Die Telegrafenstraße ist eine riesige Bühne mit permanent wechselnden Programmhöhepunkten
Dieser Beitrag ist ein Experiment, genau genommen ein KI-Experiment, denn die Glosse habe ich ziemlich genau vor sechs Jahren (22.12.2019) schon einmal im Forum veröffentlicht. Nun habe ich von der KI die vergangenen Jahre “drüberlaufen” lassen. Erstens, um zu prüfen, ob meine beschränkte natürliche Intelligenz für die heutige Zeit noch ausreicht und in die Gesellschaft passt, und zweitens welchen Unterschied die sechs vergangenen Jahre realer Stadtentwicklung Wermelskirchen für den Text machen. Ergebnis: Die KI hat nix, aber auch gar nix (außer den üblichen Rechtschreibfehlern) an dem Beitrag geändert. Einzig das Beitragsbild hat sich mit KI und Hilfe von Lutz Balschuweit verändert. So lebensecht und zutreffend konnte ich das damals nicht fotografieren!
Der Wermelskirchener Weihnachtsbaum am Markt strahlt und es gibt Zählscheine. Dann weihnachtet es nicht nur, sondern die Zeit der Jahresrückblicke ist gekommen.
Für mich ist es dieses Jahr einfach, denn mein Jahreshöhepunkt ist eine Erfahrung, die ich noch nie hatte, nämlich ein Schlüsselerlebnis, das Erlebnis vom Saulus zum Paulus zu werden. Was war passiert?
Ich hatte mir schon lange selbst gegenüber eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Niemals wollte ich die Außengastronomie in der Telegrafenstraße, z.B. im Eiscafé meiner Jugend nutzen. “Dann kann ich ja gleich meinen Cappuccino an der Autobahnraststätte mit Co2-Maske zu mir nehmen“, sagte ich immer zu mir selbst. Und dann das. Beim sonnigen Stadtspaziergang trifft man den guten Bekannten. Lange nicht gesehen, aus dem Pläuschchen wird schnell ein Plausch und: „Mensch, da können wir uns doch auch zum Kaffee setzten und plauschen“. Schon sitzt man da, wo man eigentlich nicht sitzen wollte, im Eiscafé, und das auch noch mit Super-Ausblick, strategisch optimal in alle Richtungen. Quasi auf einem unbezahlbaren Logenplatz.
Es dauert keine drei Minuten, und ich werde zum euphorisierten Paulus, Fan dieses für mich bislang undenkbaren Ortes. Das, was ich hier innerhalb einer Viertel Stunde geboten bekomme, kann mir kein Privatsender, keine Realityshow und kein Kabarett-Auftritt bieten.
Verwegene und originelle Fahrstile kann ich hautnah beobachten. Die unterschiedlichsten Fahrer-Typen sind zum Greifen nah. Der Verbissene, nicht rechts und links böse guckende, „warum verstellen mir die vielen Leute und Autos den Weg“-Fahrer. Steigerung hier der Aggressive, der am liebsten seine Pump-Gun aus dem Seitenfenster halten würde. Netter ist der Joviale zu beobachten, Fenster runtergedreht, möglichst noch lieb winkend „welcher Bekannte sitzt denn da, hat man denn wirklich mein neues Auto oder die neuen Felgen gesehen?“ Dazu das Ganze untermalt mit den unterschiedlichsten Musikrichtungen aus wahrscheinlich auch unterschiedlichsten Kulturkreisen, die aus den Autos heraus schallen.
Es bleibt kaum Zeit. Auf der gegenüberliegenden Seite der Telegrafenstraße startet das nächste Programm, das Park-Programm. Ein Highlight der Extraklasse. Da wechselt das Genre zwischen Drama und Slapstick. Natürlich gewinne ich die Wette mit mir selbst. Aus dem mühsamen, gefährlichen Einparkprozess eines SUV steigt tatsächlich die junge Mutter aus, die mit abenteuerlichen Turnübungen die Tochter aus dem Kindersitz vom Rücksitz nach außen bugsiert. Hoffentlich ist das Kind und der Nachbarwagen unversehrt geblieben.
Besonders toll der Auftritt eines „Younger-Older“-Paares mit SUV. Sportlich-elegant gelingt der Rückwärts-Einparkprozess – auf den Behindertenparkplatz. Während die „Younger-Older“-Lady gar nicht so behindert und zügig der Bäckerei‑, Fleischerei- oder Buchhandlungs-Area entgegensprintet, bewacht der „Younger-Older“-Mann im Drei-Streifen-Sportlook inclusive Nike-Cap den Behindertenparkplatz. Leider bleibt der Showdown mit der Politesse aus. Hätte mich interessiert, wie das ausgegangen wäre. Geschenkt, dass zwischendurch ein junges Mädchen ihren Wagen neben den „Younger-Older“-Sportschauspieler parkt, wo gar kein Parkplatz ist. Oder der VW-Busfahrer, der einfach mal quer parkt. Wäre aber eh egal gewesen, weil der Gesamtverkehr mittlerweile komplett zum Erliegen gekommen war. Der schwere Geländewagen (Wette schon wieder gewonnen!) vor der Bäckerei und die beiden Busse gegenüber, da hilft auch die Rettungsgasse für den anrückenden Notarztwagen nichts….
Hoffentlich kommt der nächste Sommer schnell. Der neue Paulus kann es kaum erwarten, zumal die neuen Erfahrungen auch beim Perspektivwechsel zum Autofahrer hilfreich sind. Aus den Einblicken als Zuschauer habe ich nettes Spiel entwickelt. Kann ich nur jedem Wermelskirchener Autofahrer empfehlen. Bei der Einfahrt in die Telegrafenstraße den Geschwindigkeitsbegrenzer (gibt es auch in SUVs) einfach mal auf 20 stellen. Schön in den Rückspiegel gucken und dann nur noch den Ausblick der nachfolgenden Autofahrer genießen. Herrlich!
Foto: Chat GPT


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