Eine Frage der Gerechtigkeit

Der Vor­schlag des Käm­me­rers, die Grund­steu­er B ab 2026 um 27 Pro­zent zu erhö­hen, mar­kiert einen Punkt, an dem die finan­zi­el­le Rea­li­tät der Stadt Wer­mels­kir­chen nicht län­ger ver­drängt wer­den kann. Das Eigen­ka­pi­tal schrumpft, die Aus­ga­ben stei­gen, und ohne zusätz­li­che Ein­nah­men wird die Stadt ihre gesetz­li­chen Ver­pflich­tun­gen nicht mehr erfül­len kön­nen. Doch so zwin­gend die­se Situa­ti­on erscheint, bleibt eine zen­tra­le Fra­ge bestehen:

Wer trägt die Last – und wer trägt die Ver­ant­wor­tung?

Kom­mu­na­le Ein­nah­men: Die Men­schen und Unter­neh­men zah­len – nicht der Staat

Eine Stadt wie Wer­mels­kir­chen finan­ziert sich nicht aus eige­ner wirt­schaft­li­cher Tätig­keit. Sie ver­kauft nichts, sie pro­du­ziert nichts, sie erwirt­schaf­tet kei­ne Gewin­ne. Jede Ein­nah­me stammt direkt oder indi­rekt von ihren Bür­ge­rin­nen, Bür­gern und Betrie­ben. Von uns.
Ob Grund­steu­er, Gewer­be­steu­er oder Antei­le an Ein­kom­mens- und Umsatz­steu­ern – die Basis kom­mu­na­ler Finan­zen ist die Wert­schöp­fung vor Ort. Das­sel­be gilt für Zuwei­sun­gen von Land und Bund, die eben­falls aus den Steu­ern der Men­schen stam­men.
Und damit wird uns allen hier in Wer­mels­kir­chen klar: Jeder finan­zi­el­le Eng­pass der Stadt bedeu­tet letzt­lich einen wach­sen­den Druck auf die Gemein­schaft, die sie trägt. Und genau die­sen Druck nut­zen Popu­lis­ten – hier vor Ort eben­so wie bun­des­weit –, um mit simp­len Paro­len, fal­schen Schuld­zu­wei­sun­gen und rechts­extre­men, inhalts­lee­ren Bot­schaf­ten Stim­mung zu machen.

Wach­sen­de Aus­ga­ben, aber nicht aus loka­lem Fehl­ver­hal­ten

Die stei­gen­den Aus­ga­ben unse­rer Stadt sind nicht die Fol­ge eines über­zo­ge­nen Lebens­stils oder poli­ti­scher Aben­teu­er­lust. Sie sind das Ergeb­nis jah­re­lan­ger Ent­schei­dun­gen in Düs­sel­dorf und Ber­lin, deren Kon­se­quen­zen bei den Kom­mu­nen lan­den.

Ob Sozi­al­leis­tun­gen, Unter­kunfts­kos­ten, Kin­der- und Jugend­hil­fe, neue Stan­dards in Kitas und Schu­len, Digi­ta­li­sie­rungs­pflich­ten, Gesund­heits- und Ord­nungs­auf­ga­ben oder Kli­ma­schutz­maß­nah­men – immer neue gesetz­li­che Anfor­de­run­gen tref­fen die Kom­mu­nen, ohne dass dafür aus­rei­chend Mit­tel bereit­ge­stellt wer­den.

Für uns heißt das: Wer­mels­kir­chen muss zah­len, weil es gesetz­lich dazu ver­pflich­tet ist. Bund und Land geben vor, die Kom­mu­nen füh­ren aus – aber oft ohne die not­wen­di­ge Finan­zie­rung.

Das ist kei­ne soli­de Auf­ga­ben­tei­lung. Das ist eine struk­tu­rel­le Kos­ten­ab­wäl­zung.

Die Stim­men im Forum: Zwei Frak­tio­nen, ein (fast) gemein­sa­mer Befund

Die Frei­en Wäh­ler spre­chen offen aus, was vie­le kom­mu­na­le Finanz­ver­ant­wort­li­che seit Jah­ren bekla­gen: Bund und Land erhö­hen Stan­dards, ver­pflich­ten zu neu­en Leis­tun­gen und ver­schär­fen gesetz­li­che Anfor­de­run­gen, ohne die Kos­ten zu tra­gen. Sie beto­nen außer­dem, dass der Anteil frei­wil­li­ger Leis­tun­gen im Haus­halt ver­schwin­dend gering ist und Kür­zun­gen dort kaum Ent­las­tung brin­gen wür­den, aber erheb­li­che gesell­schaft­li­che Schä­den ver­ur­sa­chen könn­ten.

Die SPD erkennt eben­falls die Unver­meid­bar­keit von Steu­er­an­pas­sun­gen an, betont jedoch den Anspruch an Gerech­tig­keit und eine fai­re Las­ten­ver­tei­lung. Sie sieht die Not­wen­dig­keit, nicht nur Ein­nah­men zu erhö­hen, son­dern auch sicher­zu­stel­len, dass Inves­ti­tio­nen in Bil­dung, Infra­struk­tur und Lebens­qua­li­tät lang­fris­tig Früch­te tra­gen und nicht ein­sei­tig bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen belas­tet wer­den.

Bei­de Posi­tio­nen machen deut­lich, dass das eigent­li­che Pro­blem nicht im Rat­haus liegt, son­dern in der poli­ti­schen Archi­tek­tur über den Kom­mu­nen.

