Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Die Bal­la­de „Herr von Rib­beck auf Rib­beck im Havel­land“ von Theo­dor Fon­ta­ne erzählt uns die Geschich­te des groß­zü­gi­gen Guts­herrn, der den Kin­dern Bir­nen aus sei­nem Gar­ten schenkt. Mit einem Trick sorgt er auch über sei­nen Tod hin­aus dafür, dass die Kin­der Bir­nen haben kön­nen. Damit steht der Birn­baum für groß­zü­gi­ges und für­sorg­li­ches Ver­hal­ten. Im Gegen­satz dazu ist sein Sohn gei­zig und der Vater weiß das.
Aus mei­ner Sicht passt die­se Bal­la­de von 1889 sehr gut in unse­re Zeit, da heu­te zu häu­fig genau das Gegen­teil gelebt wird. Wir müs­sen erken­nen, dass Mensch­lich­keit, die Natur und unse­re Ver­gäng­lich­keit zusam­men gehö­ren. Der Birn­baum sym­bo­li­siert auch Rei­fe, Lebens­freu­de, Bestän­dig­keit und Acht­sam­keit.

Herr von Rib­beck auf Rib­beck im Havel­land,
ein Birn­baum in sei­nem Gar­ten stand,
und kam die gol­de­ne Herbs­teszeit
und die Bir­nen leuch­te­ten weit und breit,
da stopf­te, wenn´s Mit­tag vom Tur­me scholl,
der von Rib­beck sich bei­de Taschen voll,
und kam in Pan­ti­nen ein Jun­ge daher,
so rief er: „Jun­ge, wis­te ne Beer?“
Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn,
kumm man röwer, ick hebb ne Birn.“

So ging es viel Jah­re, bis lobesam
der von Rib­beck auf Rib­beck zu ster­ben kam.
Er fühl­te sein Ende, ´s war Herbs­teszeit,
wie­der lach­ten die Bir­nen weit und breit;
da sag­te von Rib­beck: „Ich schei­de nun ab.
Legt mir eine Bir­ne mit ins Grab!“
Und drei Tage drauf,
aus dem Dop­pel­dach­haus,
tru­gen von Rib­beck sie hin­aus.
Alle Bau­ern und Büd­ner mit Fei­er­ge­sicht
san­gen: „Jesus mei­ne Zuver­sicht!“
Und die Kin­der klag­ten, das Her­ze schwer:
„He is dod nu. Wer giwt uns nu ne Beer?“

So klag­ten die Kin­der. Das war nicht recht -
ach, sie kann­ten den alten Rib­beck schlecht!
Der neue frei­lich, der knau­sert und spart,
hält Park und Birn­baum stren­ge ver­wahrt.
Aber der alte, vor­ah­nend schon
und voll Miß­traun gegen den eige­nen Sohn,
der wuß­te genau, was damals er tat,
als um eine Birn ins Grab er bat;
und im drit­ten Jahr aus dem stil­len Haus
ein Birn­baum­spröß­ling sproßt´heraus.

Und die Jah­re gehen wohl auf und ab,
längst wölbt sich ein Birn­baum über dem Grab,
und in der gol­de­nen Herbs­teszeit
leuchtet´s wie­der weit und breit,
und kommt ein Jung übern Kirch­hof her,
so flüstert´s im Bau­me: „Wis­te ne Beer?“
Und kommt ein Mädel, so flüstert´s: „Lütt Dirn,
kumm man röwer, ick gew di ne Birn!“

So spen­det Segen noch immer die Hand
des von Rib­beck auf Rib­beck im Havel­land.

Theo­dor Fon­ta­ne

Bei­trags­bild: Gemi­ni KI

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