Fußball erleben im Stadion statt Streaming-Horror vor der Glotze

Das ist schon etwas ande­res, Fuß­ball der Spit­zen­klas­se im aus­ver­kauf­ten Sta­di­on, zum Bei­spiel wie im Bei­trags­bild zu sehen, der Baya­re­na in Lever­ku­sen, zu erle­ben. Mit­ten­drin im Fan-Getüm­mel ist es für mich immer wie­der ein High­light, die­se unglau­bich über­bor­den­de Emo­tio­na­li­tät in allen Schat­tie­run­gen, die man bis dahin gar nicht kann­te,  haut­nah mit­zu­be­kom­men. Da kommt das Fuß­ball­er­leb­nis vor dem hei­mi­schen Fern­se­her über­haupt nicht mit. Ich genie­ße es jeden­falls, wenn aus mei­nem Freun­des­kreis ein Dau­er­kar­ten­be­sit­zer schon mal ver­hin­dert ist.  Bun­des­li­ga,  DFB-Pokal und Cham­pi­ons Leau­ge  mit dem vol­len Begleit­pro­gramm, da muss man nicht unbe­dingt Hard­core-Fan sein, um das zu genie­ßen. Ein gro­ßes Dan­ke­schön an mei­ne Fuß­ball- und Ten­nis-Kum­pels und Fans der Werks­elf!

Wir Ber­gi­schen sind, genau­er betrach­tet, sehr pri­vi­le­giert und haben als Fans die Qual der Wahl. Denn Fuß­ball-geo­stra­te­gisch gese­hen, könn­te das Ange­bot nicht opti­ma­ler sein. Im Umkreis von bis zu 100 km kann man alle Sta­di­en der Tra­di­ti­ons­clubs im Wes­ten errei­chen: Dort­mund, Schal­ke, Bochum, Düs­sel­dorf, Aachen, Duis­burg, Essen. Sogar Mön­chen­glad­bach und Müns­ter wür­de ich  als noch gut erreich- und mach­bar anse­hen. (Bit­te nicht ver­za­gen, natür­lich sind WSV, Uni­on Solin­gen, FC Rem­scheid oder unser aller Sport­ver­ein 09 Wer­mels­kir­chen u.a.m. auch Tra­di­ti­ons­clubs!)

Bil­der mit Ein­drü­cken aus der Baya­re­na aus dem Publi­kum her­aus foto­gra­fiert. Auf den Fotos zu sehen: Ein Wer­mels­kir­che­ner im Sta­di­on, der kaum ein Heim­spiel wird verpasst.Dauerkartenbesitzer und Bay­er-Fan Wolf­gang Schind­ler, frü­her Stadt­ent­wick­ler im Wer­mels­kir­che­ner Rat­haus, heu­te ehren­amt­lich im Haus Eif­gen aktiv . Cham­pi­ons League-Ritua­le und Cho­reo­gra­fie zum Spiel­start auf dem Platz. Stim­mungs­vol­le Atmo­sphä­re die Nord- und Fan­kur­ve . Ein Kölsch in der Halb­zeit­pau­se schmeckt unter Freun­den in der “Schwad­bud” beson­ders gut, wenn auch der Spiel­stand gut ist.

Am nächs­ten dran und bequem erreich­bar für Fans sind natür­lich Köln und Lever­ku­sen. Bes­ser und näher geht‘s nicht. Zu Bay­er 04 habe nicht nur ich per­sön­lich die engs­te Bin­dung. Die Lever­ku­se­ner haben in der Klein­stadt mit Herz eine gro­ße Fan­ge­mein­de. Beim Sta­di­on­be­such ist es daher oft so, wie auf der Wer­mels­kir­che­ner Kir­mes. Man glaubt es nicht, denn man trifft sehr vie­le Dell­män­ner, die man lan­ge nicht mehr gese­hen hat auf den Zuschau­er­rän­gen oder am Bier­stand.

