al trans­pa­rent.

    Die Türen ste­hen offen. Aber wer sie zuschlägt, ver­liert nicht das Forum – son­dern die Chan­ce auf Mit­ge­stal­tung.

    Herz­li­che Grü­ße

    Ihr Forum Wer­mels­kir­chen

    (*) Name der Redak­ti­on bekannt / Bild­nach­weis: Pri­vat Klaus Ulin­ski

  • Wenn Metaphern Menschen vertreiben… 

    Wenn Metaphern Menschen vertreiben… 

    und Kom­mu­nal­po­li­tik sich selbst ent­leert


    In unse­rem heu­ti­gen Bei­trag will ich auf zwei zusam­men­hän­gen­de Phä­no­me­ne ein­ge­hen: einen aktu­el­len Arti­kel hier im Forum („Stadt­bild neu den­ken) und die Dis­kus­si­on über poli­ti­sche Begrif­fe wie „links“ und „rechts“, wie sie etwa von der Sozio­lo­gin Jana C. Glae­se ana­ly­siert wer­den. Ich möch­te zei­gen, wie leicht eine Debat­te – ins­be­son­de­re im kom­mu­nal­po­li­ti­schen Raum – ent­glei­sen kann, wenn Begrif­fe falsch genutzt oder zu eng gezo­gen wer­den, und wie dadurch wich­ti­ge Stim­men ver­lo­ren gehen.

    Aus­gangs­punkt: Die Dis­kus­si­on um das Stadt­bild

    Der Arti­kel „Stadt­bild neu den­ken“ setzt an einem wich­ti­gen The­ma an: In Wer­mels­kir­chen wird nicht nur der­zeit son­dern bereits seit sehr lan­ger Zeit über das soge­nann­te „Stadt­bild“ gespro­chen – gegen­wär­tig ver­schärft mit Blick auf Migra­ti­on, Erschei­nungs­bild und Ver­ant­wort­lich­keit.  Im Bei­trag ist unter ande­rem zu lesen:

    „Wer den Begriff ‚Stadt­bild‘ ver­engt, läuft Gefahr, Men­schen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len, statt Ver­ant­wor­tung zu tei­len.“

    Der Bei­trag ruft dazu auf, das Stadt­bild als gemein­sa­mes Pro­jekt, als Aus­druck von Mit­ein­an­der, Ver­ant­wor­tung und Gestal­tungs­wil­le zu ver­ste­hen, statt als Abbil­dung von Her­kunft oder äuße­rer Erschei­nung.  

    Das ist eine gute und wich­ti­ge Per­spek­ti­ve – aber sie hängt ent­schei­dend davon ab, wie Debat­ten geführt wer­den. Denn sofort, wenn Begrif­fe ver­kürzt, pola­ri­siert oder als Eti­ket­ten genutzt wer­den, kippt der Ton – und mit ihm die Bereit­schaft zur Teil­nah­me.

    Die Meta­phern „links“ und „rechts“ – und was sie für die Kom­mu­nal­po­li­tik bedeu­ten

    Jana Cata­li­na Glae­se ist Sozio­lo­gin und Redak­teu­rin des Phi­lo­so­phie Maga­zins und im Okto­ber Gast­wis­sen­schaft­le­rin der Abtei­lung Trans­for­ma­tio­nen der Demo­kra­tie.

    In einem kürz­lich erschie­ne­nen Inter­view im Redak­ti­ons­Netz­werk Deutsch­land  erläu­tert sie die Begrif­fe „links“ und „rechts“ als his­to­risch gewach­sen – sie stam­men aus der Sitz­ord­nung der fran­zö­si­schen Natio­nal­ver­samm­lung im spä­ten 18. Jahr­hun­dert.  

    Heu­te aber bezeich­net sie die­se Meta­phern als „lee­re Boxen“ ohne ver­läss­li­chen seman­ti­schen Kern, die sich je nach Zeit und Kon­text neu mit Bedeu­tung fül­len las­sen – oder eben ent­leert wer­den. Oder eben zur Aus­gren­zung in der Debat­te füh­ren.  

