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  • Stadtbild neu denken 

    Stadtbild neu denken 

    vom Tren­nen­den zum Gemein­sa­men – am Bei­spiel Wer­mels­kir­chen

    In Wer­mels­kir­chen wird in den letz­ten Wochen viel über das soge­nann­te „Stadt­bild“ gespro­chen, oft im Zusam­men­hang mit Migra­ti­on. Aus­sa­gen wie die von Fried­rich Merz, der „Migra­ti­on“ mit einem ver­än­der­ten Stadt­bild ver­knüpft hat, haben zu hit­zi­gen Debat­ten geführt. Der Jesu­it Ans­gar Wie­den­haus nann­te die­se Aus­sa­ge „absurd und gefähr­lich“, weil sie ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem auf Men­schen redu­ziert – auf das, was sicht­bar ist, nicht auf das, was tat­säch­lich gestal­tet wer­den kann. 

    In der Tat schwin­gen in die­ser gan­zen Dis­kus­si­ons-Kako­pho­nie Begrif­fe mit, die tren­nen statt ver­bin­den. Die Debat­ten– ob in sozia­len Medi­en oder in per­sön­li­chen Gesprä­chen – zei­gen, wie schnell sich hin­ter dem Wort „Stadt­bild“ ein enges Bild ver­fes­ti­gen kann, in dem Migra­ti­on, Her­kunft oder äuße­res Erschei­nungs­bild und Haut­far­be eine zu gro­ße Rol­le spie­len. Doch das greift zu kurz. 

    Unser Stadt­bild ist weit mehr als das, was man auf den ers­ten Blick sieht. Es ist Aus­druck unse­res Mit­ein­an­ders, unse­rer Ver­ant­wor­tung für­ein­an­der und unse­rer Bereit­schaft, die eige­ne Umge­bung zu gestal­ten und zu pfle­gen.

    Das Stadt­bild einer Stadt ent­steht nicht durch ein­zel­ne Men­schen oder Grup­pen, son­dern durch das Zusam­men­spiel vie­ler Kräf­te. Es lebt von gepfleg­ten Stra­ßen und Plät­zen, von funk­tio­nie­ren­den Ein­rich­tun­gen und einer Atmo­sphä­re, in der man sich sicher und will­kom­men fühlt. Es lebt auch davon, wie Men­schen mit­ein­an­der umge­hen, ob sie Ver­ant­wor­tung über­neh­men und ob sie bereit sind, sich ein­zu­brin­gen. Wenn wir über das Stadt­bild spre­chen, dann dür­fen wir es nicht auf das Äuße­re von Men­schen redu­zie­ren. 

    Denn wer die Idee vom Stadt­bild auf Her­kunft oder kul­tu­rel­le Unter­schie­de beschränkt, ver­liert den Blick für das, was eine Stadt wirk­lich prägt: ihr gemein­sa­mes Han­deln, ihr Zusam­men­halt und ihre gegen­sei­ti­ge Wert­schät­zung.

    In Wer­mels­kir­chen zeigt sich bei­des – das Sicht­ba­re und das Unsicht­ba­re. Sicht­bar sind manch­mal Din­ge, die uns stö­ren: eine gesperr­te Brü­cke, die seit Jah­ren unge­nutzt als Rui­ne im Eif­gen­tal bleibt, über­füll­te Abfall­be­häl­ter (zumin­dest zum Ende der Woche), acht­los weg­ge­wor­fe­ne Ziga­ret­ten­stum­mel, die sich häss­lich und umwelt­schädlch in den Fugen des Asphalts sam­meln oder Park­plät­ze, die in ihrer Knapp­heit lan­ge belegt sind (wäh­rend in der Tief­ga­ra­ge oder am neu­en Park­platz bei der Feu­er­wehr genü­gend Raum wäre). 

