Der Vorschlag des Kämmerers, die Grundsteuer B ab 2026 um 27 Prozent zu erhöhen, markiert einen Punkt, an dem die finanzielle Realität der Stadt Wermelskirchen nicht länger verdrängt werden kann. Das Eigenkapital schrumpft, die Ausgaben steigen, und ohne zusätzliche Einnahmen wird die Stadt ihre gesetzlichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können. Doch so zwingend diese Situation erscheint, bleibt eine zentrale Frage bestehen:
Wer trägt die Last – und wer trägt die Verantwortung?
Kommunale Einnahmen: Die Menschen und Unternehmen zahlen – nicht der Staat
Eine Stadt wie Wermelskirchen finanziert sich nicht aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit. Sie verkauft nichts, sie produziert nichts, sie erwirtschaftet keine Gewinne. Jede Einnahme stammt direkt oder indirekt von ihren Bürgerinnen, Bürgern und Betrieben. Von uns.
Ob Grundsteuer, Gewerbesteuer oder Anteile an Einkommens- und Umsatzsteuern – die Basis kommunaler Finanzen ist die Wertschöpfung vor Ort. Dasselbe gilt für Zuweisungen von Land und Bund, die ebenfalls aus den Steuern der Menschen stammen.
Und damit wird uns allen hier in Wermelskirchen klar: Jeder finanzielle Engpass der Stadt bedeutet letztlich einen wachsenden Druck auf die Gemeinschaft, die sie trägt. Und genau diesen Druck nutzen Populisten – hier vor Ort ebenso wie bundesweit –, um mit simplen Parolen, falschen Schuldzuweisungen und rechtsextremen, inhaltsleeren Botschaften Stimmung zu machen.
Wachsende Ausgaben, aber nicht aus lokalem Fehlverhalten
Die steigenden Ausgaben unserer Stadt sind nicht die Folge eines überzogenen Lebensstils oder politischer Abenteuerlust. Sie sind das Ergebnis jahrelanger Entscheidungen in Düsseldorf und Berlin, deren Konsequenzen bei den Kommunen landen.
Ob Sozialleistungen, Unterkunftskosten, Kinder- und Jugendhilfe, neue Standards in Kitas und Schulen, Digitalisierungspflichten, Gesundheits- und Ordnungsaufgaben oder Klimaschutzmaßnahmen – immer neue gesetzliche Anforderungen treffen die Kommunen, ohne dass dafür ausreichend Mittel bereitgestellt werden.
Für uns heißt das: Wermelskirchen muss zahlen, weil es gesetzlich dazu verpflichtet ist. Bund und Land geben vor, die Kommunen führen aus – aber oft ohne die notwendige Finanzierung.
Das ist keine solide Aufgabenteilung. Das ist eine strukturelle Kostenabwälzung.
Die Stimmen im Forum: Zwei Fraktionen, ein (fast) gemeinsamer Befund
Die Freien Wähler sprechen offen aus, was viele kommunale Finanzverantwortliche seit Jahren beklagen: Bund und Land erhöhen Standards, verpflichten zu neuen Leistungen und verschärfen gesetzliche Anforderungen, ohne die Kosten zu tragen. Sie betonen außerdem, dass der Anteil freiwilliger Leistungen im Haushalt verschwindend gering ist und Kürzungen dort kaum Entlastung bringen würden, aber erhebliche gesellschaftliche Schäden verursachen könnten.
Die SPD erkennt ebenfalls die Unvermeidbarkeit von Steueranpassungen an, betont jedoch den Anspruch an Gerechtigkeit und eine faire Lastenverteilung. Sie sieht die Notwendigkeit, nicht nur Einnahmen zu erhöhen, sondern auch sicherzustellen, dass Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Lebensqualität langfristig Früchte tragen und nicht einseitig bestimmte Bevölkerungsgruppen belastet werden.
Beide Positionen machen deutlich, dass das eigentliche Problem nicht im Rathaus liegt, sondern in der politischen Architektur über den Kommunen.
Steuererhöhungen sind nicht das Problem – die ungerechte Verantwortungsverteilung ist es
Wenn Kommunen über Steuererhöhungen diskutieren müssen, wird häufig so getan, als sei dies Ausdruck lokalen Scheiterns. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Stadt reagiert auf strukturelle Defizite, die sie nicht verursacht hat und allein nicht beheben kann.
