Mir fällt in letzter Zeit immer wieder etwas auf:
Es gibt Menschen, die mir mürrisch begegnen. Andere nehmen mich gar nicht wahr, gehen an mir vorbei, als sei ich Luft. Und dann gibt es die, die freundlich sind, aufmerksam, zuvorkommend – die, bei denen man sofort spürt: Die meinen es gut.
Dabei ist Höflichkeit keineswegs nur ein Thema zum Beispiel in einer Kunden-Lieferanten-Beziehung. Oder in irgendeiner anderen geschäftlichen Beziehung. Sie gehört nicht nur in Konferenzräume oder an Schreibtische.
Höflichkeit funktioniert überall: im Alltag, im Supermarkt, auf der Straße – und ja, sogar hier im Forum.
Und sie kostet nichts.
Ein Lächeln ist frei.
Ein „Guten Tag“ belastet keinen Geldbeutel.
Jemandem die Tür aufhalten, einen Stuhl im Wartezimmer anbieten, wenn keiner frei ist, oder jemandem den Vortritt lassen – das alles sind Gesten, die nichts wegnehmen, aber etwas schenken: einen Moment menschlicher Wärme.
Was ist eigentlich „Höflichkeit“?
Wenn man darüber nachdenkt, wird es erstaunlich vielschichtig.
Höflichkeit ist mehr als eine Sammlung guter Manieren.
Sie ist ein Verhalten, das Respekt ausdrückt – eine Art sozialer Schmierstoff, der das Zusammenleben leichter macht. Ein Signal, das sagt: Ich sehe dich. Ich nehme Rücksicht.
Der Wortursprung führt tatsächlich an den alten „Hof“ zurück – dorthin, wo man sich zu benehmen hatte, um nicht negativ aufzufallen. Vielleicht tragen wir alle heute noch ein paar dieser höfischen Gepflogenheiten in uns, nur eben moderner und auf unsere Zeit angepasst.
Angeboren oder anerzogen?
Ist Höflichkeit etwas, womit man auf die Welt kommt?
Eher nicht.
Kinder sagen nicht automatisch „Bitte“ und „Danke“. Höflichkeit entsteht durch Vorbilder, durch Erziehung, durch das tägliche Miteinander. Natürlich gibt es Menschen, denen Empathie oder Zurückhaltung leichter fallen – aber die Höflichkeit selbst ist kulturell geprägt und wird gelernt.
Meine Oma sagte mir früher:
„Mach einen Diener, wenn du den Herrn begrüßt und ihm die Hand gibst.“
Ein Diener! Aus heutiger Sicht wirkt das beinahe theatralisch. Höflich? Vielleicht. Zeitgemäß? Wohl eher nicht. Aber der Kern bleibt: Es ging ihr darum, Respekt zu vermitteln.
Höflichkeit als Spiegel der Gesellschaft
Interessant wird es, wenn man Höflichkeit nicht nur individuell, sondern gesellschaftlich betrachtet.
Psychologen und Soziologen sind sich einig:
In einer Gesellschaft, in der Menschen einander höflich begegnen, ist das Grundvertrauen höher. Weniger Konflikte. Mehr Wohlbefinden.
Mehr das Gefühl, miteinander statt gegeneinander zu leben.
Höflichkeit ist damit fast so etwas wie die Wetterlage der Gesellschaft – ein Indikator für das soziale Klima.
Wo Höflichkeit fehlt, fehlt häufig auch etwas anderes: Zeit, Kraft, Gelassenheit. Unhöflichkeit wächst dort, wo Menschen überlastet, gestresst oder frustriert sind. Mangelnde Rücksicht ist oft ein Symptom einer überhitzten, müden oder unglücklichen Gesellschaft.
Macht Höflichkeit glücklicher?
Vieles spricht dafür.
Studien zeigen, dass kleine Gesten der Freundlichkeit die Stimmung heben – sowohl bei dem, der sie empfängt, als auch bei dem, der sie schenkt.
Höflichkeit ist also nicht nur ein Akt sozialer Konvention, sondern trägt auch zu unserem Wohlbefinden bei.
Vielleicht macht gelebte Höflichkeit eine Gesellschaft tatsächlich etwas glücklicher.
Und gelebte Unachtsamkeit – dieses „Jeder für sich“ – könnte ein Zeichen dafür sein, dass eine Gesellschaft etwas von ihrer inneren Balance verloren hat.
Und nun?
Vielleicht sollten wir Höflichkeit nicht als Pflicht verstehen, nicht als Regelbuch und nicht als Überbleibsel höfischer Zeiten.
Sondern als etwas Kleines, Gutes, Alltagsnahes.
Etwas, das wir einander schenken können, ohne dass es uns etwas kostet.
Vielleicht beginnt Höflichkeit damit, dass wir einander wieder sehen.
Ein Lächeln. Ein Gruß.
Ein kleiner Moment der Aufmerksamkeit.
Eine Frage der Höflichkeit.
Bild: Klaus Ulinski Canva


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