    Sol­che all­täg­li­chen Details beein­flus­sen unser Gefühl für die Stadt. Unsicht­bar bleibt dage­gen oft das, was im Stil­len geschieht: die Men­schen, die Grün­flä­chen pfle­gen, die Nach­barn, die Blu­men­käs­ten bepflan­zen, die Ver­ei­ne, die Ver­an­stal­tun­gen orga­ni­sie­ren, oder die Ehren­amt­li­chen, die sich für Kul­tur, Sport, Sozia­les und Umwelt ein­set­zen. Und die, die uner­müd­lich Men­schen hel­fen, die in Not sind, die aus der Frem­de kom­men, die auf der Flucht sind, die Schutz suchen. Die­se all­täg­li­chen Bei­trä­ge for­men das wah­re Bild unse­rer Stadt – eines, das sich aus Für­sor­ge, Enga­ge­ment und Gemein­schaft zusam­men­setzt.

    Gera­de dar­in liegt der Weg aus der Pola­ri­sie­rung. Wer den Begriff „Stadt­bild“ ver­engt, läuft Gefahr, Men­schen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len, statt Ver­ant­wor­tung zu tei­len. Wenn der Bun­des­kanz­ler Fried­rich Merz dazu auf­ruft, man sol­le doch ein­mal „unse­re Töch­ter fra­gen, wie das Stadt­bild aus­sieht und was man da ändern kön­ne“, dann offen­bart sich dar­in weni­ger eine Sor­ge um die Stadt als viel­mehr ein Miss­trau­en gegen­über denen, die sie mit­ge­stal­ten. Eine sol­che Aus­sa­ge lenkt den Blick auf Äußer­lich­kei­ten und auf das, was trennt – nicht auf das, was ver­bin­det.

    Gera­de des­halb soll­ten wir den Begriff „Stadt­bild“ wie­der öff­nen und ihn als gemein­sa­me Auf­ga­be ver­ste­hen. Es geht nicht dar­um, Schul­di­ge zu fin­den oder Grup­pen in Fra­ge zu stel­len, son­dern dar­um, gemein­sam zu über­le­gen, wie wir unse­re Stadt schö­ner, siche­rer und leben­di­ger gestal­ten kön­nen. Stadt­bild bedeu­tet dann nicht Abgren­zung, son­dern Ein­la­dung – die Ein­la­dung, mit­zu­den­ken, mit­zu­ma­chen und Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, unab­hän­gig davon, woher wir kom­men, wie wir aus­se­hen oder wie lan­ge wir schon hier leben.

    Ein Blick auf die Viel­zahl der Ver­ei­ne und Initia­ti­ven in Wer­mels­kir­chen zeigt, wie groß die Bereit­schaft ist, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Ob in der Kul­tur, im Sport, im sozia­len Bereich oder in der Nach­bar­schafts­hil­fe – über­all enga­gie­ren sich Men­schen, um die Stadt lebens­wer­ter zu machen. Die schei­den­de Bür­ger­meis­te­rin Mari­on Holt­haus hat die­ses Enga­ge­ment als den „Kitt unse­rer Gemein­schaft“ bezeich­net, und genau das ist es: das ver­bin­den­de Ele­ment, das aus Ein­zel­nen eine Stadt­ge­mein­schaft macht.

    Das Stadt­bild von Wer­mels­kir­chen ist kein fes­tes Abbild und kein Urteil über Men­schen. Es ist ein leben­di­ger Pro­zess, der zeigt, wie wir mit­ein­an­der umge­hen, wie wir Ver­ant­wor­tung über­neh­men und wie sehr wir unse­re Umge­bung wert­schät­zen. Wenn wir das The­ma so ver­ste­hen, kann aus einem Begriff, der in den letz­ten Wochen zu tren­nen schien, wie­der einer wer­den, der ver­bin­det. Denn ein gepfleg­tes, lebens­wer­tes Stadt­bild ent­steht dort, wo Men­schen sich küm­mern – nicht dort, wo man Schuld ver­teilt.

    Bild­nach­weis: pri­vat Klaus Ulin­ski