Steu­er­erhö­hun­gen sind nicht das Pro­blem – die unge­rech­te Ver­ant­wor­tungs­ver­tei­lung ist es

Wenn Kom­mu­nen über Steu­er­erhö­hun­gen dis­ku­tie­ren müs­sen, wird häu­fig so getan, als sei dies Aus­druck loka­len Schei­terns. Doch das Gegen­teil ist der Fall: Die Stadt reagiert auf struk­tu­rel­le Defi­zi­te, die sie nicht ver­ur­sacht hat und allein nicht behe­ben kann.

Wer­mels­kir­chen steht exem­pla­risch für eine Situa­ti­on, in der Kom­mu­nen gesetz­lich ver­pflich­tet wer­den, Auf­ga­ben zu erfül­len, deren Finan­zie­rung nicht gesi­chert ist. Der Vor­schlag, die Grund­steu­er B um 27 Pro­zent zu erhö­hen, ist des­halb nicht iso­liert zu betrach­ten. Er ist Aus­druck eines Sys­tems, das kom­mu­na­le Ver­ant­wor­tung groß schreibt, aber die finan­zi­el­le Aus­stat­tung klein hält.

Die Fra­ge lau­tet daher nicht: Muss Wer­mels­kir­chen die Grund­steu­er erhö­hen?
Sie lau­tet eher: Wie kön­nen wir eine not­wen­di­ge Erhö­hung gerech­ter auf ande­re Steu­er­ar­ten ver­tei­len. 

Und: War­um zwingt man die Kom­mu­nen über­haupt in die­se Lage?

Gerech­tig­keit ent­steht nur, wenn Last und Ver­ant­wor­tung zusam­men­ge­hö­ren

Gerech­tig­keit ist – das geht aus nähe­rem Hin­se­hen durch­aus her­vor – ein wei­ter Begriff. Gerech­tig­keit bedeu­tet nicht, Belas­tun­gen ein­fach zu ver­tei­len. Sie bedeu­tet, sie dort­hin zu legen, wo die Ver­ant­wor­tung liegt.

Inner­halb der Stadt heißt das, Erhö­hun­gen nach­voll­zieh­bar und fair zu gestal­ten. Zwi­schen den Ebe­nen des Staa­tes heißt das, dass Bund und Land end­lich ihrer Ver­ant­wor­tung nach­kom­men müs­sen.

Wer Auf­ga­ben vor­gibt, muss auch für deren Finan­zie­rung sor­gen.

Wer Stan­dards erhöht, darf die Kom­mu­nen nicht allei­ne las­sen.

Wer sozia­le Pflich­ten ver­schärft, muss sie auch bezah­len.

Solan­ge dies nicht geschieht, bleibt jede kom­mu­na­le Steu­er­erhö­hung Aus­druck eines grund­le­gen­den poli­ti­schen Ver­sa­gens – aller­dings nicht auf kom­mu­na­ler Ebe­ne.

Eine gerech­te Lösung ver­langt mehr als höhe­re Hebe­sät­ze

Die Grund­steu­er­erhö­hung mag kurz­fris­tig not­wen­dig sein, doch sie löst kein ein­zi­ges struk­tu­rel­les Pro­blem. Sie ver­schafft ledig­lich Zeit. Eine ech­te Lösung ver­langt fai­re Rah­men­be­din­gun­gen, eine ehr­li­che Finan­zie­rung und eine Poli­tik, die die Kom­mu­nen nicht län­ger als Erfül­lungs­ge­hil­fen betrach­tet, son­dern als fun­da­men­ta­le Säu­le des Staa­tes.

Gerech­tig­keit ent­steht erst dann, wenn die Stadt ihre Auf­ga­ben erfül­len kann, ohne die­je­ni­gen über­mä­ßig zu belas­ten, die das Gemein­we­sen tag­täg­lich tra­gen: die Men­schen und Unter­neh­men vor Ort.

Ein not­wen­di­ger Hin­weis zum Schluss

Die finan­zi­el­le Lage unse­rer Stadt ist ernst, und jede Ent­schei­dung über Steu­ern oder Aus­ga­ben erzeugt spür­ba­ren Druck – auf Eigen­tü­me­rin­nen und Eigen­tü­mer, auf Mie­te­rin­nen und Mie­ter, auf Unter­neh­men und auf die gesam­te loka­le Gemein­schaft. Die­ser Druck ist real. Er ver­un­si­chert, er belas­tet, und er stellt das Ver­trau­en in poli­ti­sche Ent­schei­dungs­pro­zes­se auf die Pro­be.

Genau die­ser Druck wird regel­mä­ßig von Popu­lis­ten genutzt – hier in Wer­mels­kir­chen eben­so wie bun­des­weit.

Sie grei­fen kom­ple­xe finan­zi­el­le Ent­wick­lun­gen auf, rei­ßen sie aus dem Zusam­men­hang und ver­wan­deln sie in ein­fa­che, aber fal­sche Erzäh­lun­gen über „die da oben“ oder angeb­li­che Ver­schwö­run­gen gegen die Bür­ger.

Sie tun dies nicht, um Lösun­gen zu fin­den, son­dern um die demo­kra­ti­sche Mit­te zu schwä­chen und ihren rechts­extre­men, inhalts­lo­sen und spal­ten­den Bot­schaf­ten Raum zu ver­schaf­fen.

