Reden über Gott und die Welt

Eine Glosse von Klaus Ulinski

Wir sitzen zu siebt am Tisch, die Glut im Grill glimmt, die Teller sind voll, und das Bier läuft wie von selbst. Grillwurst, Steak, Salat – und dazu die große Bühne der Themen. „Über Gott und die Welt reden“ heißt es. Und so tun wir es.

Wir reden über die Finanzen der Stadt, die seit Jahren aussehen, als hätten sie eine Diät ohne Aussicht auf Besserung. Über den Sanierungsstau, der wächst wie Schimmel im Keller. Über Straßen, deren Schlaglöcher längst eigene Postleitzahlen verdienen. Straßen, die einen „Stern“ im Namen tragen oder gar eine „Obere Stern“-Straße sind. Und viele andere auch: Schlaglöcher, wohin man tritt oder fährt. Viele andere Wege sind längst mehr Hindernisparcours als Infrastruktur.

Und wir reden natürlich über das erbarmungswürdige Rathaus, dessen Blechfassaden so tun, als könnten sie das mürbe Innere verdecken. Es ist ein Symbol, nur leider keines für Stärke.

Und über den Rechtsruck – erst in Wermelskirchen, dann im Land, dann im ganzen Gefüge, das wir Demokratie nennen.

Zwischendurch wird es schärfer. Blindheit hier, Dummheit dort, die Unfähigkeit zum Dialog und diese seltsame Vergiftung durch Einfältigkeit, die sich leise, aber hartnäckig verbreitet. Wir reden über Sicherheit – vor Sturm, vor Krieg, vor dem, was kommt. Und über die Zukunft unserer Kinder und Enkel, von der niemand weiß, ob sie noch so satt sein wird wie unser heutiger Abend.

Und dann halten wir inne. Wir staunen: 80 Jahre Frieden, 80 Jahre Wohlstand – so selbstverständlich, dass wir es meist gar nicht bemerken. Erst beim Bier und unter Freunden wird klar, wie außergewöhnlich normal unser Leben ist. Bleibt es so?

Am Ende sind wir satt, ein wenig schläfrig vom Fleisch, vom Bier, vielleicht auch vom Denken. Wir stehen auf, sagen „Gute Nacht“ und gehen auseinander. Über Gott und die Welt haben wir geredet – nur über Gott kein einziges Wort.

Bildnachweis: erstellt über Canva

Kommentare

Eine Antwort zu „Reden über Gott und die Welt“

  1. Philipp

    So sollten wir mehr den Dialog suchen zwischen Links, Rechts und Liberal und auch mehr über Gott sprechen. Beides würde der Demokratie gut tun.

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