Zunächst einmal: Der tragische Todesfall des siebenjährigen Jungen im Hagener Westfalenbad ist ein erschütterndes Ereignis, das niemanden unberührt lässt. Jede solche Nachricht mahnt, wie schnell Unglücke geschehen können – selbst unter Aufsicht.
Doch aus einem derartigen Einzelfall eine politische Rechtfertigung für die Investition in ein KI-System im Quellenbad Wermelskirchen zu konstruieren, ist nicht nur sachlich fragwürdig, sondern schlicht geschmacklos.
Die CDU-Vertreter im Stadtrat – namentlich Karl-Heinz Wilke und Michael Schneider – haben den Vorfall in Hagen in ihren Stellungnahmen gegenüber dem WGA ausdrücklich als Begründung für die jüngst getroffene Entscheidung herangezogen. Eine solche Argumentationslinie wirkt peinlich bemüht und lässt den Eindruck entstehen, man wolle ein tragisches Schicksal instrumentalisieren, um eine umstrittene und inhaltlich kaum nachvollziehbare Ratsentscheidung nachträglich zu legitimieren.
Denn der Vergleich hinkt in jeder Hinsicht:
Das Westfalenbad in Hagen ist ein groß dimensioniertes Freizeit- und Erlebnisbad mit riesigem Besucheraufkommen, mehreren Bereichen (Sportbad, Freizeitbad, Sauna, Sole, Rutschenanlagen) und entsprechend komplexen Betriebsabläufen.
Laut offizieller Zahlen aus den Jahren 2023/2024:
• Besucherzahlen 2023: 545.070 insgesamt
• davon Sauna: 105.662 (historischer Rekord)
• davon Freizeitbad: 211.305 (ebenfalls Rekord)
• Gesamtbesucher seit Eröffnung 2010 bis April 2024: über 7 Millionen
Dem gegenüber steht das Quellenbad Wermelskirchen, ein überschaubares, sanierungsbedürftiges Hallenbad mit täglich rund 250 Gästen.
Die RP erinnerte kürzlich in einem Hintergrundbericht daran, dass das Bad in den 1970er-Jahren zwar gut besucht war, heute aber deutlich an Bedeutung verloren hat und ohnehin bald einem Neubau auf dem Rhombus-Gelände weichen soll:
„Derzeit kommen wir auf höchstens 250 Gäste pro Tag“, berichtet Badleiter David Bremerich.
Das Bad habe „seine besten Tage hinter sich“ – ein Neubau sei in Planung, ein Freizeitbad werde das neue Gebäude jedoch nicht, sondern ein Sport- und Gesundheitsbad.
Es ist also völlig klar:
Das Westfalenbad in Hagen ist aufgrund seiner Größe, seiner Besucherzahlen und seines Personalbedarfs in keiner Weise mit dem Quellenbad Wermelskirchen vergleichbar.
Den tragischen Tod eines Kindes in einem völlig anders strukturierten Großbad als Argumentationshilfe für eine Investition in eine Kleinstadtanlage heranzuziehen, die ohnehin in wenigen Jahren geschlossen wird, ist beschämend.
Niemand bestreitet die Bedeutung von Sicherheit im Schwimmbetrieb – sie ist selbstverständlich. Aber Sicherheit entsteht nicht durch symbolische Schnellschüsse oder den Versuch, politische Entscheidungen nachträglich moralisch aufzuwerten.
Stattdessen wäre es verantwortungsvoll, erst einmal die fachliche Bewertung des Badleiters ernst zu nehmen, der die Notwendigkeit eines KI-Systems im Quellenbad selbst in Zweifel gezogen hat, und die noch offenen Fragen zur technischen und wirtschaftlichen Übertragbarkeit dieser Anschaffung in den Neubau auf dem Rhombus-Gelände zu klären.
Der Verweis auf Hagen ersetzt keine sachliche Begründung – er entwertet sie.
Bildnachweis: Canva


Schreibe einen Kommentar