Ich tref­fe öfters auch auf ehe­ma­li­ge Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Über drei Jahr­zehn­te habe ich gegen­über dem Sta­di­on im Berufs­kol­leg für Wirt­schaft und Ver­wal­tung  nicht nur Top-Bas­ket­bal­ler (Lever­ku­sen war immer­hin vie­le Jah­re Bas­ket­ball-Hot­spot in Deutsch­land) und  ‑Leicht­ath­le­ten, son­dern auch Fuß­bal­ler von Bay­er in Rech­nungs­we­sen oder BWL unter­rich­tet.  Die Namen Voll­born, Rein­hards oder Herr­lich fal­len mir in die­sem Zusam­men­hang noch ein. Frü­her war eine Aus­bil­dung und eine mög­li­che Arbeits­platz­ga­ran­tie nach der akti­ven Kar­rie­re zusätz­li­cher Anreiz, zum Werks­club zu wech­seln oder zu blei­ben. Im heu­ti­gen Mil­lio­nen­ge­schäft spielt das zumin­dest für die Pro­fi­fuß­bal­ler wohl kei­ne gro­ße Rol­le mehr.

Der Weg ins Sta­di­on war lan­ge Zeit sehr ein­fach und auch güns­tig. Als das Lever­ku­se­ner Sta­di­on noch knapp über 20 000 Plät­ze hat­te, ver­sorg­te die Fuß­ball­ab­tei­lung groß­zü­gig Tickets an Schu­len und Ver­ei­ne, nicht nur aus Lever­ku­sen. Für zwi­schen 5 und 10 Mark, spä­ter Euro, konn­te man selbst an den Spie­len in der Cham­pi­ons League im Sta­di­on live teil­ha­ben. Das Ziel war es, immer ein mög­lichst aus­ver­kauf­tes Sta­di­on zu haben. Die­se güns­ti­gen Zei­ten sind (lei­der) vor­bei, denn selbst die heu­te vor­han­de­nen 30 000 Plät­ze sind Woche für Woche rest­los aus­ver­kauft. Nach der ver­gan­ge­nen gran­dio­sen Meis­ter­schafts­sai­son ist der unglaub­li­che Run auf die Tickets wei­ter unge­bro­chen. Mei­ner Idee, auch eine Dau­er­kar­te zu erwer­ben, ste­hen der­zeit 15 000 Bewer­ber vor mir auf der War­te­lis­te.

Jüngst war zu ver­neh­men, der Club wür­de das Sta­di­on um 8000 Plät­ze erwei­tern. Die­se Pres­se­mel­dung, die aus dem Aus­land stamm­te, wur­de schnell von offi­zi­el­ler Bay­er-Stel­le demen­tiert. Denn der Aus­bau von A1 und A3 in Lever­ku­sen, vor allem der Neu­bau der auf acht  (!) Fahr­spu­ren erwei­ter­ten Mega­stel­ze  (weil noch höher) in unmit­tel­ba­rer Nähe des Sta­di­ons wird mas­si­ve Fol­gen für die Bay­er-Sport-und Trai­nings­stät­ten haben. Nicht nur die Unbil­len der Rie­sen­bau­stel­le wer­den den Spiel­be­trieb von Bay­er 04 und die Zuschau­er­strö­me mas­siv beein­träch­ti­gen. Der Raum ums Sta­di­on her­um wird für alle viel enger wer­den. Von der An- und Abrei­se der Fans wol­len wir erst mal gar nicht spre­chen.  

