Bahndamm Wermelskirchen – Eine Chronik in 12 Teilen (3)

Teil 3 von 12 + 1

Provisorien, Kenkhausen und der Kampf um Räume

Nach dem Ver­lust der Vil­la Haus­mann stand die Rich­ter-Grup­pe Ende 1973 erneut vor dem Nichts.
Ein Jahr lang gab es kei­nen fes­ten Treff­punkt. Gesprä­che fan­den ver­streut statt, Grup­pen zer­fie­len zeit­wei­se, Ver­trau­en ging ver­lo­ren. Beson­ders deut­lich wur­de in die­ser Pha­se, wie zen­tral ein eige­ner Ort für die offe­ne Jugend­ar­beit war – nicht als Luxus, son­dern als Vor­aus­set­zung.

1974 eröff­ne­te sich mit dem Gelän­de der ehe­ma­li­gen Dorf­schu­le in Kenkhausen eine neue Mög­lich­keit. Die Stadt stell­te Räu­me zur Ver­fü­gung, aller­dings unter deut­lich schlech­te­ren Vor­aus­set­zun­gen als zuvor. Kenkhausen lag außer­halb des Zen­trums, schlecht erreich­bar, sozi­al iso­liert. Schon die Wahl des Ortes mach­te deut­lich, wie unge­liebt das Pro­jekt geblie­ben war.

Der Stand­ort hat­te Fol­gen. Für vie­le Jugend­li­che bedeu­te­te der Weg nach Kenkhausen einen sozia­len Rück­zug an den Stadt­rand. Das Zen­trum wur­de in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung zuneh­mend als Auf­fang­be­cken für „Pro­blem­ju­gend­li­che“ eti­ket­tiert. Eine Stig­ma­ti­sie­rung, gegen die sich die Betei­lig­ten zwar wehr­ten, der sie aber kaum etwas ent­ge­gen­set­zen konn­ten.

Trotz­dem wur­de auch Kenkhausen genutzt und gestal­tet. Wie­der wur­den Räu­me her­ge­rich­tet, Treff­punk­te orga­ni­siert, Ver­an­stal­tun­gen auf die Bei­ne gestellt – meist mit mini­ma­len finan­zi­el­len Mit­teln und viel Eigen­leis­tung. Die Grund­idee der Selbst­ver­wal­tung blieb erhal­ten, auch wenn sie durch räum­li­che und poli­ti­sche Ein­schrän­kun­gen immer wie­der aus­ge­bremst wur­de.

Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen ver­la­ger­ten sich zuneh­mend von der päd­ago­gi­schen Ebe­ne auf die poli­ti­sche. Fra­gen der Ver­ant­wor­tung, Finan­zie­rung und Kon­trol­le tra­ten in den Vor­der­grund. Gleich­zei­tig wuchs die Sze­ne wei­ter. Jugend­li­che kamen nicht nur wegen indi­vi­du­el­ler Bera­tung, son­dern wegen des Gemein­schafts­ge­fühls, wegen der Musik, der Dis­kus­sio­nen und der Mög­lich­keit, jen­seits von Schu­le und Ver­ein einen eige­nen Raum zu haben.

Ende der 1970er Jah­re spitz­te sich die Situa­ti­on erneut zu. Kenkhausen war als lang­fris­ti­ge Lösung unge­eig­net. Die räum­li­che Iso­la­ti­on, bau­li­che Män­gel und anhal­ten­de Kon­flik­te führ­ten dazu, dass das Zen­trum 1978 geschlos­sen wur­de. Wie­der stan­den die Betei­lig­ten ohne eige­nen Treff­punkt da – und wie­der wur­de deut­lich, wie brü­chig die Akzep­tanz selbst­ver­wal­te­ter Jugend­ar­beit in der Stadt war.

Doch auch die­se Pha­se hin­ter­ließ Spu­ren. Die Erfah­run­gen aus Kenkhausen schärf­ten das Bewusst­sein dafür, was ein künf­ti­ges Zen­trum leis­ten muss­te: zen­tra­le Lage, Eigen­stän­dig­keit, aus­rei­chend Platz – und mög­lichst wenig poli­ti­sche Gän­ge­lung. Gleich­zei­tig war klar gewor­den, dass sol­che Räu­me nicht ein­fach zur Ver­fü­gung gestellt wer­den wür­den.

Der Weg zu einem „rich­ti­gen“ Jugend­zen­trum war längst kei­ne päd­ago­gi­sche Fra­ge mehr. Er war zu einem poli­ti­schen Kon­flikt gewor­den.

Im nächs­ten Teil geht es um die­sen Wen­de­punkt:
Anfang der 1980er Jah­re, leer­ste­hen­de Fabrik­hal­len – und wie der Bahn­damm erst­mals kon­kret Gestalt annahm.

Bil­der: Jugend­in­itia­ti­ve Wer­mels­kir­chen e. V. / AJZ Bahn­damm

Tei­le der Bahn­damm Chro­nik:

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