Umso wich­ti­ger ist es, die tat­säch­li­chen Ursa­chen unse­rer kom­mu­na­len Finanz­la­ge klar zu benen­nen: die struk­tu­rel­le Unter­fi­nan­zie­rung durch Bund und Land, die gesetz­lich über­tra­ge­nen Auf­ga­ben ohne aus­rei­chen­de Mit­tel und die poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen, die den Städ­ten immer weni­ger Hand­lungs­spiel­räu­me las­sen. Nur wer die­se Zusam­men­hän­ge ver­steht, kann sich gegen popu­lis­ti­sche Ver­ein­fa­chun­gen weh­ren.

Demo­kra­tie lebt von Fak­ten, Ver­ant­wor­tung und Trans­pa­renz – nicht von Paro­len.

Wer­mels­kir­chen braucht eine sach­li­che Dis­kus­si­on dar­über, wie wir die aktu­el­le Situa­ti­on bewäl­ti­gen und wie wir poli­ti­schen Druck nicht zum Ein­falls­tor für extre­mis­ti­sche Nar­ra­ti­ve wer­den las­sen.

Das Bewusst­sein für die­se Gefahr ist kein Neben­aspekt, son­dern Teil einer ver­ant­wor­tungs­vol­len poli­ti­schen Kul­tur, die unse­re Stadt drin­gend braucht.

In die­sem Sin­ne wün­sche ich Ihnen, lie­be Lese­rin­nen und Leser, ein schö­nes und geruh­sa­mes Wochen­en­de.

Ihr Klaus Ulin­ski

Bild: Klaus Ulin­ski






Kommentare

12 Antworten zu „Eine Frage der Gerechtigkeit“

  1. Avatar von Stefan Janosi
    Stefan Janosi

    Seit lan­gem hier wie­der eine inter­es­san­te Dis­kus­si­on in der unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven über­wie­gend sach­lich vor­ge­tra­gen wur­den. Dafür erst­mal mein Respekt! Da die Dis­kus­si­on das ursprüng­li­che The­ma “Kom­mu­na­le Finan­zen” doch ver­las­sen hat, erlaub ich daher zwei Aspek­te zum The­ma EU hin­zu­zu­fü­gen. Ja, natür­lich gibt es Reform­be­darf in der EU. aller­dings nicht im Rah­men der insti­tu­tio­nel­len Grund­ver­fas­sung der EU. Gra­de wir in D. sind als export­ori­en­tier­te Nati­on öko­no­misch stark abhän­gig vom frei­en Markt und frei­en Waren­gren­zen der EU. Immer­hin bewe­gen wir ca. 75% unse­rer Export inner­halb des EU-Bin­nen­markts. Umso dra­ma­ti­scher ist es, das natio­na­lis­ti­sche Bewe­gun­gen und Par­tei­en in ver­schie­de­nen Län­dern die Axt an die­ses Prin­zip legen wol­len. Auch inter­na­tio­nal gibt es mas­si­ve Bestre­bun­gen die EU zu spal­ten und in natio­na­le Ein­zel­staa­ten, und damit in die poli­ti­sche und öko­no­mi­sche Bedeu­tungs­lo­sig­keit zu trei­ben. Die­se Bestre­bun­gen wer­den aktu­ell mas­siv von den USA for­ciert, in dem gezielt rechts-natio­na­le Par­tei­en unter­stützt wer­den. Inter­es­san­ter­wei­se besitzt die­se Stra­te­gie eine gro­ße Schnitt­men­ge mit rus­si­schen Inter­es­sen die eben­falls bestimm­te Par­tei­en unter­stüt­zen. Für mich erstaun­lich das die­se sehr durch­sich­ti­ge Stra­te­gie, die durch Ver­öf­fent­li­chun­gen und Leaks von die­ser Woche, eine erschre­cken­de Aktua­li­tät erfah­ren, medi­al und poli­tisch kaum dis­ku­tiert wird.

  2. Avatar von Stephan Kauderer
    Stephan Kauderer

    Hal­lo Herr Ulin­ski, hal­lo Herr Reh­se, hal­lo Herr Bal­schu­weit,

    ich möch­te gar nicht tief in die Inhal­te ein­stei­gen, son­dern Ihnen ein­fach sagen, was die­se Dis­kus­si­on bei mir aus­ge­löst hat. Ich ver­fol­ge die Kom­mu­nal­po­li­tik und das For­umWK nun schon eine gan­ze Wei­le – oft mit einem Gefühl zwi­schen Frust und Resi­gna­ti­on. Und dann lese ich die­se Dis­kus­si­on und den­ke zum ers­ten Mal seit Lan­gem: Ja! Genau so müss­te es lau­fen.

    Eine ehr­li­che, fai­re, respekt­vol­le Aus­ein­an­der­set­zung zwei­er Men­schen mit unter­schied­li­chen Blick­win­keln ohne Schub­la­den, ohne Sti­che­lei­en, ohne die­se ermü­den­den Refle­xe, die man sonst so oft erlebt.

    Ich war vor Jah­ren auf Face­book als Leser aktiv, bis mich die poli­ti­sche “Dis­kus­si­ons­kul­tur” dort ein­fach mür­be gemacht hat. Zu platt, zu laut, zu wenig ech­tes Zuhö­ren. Irgend­wann war das für mich uner­träg­lich. Umso mehr hat mich die­se Dis­kus­si­on hier heu­te posi­tiv über­rascht.