    Den­noch: Wich­tig sei­en inhalt­li­che Unter­schie­de – etwa beim Umgang mit Ungleich­heit: Lin­ke woll­ten Ungleich­heit eher über­win­den, Rech­te sähen Unter­schie­de eher als natür­lich an.  

    Auch ver­weist sie dar­auf, dass in Deutsch­land der Begriff „rechts“ beson­ders nega­tiv belas­tet ist – wegen der Ver­gan­gen­heit der NS-Zeit.  

    Das Fazit: Begrif­fe wie „links“ und „rechts“ sind nütz­lich als Ori­en­tie­rung, aber gefähr­lich, wenn sie statt zur Klar­heit zur Abgren­zung, Ver­schie­bung oder Aus­gren­zung füh­ren.

    Schnitt­stel­le: Wenn Meta­phern im Kom­mu­nal­fo­rum zum Pro­blem wer­den

    Was heißt das nun kon­kret für unse­re Dis­kus­si­on in Wer­mels­kir­chen? Ich sehe drei zen­tra­le Risi­ken:

    a) Ver­kürz­te Eti­ket­tie­rung: Ich hat­te unlängst eine Gespräch mit einem jun­gen ehe­ma­li­gen Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, der sich aus der Poli­tik zurück­ge­zo­gen hat, weil ihm u. a. voll­kom­men unge­recht­fer­tigt rech­tes Gedan­ken­gut vor­ge­wor­fen wur­de und bedau­ernd ein­räum­te: „Ich wer­de dadurch lei­der nicht mehr alles mit­be­kom­men …“ Die­ses Bei­spiel zeigt: Wenn Enga­gier­te Men­schen in der Kom­mu­nal­po­li­tik auf­grund ihrer Debat­ten-Bei­trä­ge wie der mei­nes jun­gen Freun­des  sich zurück­zie­hen, weil sie sich stig­ma­ti­siert füh­len – etwa mit dem Vor­wurf „rech­tes Gedan­ken­gut“ – dann ist das ein gewal­ti­ger Scha­den für die kom­mu­na­le Dis­kus­si­ons­kul­tur.

    Die Meta­pher „rechts“ wird hier nicht als Ori­en­tie­rung genutzt, son­dern als Schub­la­de. Dabei ver­liert jede Dis­kus­si­on an Tie­fe.

    b) Begrif­fe, die kei­ne Brü­cke bau­en: Der Arti­kel zum Stadt­bild spricht davon, wie schnell Begrif­fe Men­schen gegen­ein­an­der stel­len: „Wer den Begriff ‚Stadt­bild‘ ver­engt, läuft Gefahr, Men­schen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len…“  

    Wenn dann zugleich poli­ti­sche Debat­ten über „rechts“ und „links“ nicht genutzt wer­den, um Inhal­te zu klä­ren, son­dern um Posi­tio­nen zu mar­kie­ren oder klein­zu­re­den, dann zieht sich eine Stim­me zurück – aus Frust oder Angst vor Stig­ma­ti­sie­rung.

    c) Der Ver­lust von Viel­falt und Betei­li­gung: Genau das pas­siert, wenn Bei­trä­ge mit guten Absich­ten auf Face­book oder im Forum erschei­nen – und dann in einen Ant­wort- Reflex gera­ten, der sich der Ein­fach­heit des Sor­tie­rens nach “rechts” oder “links” bedient und manch­mal gar mit dem Suf­fix “-extrem” oder “-radi­kal” etti­ketiert. Und das „…nur, weil man nicht den ver­meint­li­chen Schlau­mei­ern nach dem Mund redet …“ (Zitat mei­nes jun­gen Freun­des).

    Wer sich nicht in die gän­gi­gen Kate­go­rien ein­ord­nen lässt, wird aus­ge­grenzt – und damit ver­lie­ren wir nicht nur eine Mei­nung, son­dern eine gan­ze Per­spek­ti­ve auf das Gemein­we­sen.

