Schlagwort: Eigenverantwortung

  • Ein Krankenhaus in „Eigenverantwortung“ – Versorgung vor Ort?!

    Ein Krankenhaus in „Eigenverantwortung“ – Versorgung vor Ort?!

    Als Bür­ger von Wer­mels­kir­chen, der seit 2005 im Gesund­heits­we­sen tätig ist, ver­fol­ge ich die aktu­el­le Ent­wick­lung unse­res Kran­ken­hau­ses mit gro­ßer Auf­merk­sam­keit.

    Die zen­tra­len Her­aus­for­de­run­gen sind seit Jah­ren bekannt: Eine Inves­ti­ti­ons­lü­cke von rund 29 Mil­li­ar­den Euro, eine Unter­de­ckung der Betriebs­kos­ten um fast 40 Pro­zent seit 2010, Jah­res­ver­lus­te bei etwa 80 Pro­zent der Kli­ni­ken und eine zuneh­men­de Zahl von Insol­ven­zen, ins­be­son­de­re bei frei­ge­mein­nüt­zi­gen Trä­gern. Die Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung in Deutsch­land steht damit unter erheb­li­chem Druck.

    Die neue Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­rin Nina War­ken führt hier­zu Gesprä­che, was grund­sätz­lich posi­tiv zu bewer­ten ist. Gleich­zei­tig wird jedoch deut­lich, dass struk­tu­rel­le Pro­ble­me nicht allein durch kurz­fris­ti­ge Maß­nah­men zu lösen sind. Wenn bei­spiels­wei­se 1,8 Mil­li­ar­den Euro aus dem Kran­ken­haus­be­reich abge­zo­gen wer­den, um die Kran­ken­kas­sen zu ent­las­ten, führt das letzt­lich zu wei­te­ren Belas­tun­gen im sta­tio­nä­ren Sek­tor.

    Am 30. Okto­ber 2025 hat also das Kran­ken­haus Wer­mels­kir­chen beim Amts­ge­richt Köln die vor­läu­fi­ge Eigen­ver­wal­tung bean­tragt – ein Schritt, der die schwie­ri­ge wirt­schaft­li­che Lage wider­spie­gelt. Für die Mit­ar­bei­ten­den bedeu­tet dies zunächst, dass die Löh­ne über Insol­venz­geld für drei Mona­te gesi­chert sind, wäh­rend die Geschäfts­füh­rung ver­sucht, neue Part­ner zu fin­den und den Betrieb fort­zu­füh­ren.

    Ein mög­li­cher Lösungs­weg schien die Über­nah­me durch das Kli­ni­kum Lever­ku­sen zu sein. Seit Mai 2025 wur­de die­se Opti­on geprüft, um die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung in der Regi­on zu sta­bi­li­sie­ren und Syn­er­gien zu nut­zen. Nach Zustim­mung durch Auf­sichts­rat, Stadt­rat und Kreis­tag erfolg­te eine detail­lier­te Ana­ly­se, die unter ande­rem Ver­sor­gungs­struk­tu­ren, Abläu­fe und Arbeits­be­din­gun­gen betrach­te­te. Eine sol­che Koope­ra­ti­on hät­te eine nach­hal­ti­ge Per­spek­ti­ve für unse­ren Stand­ort schaf­fen kön­nen.

    Das Ver­fah­ren der Eigen­ver­wal­tung soll nun hel­fen, den Betrieb eigen­ver­ant­wort­lich zu sanie­ren, aller­dings unter gericht­li­cher Auf­sicht. Die­ses Instru­ment gibt dem Kran­ken­haus die Mög­lich­keit, Struk­tu­ren zu über­ar­bei­ten und wirt­schaft­lich trag­fä­hi­ge Lösun­gen zu ent­wi­ckeln.

    Den­noch steht fest: Die finan­zi­el­len Pro­ble­me in Wer­mels­kir­chen sind kein Ein­zel­fall.

    Die Kran­ken­haus­re­form in Nord­rhein-West­fa­len hat – par­al­lel zur bun­des­wei­ten Reform – erheb­li­chen Ein­fluss auf die wirt­schaft­li­che Situa­ti­on vie­ler Häu­ser. Ziel ist eine Spe­zia­li­sie­rung der Kli­ni­ken und eine Kon­zen­tra­ti­on medi­zi­ni­scher Leis­tun­gen, um Qua­li­tät und Effi­zi­enz zu erhö­hen. In der prak­ti­schen Umset­zung führt das jedoch oft zu sin­ken­den Ein­nah­men und höhe­ren struk­tu­rel­len Risi­ken, vor allem für klei­ne­re Häu­ser im länd­li­chen Raum.

    In NRW neh­men die Insol­venz­fäl­le zu. Bereits im Janu­ar 2025 mel­de­ten meh­re­re DRK-Kli­ni­ken Insol­venz an, 2024 muss­ten meh­re­re Stand­or­te der Kplus Grup­pe schlie­ßen, und nun steht auch das Kran­ken­haus Wer­mels­kir­chen vor einer unge­wis­sen Zukunft. Die Kran­ken­haus­ge­sell­schaft NRW warnt seit Lan­gem vor die­ser Ent­wick­lung und for­dert eine ver­läss­li­che finan­zi­el­le Unter­stüt­zung, um den Über­gang in die neue Ver­sor­gungs­struk­tur zu über­brü­cken.

    Poli­tisch bleibt die Lage kom­plex: Das Land NRW ver­han­delt mit Insol­venz­ver­wal­tern über aus­ste­hen­de Mit­tel, wäh­rend auf Bun­des­ebe­ne wei­ter­hin auf die lang­fris­ti­gen Chan­cen der Reform ver­wie­sen wird. Der ehe­ma­li­ge Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach beton­te, dass die Reform den Kli­ni­ken Per­spek­ti­ven eröff­nen kön­ne, die sich im neu­en Sys­tem behaup­ten. Die Fra­ge bleibt jedoch, wie sich der nord­rhein-west­fä­li­sche Gesund­heits­mi­nis­ter Karl-Josef Lau­mann zu die­ser Situa­ti­on posi­tio­niert und wel­che kurz­fris­ti­gen Hil­fen das Land leis­ten kann.

    Als Bür­ger und jemand, der seit vie­len Jah­ren in der Bran­che arbei­tet, stel­le ich mir die Fra­ge, wie eine flä­chen­de­cken­de, qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Ver­sor­gung auch künf­tig sicher­ge­stellt wer­den kann. Spe­zia­li­sie­rung kann sinn­voll sein, wenn sie plan­voll umge­setzt wird – aber sie darf nicht dazu füh­ren, dass Regio­nen wie unse­re ihre wohn­ort­na­he medi­zi­ni­sche Grund­ver­sor­gung ver­lie­ren.

    Die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen zei­gen, dass Reform­pro­zes­se Zeit und vor allem ver­läss­li­che Finan­zie­rung benö­ti­gen, damit Kran­ken­häu­ser, Mit­ar­bei­ten­de und Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten Pla­nungs­si­cher­heit haben.

    Bei­trags­bild: Phil­ipp Scholz