    Herr Reh­se: Ich fin­de es wirk­lich stark, wie offen und trans­pa­rent Sie Ihre Posi­tio­nen for­mu­lie­ren. Auch wenn ich per­sön­lich den Groß­teil davon nicht tei­le, gefällt mir Ihre Ehr­lich­keit und Ihr Respekt für die Gegen­po­si­ti­on. Das ist sel­ten gewor­den. Bit­te blei­ben Sie unbe­dingt dabei, denn es macht Gesprä­che mög­lich, die sonst nie statt­fin­den wür­den. Und ganz offen: Ich habe Sie auf ande­ren Platt­for­men schon anders erlebt 😉 Umso beein­dru­cken­der fin­de ich Ihren Ton hier.

    Herr Ulin­ski: Ich habe gro­ßen Respekt davor, wie ruhig, sach­lich und gleich­zei­tig prä­zi­se Sie argu­men­tie­ren. Man merkt, dass Sie nicht nur ant­wor­ten, son­dern wirk­lich auf die Posi­tio­nen Ihres Gegen­übers ein­ge­hen. Genau das zeich­net eine gute Debat­te aus. Auch das fehlt lei­der so häu­fig! Bit­te also wei­ter so!

    Und Herr Bal­schu­weit: Ihr Kom­men­tar hat die Dis­kus­si­on für mich ein wenig aus dem Takt gebracht, weil er ein neu­es The­ma auf­macht, ohne an die lau­fen­den Argu­men­te anzu­knüp­fen. Bit­te neh­men Sie das nicht per­sön­lich – ich schät­ze Sie und Ihre Arbeit sehr. Ich möch­te nur tei­len, wie es auf mich als Leser wirkt: fast so, als wür­den Sie dane­ben­ste­hen und einen schnel­len Sei­ten­hieb ein­wer­fen, statt in die Tie­fe der Debat­te ein­zu­stei­gen.

    Mein per­sön­li­ches Fazit: Wir brau­chen genau sol­che Gesprä­che. Men­schen mit unter­schied­li­chen Rol­len, Mei­nun­gen, Erfah­run­gen, die mit­ein­an­der reden, statt sich gegen­sei­tig in Schub­la­den zu ste­cken. Und mal ehr­lich: Kein Mensch passt in eine ein­zi­ge Schub­la­de. Wenn über­haupt, dann in einen gan­zen Schrank. Und Schrän­ke haben bekannt­lich meh­re­re Schub­la­den. 😉