    Was wir ändern soll­ten – und wie

    • Begrif­fe öff­nen statt schlie­ßen: Statt reflex­haft zu fra­gen „Bist du rechts?“ oder „Bist du links?“ soll­ten wir fra­gen: Wel­che Ansicht ver­tritt die­ser Mensch? Wor­auf bezieht sich sei­ne Sor­ge? Wel­chen Bei­trag leis­tet er zur Stadt­ge­mein­schaft?
    • Dis­kus­si­on unab­hän­gig von Labels füh­ren: Der Arti­kel „Stadt­bild neu den­ken“ for­dert uns auf, „Stadt­bild“ zu den­ken als gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung – nicht als Urteil über Her­kunft oder Äußer­lich­keit. 
      Das heißt: Wenn wir uns in Debat­ten ein­klin­ken, soll­ten wir nicht zuerst nach der Her­kunft, dem äuße­ren Erschei­nungs­bild oder dem ver­meint­li­chen „poli­ti­schen Label“ fra­gen – son­dern nach dem Bei­trag, der Absicht, dem Inhalt.
    • Nicht jede Pro­vo­ka­ti­on anneh­men: In einem sozi­al-media-Zeit­al­ter, in dem pola­ri­sie­ren­de Bei­trä­ge viral gehen, ist es wich­tig, nicht reflex­haft auf jedes hin­ge­hal­te­ne Stöck­chen zu sprin­gen. Die Begrif­fe „rechts“ und „links“ wer­den immer wie­der instru­men­ta­li­siert. Die Anlei­tung von Glae­se: Man kann sie nicht ein­fach abschaf­fen, aber man soll­te bewusst mit ihnen umge­hen.
    • Viel­falt und Betei­li­gung sichern: Wenn Men­schen wie mein jun­ger Freund sich aus der Dis­kus­si­on zurück­zie­hen, ver­lie­ren wir nicht nur eine Per­son – wir ver­lie­ren das Poten­zi­al, unse­re Stadt mit­zu­ge­stal­ten. Des­we­gen ist es wich­tig: Jeder darf blei­ben. Jede Stim­me zählt. Auch jene, die nicht ins klas­si­sche Links-Rechts-Sche­ma passt.

    Mein Auf­ruf an alle in die­sem und in ande­ren Foren

    Lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger in Wer­mels­kir­chen:

    Las­sen wir uns nicht in die alten Raum-Meta­phern trei­ben, die vor 230 Jah­ren ent­stan­den sind und heu­te oft mehr spal­ten als ver­bin­den.  

    Wenn wir über unser Stadt­bild reden, wenn wir über Her­kunft, Erschei­nung, Ver­ant­wor­tung spre­chen – dann machen wir das gemein­sam, inhalt­lich, mit Respekt.

    Wenn jemand sagt: „Ich zie­he mich zurück, weil ich den Vor­wurf eines rech­ten Gedan­ken­guts nicht ertra­gen will“, dann hören wir hin – und fra­gen: Was hat ihn genau ver­letzt? Wel­che Wor­te, wel­che Reak­tio­nen haben eine Ket­te aus­ge­löst?

    Kom­mu­nal­po­li­tik lebt von Betei­li­gung. Lass uns also dafür sor­gen, dass Begrif­fe wie „rechts“ und „links“ nicht zur Aus­gren­zung die­nen, son­dern zur Ori­en­tie­rung – und vor allem: zur Betei­li­gung.

    Ich freue mich auf eine Dis­kus­si­on hier im Forum – mit Inhal­ten, nicht mit Eti­ket­ten.