Wermelskirchen steht exemplarisch für eine Situation, in der Kommunen gesetzlich verpflichtet werden, Aufgaben zu erfüllen, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Der Vorschlag, die Grundsteuer B um 27 Prozent zu erhöhen, ist deshalb nicht isoliert zu betrachten. Er ist Ausdruck eines Systems, das kommunale Verantwortung groß schreibt, aber die finanzielle Ausstattung klein hält.
Die Frage lautet daher nicht: Muss Wermelskirchen die Grundsteuer erhöhen?
Sie lautet eher: Wie können wir eine notwendige Erhöhung gerechter auf andere Steuerarten verteilen.
Und: Warum zwingt man die Kommunen überhaupt in diese Lage?
Gerechtigkeit entsteht nur, wenn Last und Verantwortung zusammengehören
Gerechtigkeit ist – das geht aus näherem Hinsehen durchaus hervor – ein weiter Begriff. Gerechtigkeit bedeutet nicht, Belastungen einfach zu verteilen. Sie bedeutet, sie dorthin zu legen, wo die Verantwortung liegt.
Innerhalb der Stadt heißt das, Erhöhungen nachvollziehbar und fair zu gestalten. Zwischen den Ebenen des Staates heißt das, dass Bund und Land endlich ihrer Verantwortung nachkommen müssen.
Wer Aufgaben vorgibt, muss auch für deren Finanzierung sorgen.
Wer Standards erhöht, darf die Kommunen nicht alleine lassen.
Wer soziale Pflichten verschärft, muss sie auch bezahlen.
Solange dies nicht geschieht, bleibt jede kommunale Steuererhöhung Ausdruck eines grundlegenden politischen Versagens – allerdings nicht auf kommunaler Ebene.
Eine gerechte Lösung verlangt mehr als höhere Hebesätze
Die Grundsteuererhöhung mag kurzfristig notwendig sein, doch sie löst kein einziges strukturelles Problem. Sie verschafft lediglich Zeit. Eine echte Lösung verlangt faire Rahmenbedingungen, eine ehrliche Finanzierung und eine Politik, die die Kommunen nicht länger als Erfüllungsgehilfen betrachtet, sondern als fundamentale Säule des Staates.
Gerechtigkeit entsteht erst dann, wenn die Stadt ihre Aufgaben erfüllen kann, ohne diejenigen übermäßig zu belasten, die das Gemeinwesen tagtäglich tragen: die Menschen und Unternehmen vor Ort.
Ein notwendiger Hinweis zum Schluss
Die finanzielle Lage unserer Stadt ist ernst, und jede Entscheidung über Steuern oder Ausgaben erzeugt spürbaren Druck – auf Eigentümerinnen und Eigentümer, auf Mieterinnen und Mieter, auf Unternehmen und auf die gesamte lokale Gemeinschaft. Dieser Druck ist real. Er verunsichert, er belastet, und er stellt das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse auf die Probe.
Genau dieser Druck wird regelmäßig von Populisten genutzt – hier in Wermelskirchen ebenso wie bundesweit.
Sie greifen komplexe finanzielle Entwicklungen auf, reißen sie aus dem Zusammenhang und verwandeln sie in einfache, aber falsche Erzählungen über „die da oben“ oder angebliche Verschwörungen gegen die Bürger.
Sie tun dies nicht, um Lösungen zu finden, sondern um die demokratische Mitte zu schwächen und ihren rechtsextremen, inhaltslosen und spaltenden Botschaften Raum zu verschaffen.
Umso wichtiger ist es, die tatsächlichen Ursachen unserer kommunalen Finanzlage klar zu benennen: die strukturelle Unterfinanzierung durch Bund und Land, die gesetzlich übertragenen Aufgaben ohne ausreichende Mittel und die politischen Rahmenbedingungen, die den Städten immer weniger Handlungsspielräume lassen. Nur wer diese Zusammenhänge versteht, kann sich gegen populistische Vereinfachungen wehren.
Demokratie lebt von Fakten, Verantwortung und Transparenz – nicht von Parolen.
Wermelskirchen braucht eine sachliche Diskussion darüber, wie wir die aktuelle Situation bewältigen und wie wir politischen Druck nicht zum Einfallstor für extremistische Narrative werden lassen.
Das Bewusstsein für diese Gefahr ist kein Nebenaspekt, sondern Teil einer verantwortungsvollen politischen Kultur, die unsere Stadt dringend braucht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein schönes und geruhsames Wochenende.
Ihr Klaus Ulinski
Bild: Klaus Ulinski


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