    1. Avatar von Henning Rehse
      Henning Rehse

      Dan­ke, und so macht die Dis­kus­si­on auch Spaß und bringt allen etwas 👍👍👍

  3. Avatar von Henning Rehse
    Henning Rehse

    Lie­ber Herr Ulin­ski,
    machen wir uns doch zunächst bei der Dis­kus­si­on ehr­lich:
    Zitie­re nie einen Exper­ten, der nicht Dei­ne Mei­nung unter­stützt.
    Beru­fe Dich nie auf Sta­tis­ti­ken, die nicht Dei­ne Posi­ti­on unter­mau­ern.
    Füge nie eine Umfra­ge an, die Du nicht grund­sätz­lich in Dei­nem Sin­ne inter­pre­tie­ren kannst.
    😉
    Die neu­trals­ten „Umfra­gen“ sind halt immer noch Wah­len und die spre­chen, wo demo­kra­tisch gewählt wird, eine ein­deu­ti­ge Spra­che. Und da hat Mit­te-Links in vie­len Län­dern kei­ne Mehr­heit – und in Deutsch­land halt auch nicht. Ist aber kein Pro­blem, man nimmt dann halt miss­lie­bi­gen Wäh­ler­wil­len und deren Abge­ord­ne­te ein­fach aus dem Spiel, indem die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten und Frak­tio­nen schlicht­weg ihres Rechts beraubt wer­den, über jedes The­ma aufs Neue zu bera­ten und sich Mehr­hei­ten zu suchen. Das ist nicht gut und nervt mehr und mehr die Bür­ger. Und man zählt vor­sichts­hal­ber eine Bun­des­tags­wahl trotz Unstim­mig­kei­ten nicht neu aus – könn­te ja die eige­ne Macht­ba­sis zer­stö­ren…
    Auch Ihr Hin­weis auf die 90er Jah­re und den Rück­spiel geht ins Lee­re:
    Ich unter­stel­le jedem, dass er eine gute Zukunft gestal­ten möch­te. Nur sind die Vor­stel­lun­gen, wie die­se Zukunft aus­se­hen soll und wie sie reicht wer­den soll, halt unter­schied­lich – wobei ich die­se Per­spek­ti­ven bewusst nicht mit gut oder schlecht klas­si­fi­zie­ren möch­te, son­dern danach, was die Men­schen wol­len oder nicht.
    Und hier sehe ich durch­aus einen über 95%-igen Grund­kon­sens:
    Die Zustim­mung zu Euro­pa mit all sei­nen Vor­tei­len ist rie­sig. Es bedarf aber einer Reform der EU, um Fehl­ent­wick­lun­gen zu begeg­nen. Mit die­ser Aus­sa­ge stel­le ich nicht Euro­pa in Fra­ge, son­dern möch­te es wei­ter­ent­wi­ckeln. Es geht nicht um die Fra­ge ob Euro­pa oder nicht, son­dern wie!
    Der Aus­stieg aus der Ver­bren­nung fos­si­ler Ener­gie­trä­ger ist drin­gend gebo­ten, nicht wegen des Kli­mas, son­dern weil die­se Ener­gie­trä­ger viel zu wert­voll sind, um ver­feu­ert zu wer­den. Das muss aber mit Augen­maß, tech­no­lo­gie­of­fen, bezahl­bar und die Men­schen mit­neh­mend sprich ihre per­sön­li­che Mobi­li­tät respek­tie­rend gesche­hen.
    Wir sind uns sicher­lich einig, dass alle Men­schen, die unver­schul­det in Not gera­ten sind, mit Trans­fer­leis­tun­gen gehol­fen wer­den muss. Unter­schie­de bestehen aller­dings, wie das Koor­di­na­ten­sys­tem betreffs der „unver­schul­de­ten Not“ ange­legt wird. Die „Ein­ge­bung“, dass Arbeit für mich nichts ist, ent­we­der als psy­chi­sche Stö­rung oder als nächs­te und höhe­re Stu­fe der per­sön­li­chen Selbst­ver­wirk­li­chung zu defi­nie­ren, trifft aber dann halt den Geschmack vie­ler Bür­ger nicht.
    Auch sind wir uns sicher­lich einig, dass wir Euro­pä­er in GÄNZE POLITISCH ver­folg­ten Men­schen Asyl gewäh­ren muss. Die Beto­nung – und hier ist dann die Einig­keit wahr­schein­lich war­um auch immer zu Ende – liegt aber auf POLITISCH Ver­folg­te und in GÄNZE. Das heißt, dass es euro­pa­weit ein­heit­li­che Stan­dards geben muss, sodass es kei­ne Anrei­ze gibt, das eine euro­päi­sche Land dem ande­ren vor­zu­zie­hen. Dar­über hin­aus muss jeder, der die Gast­freund­schaft miss­braucht und miss­ach­tet, kri­mi­nell wird, sofort abge­scho­ben wer­den. Eine aus wirt­schaft­li­chen Grün­den moti­vier­te Ein­wan­de­rung in die Sozi­al­sys­te­me muss unter­bun­den wer­den.
    Ande­rer­seits muss es aber auch ein prag­ma­ti­sches Sys­tem geben, wie Ein­wan­de­rung zur Arbeits­auf­nah­me ermög­licht wird.
    Abschlie­ßend noch ein Wort zum Ukrai­ne-Krieg, den ich aus tiefs­tem Her­zen ableh­ne und ver­ur­tei­le, aber ich bin auch Real­po­li­ti­ker genug um zu wis­sen, dass sich Russ­land nicht besie­gen las­sen wird, son­dern sei­ne seit über 20 Jah­ren zunächst nur war­nend for­mu­lier­ten Vor­stel­lun­gen umset­zen wird. Russ­land tut dies in sei­nem Vor­gar­ten Ukrai­ne genau­so wie Ame­ri­ka das in sei­nem sei­nem Hin­ter­hof Mit­tel­ame­ri­ka und Kari­bik getan hat und auch aktu­ell wei­ter tut bzw. tun wird. Das mag man bekla­gen, aber so funk­tio­niert die Welt halt lei­der. Ich fin­de es jedoch dop­pel­bö­dig, dass bestimm­te Kräf­te auf der einen Sei­te täg­lich die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne pro­pa­gie­ren und dabei auch unser Porte­mon­naie öff­nen, aber dann bit­te nur in einem Umfang und soweit, dass Ukrai­ner ihr Leben las­sen aber bit­te nicht einer von „uns“. Dann macht Euch auch hier ehr­lich und geht in die Ukrai­ne mit allem rein, was Ihr habt – kos­te es dann wirk­lich, was es wol­le. Aber dafür seid Ihr auch wie­der­um zu klug, weil Ihr wisst, dass die­ser Krieg nicht zuge­win­nen ist, weil eine Nie­der­la­ge allein Russ­lands nie­mals ein­tre­ten wür­de, son­dern zuvor kata­stro­pha­le glo­ba­le Fol­gen haben wür­de. Also: Schluss mit dem Krieg – bes­ser heu­te als Mor­gen!

  4. Avatar von Henning Rehse
    Henning Rehse

    Bei der im Gro­ßen und Gan­zen sicher­lich rich­ti­gen Betrach­tung der Lage und Dis­kus­si­on dar­über, darf aber auch das über­ge­ord­ne­te Umfeld und hier mei­ne ich die finan­zi­el­le Situa­ti­on von Bund und Län­dern ehr­li­cher­wei­se nicht aus­ge­blen­det wer­den.
    Woher soll das Geld für die Kom­mu­nen denn kom­men?
    Und ja, wenn hier die Fra­ge gestellt wird, lebt man über sei­ne Ver­hält­nis­se, kann die Ant­wort in Bezug auf Bund, Land wie auch Euro­pa nur ein kla­res Ja sein:
    Kli­ma­po­li­tik, Sozia­le Leis­tun­gen wie Bür­ger­geld, Kos­ten für Migra­ti­on, Ukrai­ne­krieg, Ener­gie­wen­de, Mobi­li­täts­wen­de etc. und die Kos­ten hier­für kann kei­ne Volks­wirt­schaft der Welt stem­men, so robust sie auch sein mag, noch zudem wenn sie sich durch ihre eige­ne Poli­tik sel­ber schwächt.