    Herz­li­che Grü­ße und ein ent­span­nen­des Wochen­en­de

    Ihr Klaus Ulin­ski




    Bild­nach­weis: Pri­vat Klaus Ulin­ski

  • Stadtbild neu denken 

    Stadtbild neu denken 

    vom Tren­nen­den zum Gemein­sa­men – am Bei­spiel Wer­mels­kir­chen

    In Wer­mels­kir­chen wird in den letz­ten Wochen viel über das soge­nann­te „Stadt­bild“ gespro­chen, oft im Zusam­men­hang mit Migra­ti­on. Aus­sa­gen wie die von Fried­rich Merz, der „Migra­ti­on“ mit einem ver­än­der­ten Stadt­bild ver­knüpft hat, haben zu hit­zi­gen Debat­ten geführt. Der Jesu­it Ans­gar Wie­den­haus nann­te die­se Aus­sa­ge „absurd und gefähr­lich“, weil sie ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem auf Men­schen redu­ziert – auf das, was sicht­bar ist, nicht auf das, was tat­säch­lich gestal­tet wer­den kann. 

    In der Tat schwin­gen in die­ser gan­zen Dis­kus­si­ons-Kako­pho­nie Begrif­fe mit, die tren­nen statt ver­bin­den. Die Debat­ten– ob in sozia­len Medi­en oder in per­sön­li­chen Gesprä­chen – zei­gen, wie schnell sich hin­ter dem Wort „Stadt­bild“ ein enges Bild ver­fes­ti­gen kann, in dem Migra­ti­on, Her­kunft oder äuße­res Erschei­nungs­bild und Haut­far­be eine zu gro­ße Rol­le spie­len. Doch das greift zu kurz. 

    Unser Stadt­bild ist weit mehr als das, was man auf den ers­ten Blick sieht. Es ist Aus­druck unse­res Mit­ein­an­ders, unse­rer Ver­ant­wor­tung für­ein­an­der und unse­rer Bereit­schaft, die eige­ne Umge­bung zu gestal­ten und zu pfle­gen.

    Das Stadt­bild einer Stadt ent­steht nicht durch ein­zel­ne Men­schen oder Grup­pen, son­dern durch das Zusam­men­spiel vie­ler Kräf­te. Es lebt von gepfleg­ten Stra­ßen und Plät­zen, von funk­tio­nie­ren­den Ein­rich­tun­gen und einer Atmo­sphä­re, in der man sich sicher und will­kom­men fühlt. Es lebt auch davon, wie Men­schen mit­ein­an­der umge­hen, ob sie Ver­ant­wor­tung über­neh­men und ob sie bereit sind, sich ein­zu­brin­gen. Wenn wir über das Stadt­bild spre­chen, dann dür­fen wir es nicht auf das Äuße­re von Men­schen redu­zie­ren. 

    Denn wer die Idee vom Stadt­bild auf Her­kunft oder kul­tu­rel­le Unter­schie­de beschränkt, ver­liert den Blick für das, was eine Stadt wirk­lich prägt: ihr gemein­sa­mes Han­deln, ihr Zusam­men­halt und ihre gegen­sei­ti­ge Wert­schät­zung.

    In Wer­mels­kir­chen zeigt sich bei­des – das Sicht­ba­re und das Unsicht­ba­re. Sicht­bar sind manch­mal Din­ge, die uns stö­ren: eine gesperr­te Brü­cke, die seit Jah­ren unge­nutzt als Rui­ne im Eif­gen­tal bleibt, über­füll­te Abfall­be­häl­ter (zumin­dest zum Ende der Woche), acht­los weg­ge­wor­fe­ne Ziga­ret­ten­stum­mel, die sich häss­lich und umwelt­schädlch in den Fugen des Asphalts sam­meln oder Park­plät­ze, die in ihrer Knapp­heit lan­ge belegt sind (wäh­rend in der Tief­ga­ra­ge oder am neu­en Park­platz bei der Feu­er­wehr genü­gend Raum wäre). 

    Sol­che all­täg­li­chen Details beein­flus­sen unser Gefühl für die Stadt. Unsicht­bar bleibt dage­gen oft das, was im Stil­len geschieht: die Men­schen, die Grün­flä­chen pfle­gen, die Nach­barn, die Blu­men­käs­ten bepflan­zen, die Ver­ei­ne, die Ver­an­stal­tun­gen orga­ni­sie­ren, oder die Ehren­amt­li­chen, die sich für Kul­tur, Sport, Sozia­les und Umwelt ein­set­zen. Und die, die uner­müd­lich Men­schen hel­fen, die in Not sind, die aus der Frem­de kom­men, die auf der Flucht sind, die Schutz suchen. Die­se all­täg­li­chen Bei­trä­ge for­men das wah­re Bild unse­rer Stadt – eines, das sich aus Für­sor­ge, Enga­ge­ment und Gemein­schaft zusam­men­setzt.