Das unmit­tel­ba­re, tol­le gemein­sa­me Fuß­ball­er­leb­nis mit  Gleich­ge­sinn­ten im Sta­di­on wird aller­dings blei­ben. Für die­ses Frei­zeit­er­leb­nis kann man dann auch mal kurz zur Sei­te schie­ben, dass das Fuß­ball­ge­schäft, spe­zi­ell das Geschäft um Über­tra­gungs­rech­te, eigent­lich nicht mehr schön und nor­mal ist. Es geht nur noch ums gro­ße Geld, um Über­tra­gungs­rech­te, gigan­ti­sche Ablö­se­sum­men und knall­har­te Kli­en­tel­po­li­tik. Die Macht von Uefa und Fifa ist so groß, dass man dort jedes Schmie­ren­thea­ter mit Erpres­sung und Kor­rup­ti­on ohne sicht­ba­re Kon­se­quen­zen auf­füh­ren kann.  Bes­tes Bei­spiel ist hier die kürz­lich im TV über­tra­ge­ne Aus­lo­sungs­show zur WM 2026 in Ame­ri­ka. Fifa-Chef Infan­ti­no und US-Prä­si­dent Trump lösen nicht nur bei mir jeder für sich schon star­ken Brech­reiz aus. Bei­de zusam­men aber in die­ser Fremd­schäm-Insze­nie­rung – da braucht man gleich zwei gro­ße Eimer zum Ko.… (Ent­schul­di­gung für die­se For­mu­lie­rung)! Wenn das mal reicht.

Aber schlim­mer,  geht‘ s immer. Fuß­ball­fans, die nicht ins Sta­di­on gehen kön­nen, weil sie sich die 350 bis 550 Euro für die nor­ma­le Dau­er­kar­te nicht leis­ten kön­nen oder wol­len, wer­den immer mehr zur Kas­se gebe­ten, wenn Sie die Spie­le im Fern­se­hen sehen wol­len. Der Markt der Fuß­ball­rech­te wird näm­lich immer wei­ter auf­ge­bläht. Neben den bekann­ten Play­ern wie Sky,  DAZN, Ama­zon und Co. stei­gen wei­te­re mäch­ti­ge Fir­men ins Mil­li­ar­den-Geschäft des Fuß­balls ein. So wird Para­mount + 2027 zum dann mäch­tigs­ten Rech­te­händ­ler auf­stei­gen. Völ­lig klar: die Fans wer­den für ihr Hob­by dem­nächst noch mehr Geld für Strea­ming-Diens­te aus­ge­ben müs­sen.

Aller­dings ohne mich. Sta­di­on­be­such, wenn mög­lich – ja. Buchen von Strea­ming-Abos – nein. Da bin ich raus. Was für mich als treu­en Sport­schau- und Sport­stu­dio-Fan dann im Fern­seh übrig bleibt – schaun‘ wir mal. Solan­ge man mir die Live-Schal­tung – und –Repor­ta­gen im WDR-Radio Sams­tags­nach­mit­tag  nicht nimmt oder unser aller  Kos­ta in der Sports­bar am Bahn­hof  sei­nen Gäs­ten auf fünf TV-Bild­schir­men immer  Top-Fuß­ball zum Kölsch bie­tet……..

Fotos: Joa­chim Zappe/ Bei­trags­bild: Cham­pi­ons League-Heim­spiel Bay­er 04 gegen New­cast­le (End­stand 2:2)

Kommentare

2 Antworten zu „Fußball erleben im Stadion statt Streaming-Horror vor der Glotze“

  1. Avatar von Wolfgang Schindler
    Wolfgang Schindler

    Hal­lo Jochen,
    auch von mir ein Dan­ke­schön für Dei­nen Bei­trag und Dei­ne Gedan­ken zu dem aktu­el­len Gesche­hen um den von uns so geschätz­ten Fuss­ball. Lei­der kann die Ent­wick­lung in allen Belan­gen des Sports, und nicht nur beim Fuss­ball, noch abstru­ser wer­den. Das wird mich aber nicht abhal­ten, die Lei­den­schaft für den eigent­li­chen Fuss­ball­sport zu bewah­ren.

  2. Avatar von Lothar Dähn
    Lothar Dähn

    Dan­ke lie­ber Jochen für die­sen tol­len Bei­trag. Ich bin sicher, Du hast vie­len Fuß­ball­fans mit und ohne Dau­er­kar­te aus der See­le geschrie­ben!

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