    Was jetzt folgt, soll eine nüch­ter­ne Betrach­tung der The­men sein, Fra­gen zu stel­len und der Ver­such Ant­wor­ten zu geben, auch wenn die­se sicher­lich vie­le anders und kon­tro­vers sehen.
    Ich habe nur eine Bit­te: Lasst uns die Dis­kus­si­on an den Sach­the­men füh­ren und nicht mit ideo­lo­gi­schen Tot­schlag­ar­gu­men­ten. Lasst uns ein­fach fest­stel­len, dass es zu The­men unter­schied­li­che Mei­nun­gen gibt und die­se nicht direkt zur Spal­tung der Gesell­schaft mit­tels irgend­wel­chen ideo­lo­gi­schen Schub­la­den­den­kens hoch­sti­li­sie­ren. Ein­fach mal eine Num­mer klei­ner…

    Es gab in der noch jun­gen und nicht so gefes­tig­ten Bun­des­re­pu­blik auch schon The­men, die extrem pola­ri­siert haben, ohne dass von den Prot­ago­nis­ten per­ma­nent End­zeit­stim­mung ver­brei­tet wur­de: West­bin­dung, Wie­der­be­waff­nung, Ost­po­li­tik, Stu­den­ten­be­we­gung, Kern­ener­gie, NATO-Dop­pel­be­schluss sei­en hier bei­spiel­haft genannt.

    War­um soll die Fra­ge nicht gestellt wer­den, ob es nicht mehr Sinn geben wür­de, den Kli­ma­wan­del und sei­ne Fol­gen dort anzu­ge­hen, wo die größ­ten Pro­ble­me bestehen und nicht mit Mil­li­ar­den und einer Zer­schla­gung unse­rer Wirt­schaft dafür zu kämp­fen, dass wir unse­re Emis­sio­nen von CO2 von 2% auf 1,8% redu­zie­ren, wäh­rend allein Indo­ne­si­en die­se Anstren­gung bin­nen weni­ger Mona­te durch Inbe­trieb­nah­me neu­er Anla­gen zunich­te macht?

    War­um ver­stän­di­gen wir uns nicht dar­auf, nur wirk­lich Ver­folg­te ins Asyl­ver­fah­ren auf­zu­neh­men und beglei­tend die ihnen gewähr­ten Leis­tun­gen auf einem Niveau, das dem Durch­schnitt der EU ent­spricht gewäh­ren. Allein letzt­ge­nann­te Maß­nah­me wür­de die Zah­len auf ein Bruch­teil redu­zie­ren, ohne dass irgend­wel­che Rechts­grund­sät­ze in Fra­ge gestellt oder geän­dert wer­den müss­ten.

    War­um gewäh­ren wir nicht Men­schen, die zu uns kom­men möch­ten, um ein­fach nur zu arbei­ten und somit auch in die Sozi­al­sys­te­me ein­zu­zah­len, den Zugang zu unse­rem Arbeits­markt? Arbeit haben wir wahr­lich genug!

    War­um zah­len wir Bür­ger­geld nur an die Emp­fän­ger, die objek­tiv wirk­lich nicht arbei­ten KÖNNEN?
    Der kom­plet­te Leis­tungs­weg­fall für alle, die nicht arbei­ten WOLLEN, wür­de sicher­lich einen gewal­ti­gen „Umden­kungs­pro­zess“ bei den Betrof­fe­nen aus­lö­sen.

    War­um soll es nicht mög­lich sein, in Euro­pa wie­der einen Zustand guter Nach­bar­schaft wie in den 90er Jah­ren hin­zu­be­kom­men? Natür­lich muss man dafür auch Rea­li­tä­ten und Inter­es­sen ALLER Betei­lig­ten aner­ken­nen. Gäbe das nicht mehr Sinn als Mil­li­ar­den in einen tod­brin­gen­den Krieg und eine wahn­sin­ni­ge Auf­rüs­tung und Mili­ta­ri­sie­rung zu ste­cken?

    Fin­det die „gro­ße“ Poli­tik zu die­sen The­men Lösun­gen, sind die für die Kom­mu­nen benö­tig­ten Gel­der in aus­rei­chen­der Grö­ße vor­han­den!