    Gera­de dar­in liegt der Weg aus der Pola­ri­sie­rung. Wer den Begriff „Stadt­bild“ ver­engt, läuft Gefahr, Men­schen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len, statt Ver­ant­wor­tung zu tei­len. Wenn der Bun­des­kanz­ler Fried­rich Merz dazu auf­ruft, man sol­le doch ein­mal „unse­re Töch­ter fra­gen, wie das Stadt­bild aus­sieht und was man da ändern kön­ne“, dann offen­bart sich dar­in weni­ger eine Sor­ge um die Stadt als viel­mehr ein Miss­trau­en gegen­über denen, die sie mit­ge­stal­ten. Eine sol­che Aus­sa­ge lenkt den Blick auf Äußer­lich­kei­ten und auf das, was trennt – nicht auf das, was ver­bin­det.

    Gera­de des­halb soll­ten wir den Begriff „Stadt­bild“ wie­der öff­nen und ihn als gemein­sa­me Auf­ga­be ver­ste­hen. Es geht nicht dar­um, Schul­di­ge zu fin­den oder Grup­pen in Fra­ge zu stel­len, son­dern dar­um, gemein­sam zu über­le­gen, wie wir unse­re Stadt schö­ner, siche­rer und leben­di­ger gestal­ten kön­nen. Stadt­bild bedeu­tet dann nicht Abgren­zung, son­dern Ein­la­dung – die Ein­la­dung, mit­zu­den­ken, mit­zu­ma­chen und Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, unab­hän­gig davon, woher wir kom­men, wie wir aus­se­hen oder wie lan­ge wir schon hier leben.

    Ein Blick auf die Viel­zahl der Ver­ei­ne und Initia­ti­ven in Wer­mels­kir­chen zeigt, wie groß die Bereit­schaft ist, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Ob in der Kul­tur, im Sport, im sozia­len Bereich oder in der Nach­bar­schafts­hil­fe – über­all enga­gie­ren sich Men­schen, um die Stadt lebens­wer­ter zu machen. Die schei­den­de Bür­ger­meis­te­rin Mari­on Holt­haus hat die­ses Enga­ge­ment als den „Kitt unse­rer Gemein­schaft“ bezeich­net, und genau das ist es: das ver­bin­den­de Ele­ment, das aus Ein­zel­nen eine Stadt­ge­mein­schaft macht.

    Das Stadt­bild von Wer­mels­kir­chen ist kein fes­tes Abbild und kein Urteil über Men­schen. Es ist ein leben­di­ger Pro­zess, der zeigt, wie wir mit­ein­an­der umge­hen, wie wir Ver­ant­wor­tung über­neh­men und wie sehr wir unse­re Umge­bung wert­schät­zen. Wenn wir das The­ma so ver­ste­hen, kann aus einem Begriff, der in den letz­ten Wochen zu tren­nen schien, wie­der einer wer­den, der ver­bin­det. Denn ein gepfleg­tes, lebens­wer­tes Stadt­bild ent­steht dort, wo Men­schen sich küm­mern – nicht dort, wo man Schuld ver­teilt.