    1. Avatar von Klaus Ulinski

      Sehr geehr­ter Herr Reh­se,
      vie­len Dank für Ihren Bei­trag – aber eini­ge Ihrer The­sen ver­die­nen eine kri­ti­sche­re Betrach­tung, gera­de weil sie in eine Rich­tung wei­sen, die nicht nur rück­wärts­ge­wandt, son­dern auch gefähr­lich ver­ein­fa­chend ist.
      Sie beschwö­ren ein „Euro­pa der 90er Jah­re“, als sei der Rück­zug in natio­na­le Gren­zen und alte Struk­tu­ren ein rea­lis­ti­sches oder gar trag­fä­hi­ges Zukunfts­mo­dell. Doch unser Wohl­stand der letz­ten Jahr­zehn­te ist kein Zufall und schon gar kein Pro­dukt natio­na­ler Abschot­tung. Er beruht maß­geb­lich auf den Errun­gen­schaf­ten der EU: dem Bin­nen­markt, dem Euro, offe­nen Gren­zen und gemein­sa­mer wirt­schaft­li­cher Sta­bi­li­tät. Ohne die­se Grund­la­gen wäre Deutsch­land weit weni­ger wett­be­werbs­fä­hig, hät­te höhe­re Trans­ak­ti­ons­kos­ten und gerin­ge­re Absi­che­rung für Han­del und Inves­ti­tio­nen. Wir pro­fi­tie­ren tag­täg­lich von Euro­pa – öko­no­misch, poli­tisch, frie­dens­si­chernd.
      Genau­so rück­wärts­ge­wandt wirkt Ihre pau­scha­le Kri­tik an Ener­gie- und Inno­va­ti­ons­po­li­tik. Der Wohl­stand von mor­gen wird nicht durch das Fest­hal­ten an fos­si­len Tech­no­lo­gien ent­ste­hen, son­dern durch Inves­ti­tio­nen in erneu­er­ba­re Ener­gien, Digi­ta­li­sie­rung, Spei­cher­tech­no­lo­gien und kli­ma­neu­tra­le Pro­duk­ti­on. Wer heu­te noch auf alte tech­no­lo­gi­sche Pfa­de setzt, ris­kiert nicht nur die Wett­be­werbs­fä­hig­keit unse­rer Indus­trie, son­dern auch unse­re sicher­heits­po­li­ti­sche Unab­hän­gig­keit. Zukunft ent­steht durch Inno­va­ti­on – nicht durch das nost­al­gi­sche Fest­hal­ten an ges­tern.
      Beson­ders pro­ble­ma­tisch ist aller­dings Ihre Anspie­lung auf angeb­li­chen mas­sen­haf­ten Miss­brauch des Bür­ger­gelds. Die­se Behaup­tung hält einer Fak­ten­prü­fung nicht stand. Das Insti­tut der deut­schen Wirt­schaft (IW Köln), das wirk­lich nicht im Ver­dacht einer sozi­al­ro­man­ti­schen Schief­la­ge steht, hat selbst ermit­telt, dass durch stren­ge­re Sank­tio­nen oder schär­fe­re Kon­trol­len beim Bür­ger­geld weni­ger als 100 Mil­lio­nen Euro bun­des­weit ein­zu­spa­ren wären. Das ist, gemes­sen am Bun­des­haus­halt oder gar der kom­mu­na­len Finanz­pro­ble­me, nicht ein­mal ein Run­dungs­feh­ler. Und das IW betont zugleich, dass die­se mini­ma­len Ein­spar­po­ten­zia­le mit einem mas­siv höhe­ren Ver­wal­tungs­auf­wand erkauft wür­den – die Büro­kra­tie wür­de stei­gen, ohne dass sich ein rele­van­ter finan­zi­el­ler Effekt ein­stellt.
      Mit ande­ren Wor­ten:
      Die Bür­ger­geld-Debat­te wird poli­tisch auf­ge­bla­sen, hat aber fak­tisch kaum Bedeu­tung für kom­mu­na­le Haus­hal­te.
      Sie eig­net sich her­vor­ra­gend für popu­lis­ti­sche Empö­rung – aber nicht für seriö­se Poli­tik.

      Ähn­lich ver­hält es sich mit Ihrer indi­rek­ten Kri­tik an der Unter­stüt­zung der Ukrai­ne. Wer heu­te davon spricht, Euro­pa sol­le sich zurück­zie­hen oder „zurück­nor­ma­li­sie­ren“, igno­riert die geo­po­li­ti­sche Rea­li­tät. Die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne ist kein ideo­lo­gi­sches Pro­jekt, son­dern die der­zeit ein­zig ver­ant­wort­ba­re Opti­on, um unse­re demo­kra­ti­sche Ord­nung und unse­re Frei­heit zu ver­tei­di­gen. Ein Euro­pa, das einer ange­grif­fe­nen Demo­kra­tie die Unter­stüt­zung ver­wei­gert, ver­liert nicht nur sei­ne Glaub­wür­dig­keit, son­dern ris­kiert sei­ne eige­ne Sicher­heit.
      Kurz gesagt: Ihr Blick zurück ist mensch­lich ver­ständ­lich, aber poli­tisch untaug­lich.
      Wohl­stand, Sicher­heit und Frei­heit ent­ste­hen in einer ver­netz­ten Welt nur durch Koope­ra­ti­on, Inno­va­ti­on und Soli­da­ri­tät – nicht durch natio­na­le Nost­al­gie.
      Rück­wärts­ge­wandt­heit löst kei­ne Pro­ble­me.
      Euro­pa, Fort­schritt und Ver­ant­wor­tung sehr wohl.

      1. Avatar von Henning Rehse
        Henning Rehse

        Schau­en Sie Herr Ulin­ski, Sie haben eine Mei­nung, ich habe eine Mei­nung.
        Die trägt man vor und in der Demo­kra­tie wird dann gewählt.
        Wenn sich aber dann eine Mehr­heit für eine poli­ti­sche Grund­aus­rich­tung in der Wahl gefun­den hat, soll­te die­se auch respek­tiert wer­den und für die nächs­ten 4 Jah­re die Poli­tik der Regie­rung bestim­men.
        Und weil das nicht so ist, liegt hier der­zeit in Deutsch­land die Crux, die enor­me Gefah­ren für das gesam­te Land birgt.

      2. Avatar von Henning Rehse
        Henning Rehse

        Lie­ber Herr Ulin­ski, gestat­ten Sie mir noch einen Nach­trag:
        Ich respek­tie­re Ihre Sicht der Din­ge. Sie ist Ihre Vor­stel­lung, wie die Welt funk­tio­nie­ren soll­te.
        Das tut sie aber nicht, wie die aktu­el­le Lage zeigt.
        Hin­zu kommt, dass Ihre Vor­stel­lun­gen kei­ne Mehr­heit mehr haben, in Deutsch­land nicht, in Euro­pa nicht und glo­bal schon gar­nicht.
        Ins­be­son­de­re ein Teil der Deut­schen ist glo­bal unter­wegs wie ein Geis­ter­fah­rer auf der Auto­bahn: die 90% ent­ge­gen Kom­men­den blin­ken und hupen, sie glau­ben aber, alle ande­ren füh­ren falsch.

        1. Avatar von Lutz Balschuweit

          Vie­len Dank für Ihren Nach­trag.
          Als Betrei­ber von forumwk.de möch­te ich auf fol­gen­des hin­wei­sen:
          Unter­schied­li­che Sicht­wei­sen auf gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen sind nor­mal und Teil einer offe­nen Dis­kus­si­on. Das Forum ver­steht sich als Platt­form für die­sen Aus­tausch – nicht als Ort zur Fest­stel­lung, wel­che Auf­fas­sung „mehr­heits­fä­hig“ oder „rich­tig“ ist.

          1. Avatar von Henning Rehse
            Henning Rehse

            Ent­schul­di­gen Sie bit­te, Herr Bal­schu­weit, wenn ich unter­schwel­lig dar­auf hin­ge­wie­sen habe, dass Demo­kra­tie etwas mit Mehr­hei­ten zu tun hat; Ihr Hin­weis bestä­tigt jedoch einen in mir schon län­ger geheg­ten Ver­dacht, dass für bestimm­te Krei­se die Demo­kra­tie nur dann die bes­te Staats­form ist, wenn die Mehr­hei­ten so sind, wie man es sich wünscht.

          2. Avatar von Lutz Balschuweit

            Ich hal­te es für wich­tig, zwi­schen Mehr­heits­ent­schei­dun­gen und Mei­nungs­plu­ra­lis­mus zu unter­schei­den.
            Bei­des gehört zur Demo­kra­tie.
            Das Forum bie­tet Raum für unter­schied­li­che Posi­tio­nen – wei­ter­ge­hen­de Unter­stel­lun­gen möch­te ich hier nicht ver­tie­fen.

        2. Avatar von Klaus Ulinski

          Lie­ber Herr Reh­se,
          vie­len Dank für Ihren Nach­trag. Aber Ihre Aus­sa­ge, „mei­ne Vor­stel­lun­gen hät­ten kei­ne Mehr­heit mehr in Deutsch­land, in Euro­pa und glo­bal schon gar nicht“, wirft doch eine ent­schei­den­de Fra­ge auf: Von wel­chen Mehr­hei­ten spre­chen Sie eigent­lich?
          Es gibt in Deutsch­land kei­ne Mehr­heit, die sich ein „Euro­pa der 90er“, natio­na­le Abschot­tung, ein Zurück­dre­hen der Ener­gie­wen­de oder das Ende moder­ner Arbeits- und Sozi­al­po­li­tik wünscht. Es gibt auch kei­ne Mehr­heit, die glaubt, Wohl­stand lie­ße sich kon­ser­vie­ren, indem man Inno­va­tio­nen blo­ckiert oder inter­na­tio­na­le Soli­da­ri­tät ein­stellt. Im Gegen­teil: Die brei­te Mehr­heit will Kli­ma­schutz, will demo­kra­ti­sche Sta­bi­li­tät, will wirt­schaft­li­che Erneue­rung und will ein star­kes Euro­pa.
          Sie behaup­ten, die­se Mehr­heit exis­tie­re nicht. Die Daten spre­chen eine ande­re Spra­che.
          Und dann kom­men wir zu Ihrem „Geisterfahrer“-Vergleich. Ein schö­nes Bild, zuge­ge­ben – aber viel­leicht lohnt ein zwei­ter Blick. Wenn jemand auf der Auto­bahn unter­wegs ist und ihm 90 Pro­zent ent­ge­gen­kom­men, dann ist sta­tis­tisch gese­hen die Chan­ce recht hoch, dass er selbst der­je­ni­ge ist, der sich auf der fal­schen Spur befin­det.
          Viel­leicht ist es also gar nicht die Mehr­heit der Deut­schen, die „hupend ent­ge­gen­kommt“, son­dern eher so, dass Sie selbst gera­de durch den Rück­spie­gel argu­men­tie­ren und an einer poli­ti­schen Aus­fahrt fest­hal­ten, die es längst nicht mehr gibt. Denn die Rea­li­tät ist: Die EU ist popu­lä­rer als in den 90ern / Die Akzep­tanz erneu­er­ba­rer Ener­gien ist hoch. / Die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne ist mehr­heit­lich unge­bro­chen / Moder­ni­sie­rung wird von der gro­ßen Mit­te getra­gen – nicht von einer Min­der­heit.
          Wenn wir also wirk­lich über Mehr­hei­ten reden wol­len, dann lohnt es sich, nicht nur das eige­ne Gefühl, son­dern auch die Fak­ten­la­ge zu betrach­ten. Deutsch­land fährt nicht als Geis­ter­fah­rer gegen den glo­ba­len Ver­kehr. Deutsch­land fährt – mit Euro­pa – auf der Spur der moder­nen Indus­trie­na­tio­nen. Und dort, wo wirk­lich Geis­ter­fah­rer unter­wegs sind, erkennt man sie meist dar­an, dass sie über­zeugt sind, alle ande­ren sei­en falsch abge­bo­gen. Ich respek­tie­re Ihre Sicht der Din­ge, aber ich wider­spre­che ent­schie­den Ihrer Annah­me, sie wäre mehr­heits­fä­hig.
          Sie ist es nach­weis­lich nicht. Und das ist kein Vor­wurf, son­dern eine Ein­la­dung, die poli­ti­sche Rea­li­tät nicht mit einem Rück­spie­gel zu ver­wech­seln.

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