    Bild­nach­weis: pri­vat Klaus Ulin­ski

  • GRÜNE Fraktion im Rhein.-Berg.-Kreis setzt auf Erfahrung und Zukunftsorientierung

    GRÜNE Fraktion im Rhein.-Berg.-Kreis setzt auf Erfahrung und Zukunftsorientierung

    Ursu­la Ehren und Dag­mar Kel­ler-Bartel als Co-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de gewählt

    In ihrer kon­sti­tu­ie­ren­den Sit­zung am 7. Okto­ber 2025 hat die GRÜNE Kreis­tags­frak­ti­on im Rhei­nisch-Ber­gi­schen Kreis Ursu­la Ehren (Oden­thal) und Dag­mar Kel­ler-Bartel (Ove­r­ath) als ihre Co-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den für die neue Wahl­pe­ri­ode gewählt. Damit setzt die neue Frak­ti­on auf bewähr­te Zusam­men­ar­beit und zugleich auf eine kla­re inhalt­li­che und per­so­nel­le Linie für die kom­men­den Jah­re.

    Ursu­la Ehren und Dag­mar Kel­ler-Bartel haben die Frak­ti­on bereits in der ver­gan­ge­nen Wahl­pe­ri­ode gemein­sam durch eine außer­ge­wöhn­lich her­aus­for­dern­de Zeit geführt – geprägt von Hoch­was­ser, Pan­de­mie und den Fol­gen des rus­si­schen Angriffs­kriegs, die auch im Kreis deut­li­che Spu­ren hin­ter­las­sen haben. Bei­de ste­hen für eine ver­läss­li­che, kon­struk­ti­ve und lösungs­ori­en­tier­te Arbeit im Kreis­tag.

    Maik Außen­dorf, der auf Platz 2 der GRÜNEN Kreis­tags­lis­te ange­tre­ten war, gra­tu­lier­te den Neu­ge­wähl­ten: „Ursu­la Ehren und Dag­mar Kel­ler-Bartel haben in den letz­ten Jah­ren gezeigt, dass sie Ver­ant­wor­tung mit Weit­blick über­neh­men. Ich freue mich sehr auf die Zusam­men­ar­beit in der neu­en Frak­ti­on – und dar­auf, mei­ne Erfah­run­gen aus Kom­mu­nal- und Bun­des­po­li­tik in die stra­te­gi­sche Arbeit ein­zu­brin­gen.“

    Außen­dorf war bei der Wahl nicht für den Frak­ti­ons­vor­stand ange­tre­ten, um sich ver­stärkt Auf­ga­ben inner­halb der Kreis­par­tei wid­men zu kön­nen.

    Ursu­la Ehren betont die Bedeu­tung einer star­ken Frak­ti­on für die kom­men­den Jah­re:

    „Der Rhei­nisch-Ber­gi­sche Kreis steht vor gro­ßen Umbrü­chen – in der Mobi­li­tät, beim Kli­ma­schutz, in der sozia­len Daseins­vor­sor­ge. Wir wol­len als GRÜNE Frak­ti­on den Kreis aktiv in Rich­tung Zukunft füh­ren: ver­läss­lich, sach­lich fun­diert und mit dem Mut, Ent­schei­dun­gen auch gegen den kurz­fris­ti­gen Trend zu tref­fen, wenn sie lang­fris­tig rich­tig sind.“

    Dag­mar Kel­ler-Bartel hebt die Bedeu­tung der Zusam­men­ar­beit in der Frak­ti­on her­vor:

    „In den ver­gan­ge­nen Jah­ren haben wir gelernt, dass man nur im Team Kri­sen wirk­lich bewäl­ti­gen kann. Die­se Erfah­rung neh­men wir mit – aber wir wol­len mehr als nur reagie­ren. Unser Ziel ist, dass der Kreis vor­aus­schau­end gestal­tet, nicht nur ver­wal­tet wird. Dafür braucht es eine Frak­ti­on, die zuhört, ver­netzt und neue Wege geht.“

    Mit die­ser Wahl unter­streicht die GRÜNE Kreis­tags­frak­ti­on ihren Anspruch, in der kom­men­den Wahl­pe­ri­ode sowohl Kon­ti­nui­tät als auch neue Impul­se in die Kreis­po­li­tik ein­zu­brin­gen – ver­ant­wor­tungs­voll, zukunfts­ori­en­tiert und enga­giert für eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung des Rhei­nisch-Ber­gi­schen Krei­ses.

    Bild­nach­weis: GRÜNE RBK