Am 31. Oktober ist wieder Reformationstag – ein besonderer Tag, gerade hier bei uns in Wermelskirchen. Unsere Stadt ist seit jeher evangelisch geprägt. Viele von uns sind mit den Werten groß geworden, die auf die Reformation zurückgehen: Die Freiheit eines Christenmenschen – die Freiheit des Denkens, Verantwortung für das eigene Handeln und Mut, Dinge kritisch zu hinterfragen.
Vor über 500 Jahren, im Jahr 1517, schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür in Wittenberg. So wird es überliefert. Er sprach darin Missstände an, die viele Menschen in ihrem Gewissen quälten. Er stellte sich gegen Machtmissbrauch, Autoritarismus und Bevormundung – und er forderte, dass jeder Mensch selbst denken und glauben darf.
Dieser Thesenanschlag an die Holztüren der Kirche war zugleich ein Wendepunkt in der Geschichte – und ein starkes Zeichen für Eigenverantwortung und Gewissen. Das war ein Aufbruch in eine neue Epoche: die der Aufklärung, der Beginn der Neuzeit mit tiefgreifenden gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umwälzungen.
Wenn wir heute auf unsere Stadt schauen, merken wir, dass die Themen der Reformation nichts an Aktualität verloren haben. Bei uns in Wermelskirchen sitzt inzwischen – wie in vielen anderen Städten in diesem Land – eine Partei im Stadtrat, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft ist – und die gemeinsam mit anderen, zum Teil rechtspopulistischen Gruppierungen, Politik macht.
Das sollten wir ernst nehmen. Sehr ernst! Denn wo Menschenverachtung, Ausgrenzung oder Geschichtsverzerrung beginnen, ist Freiheit schnell in Gefahr. Und: wo Fakten, wissenschaftlich fundierte gar, keine Rolle mehr spielen sollen, wo von Rechtsextremen (und auch von einigen Rechtspopulisten in dieser Stadt) der Fokus auf ihre „alternative Fakten“ gelegt wird und jede historische Erkenntnis geleugnet wird, da sollte uns der Geist der Reformation nochmal in den Sinn kommen.
Nun wird der Theologe sagen: Der Reformationstag aus rein theologischer Sicht betrachtet bedeutet zunächst, dass die sogenannten “Fünf Solas” im Mittelpunkt stehen. Und genau die fassen die Grundgedanken der Reformation zusammen: Sola Scriptura, Sola Fide, Sola Gratia, Solus Christus, Soli Deo Gloria.
Doch kann man diese Sichtweise durchaus als zu eng gefasst betrachten: Denn die “Fünf Solas” sind nicht nur ein theologisches Programm. Christus selbst hat das Prinzip der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und der Freiheit nicht nur verkündet, er hat sie gelebt. Er ist den Menschen auf Augenhöhe begegnet, hat Grenzen überschritten und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten benannt.
Deshalb kann man als Mensch, der den Reformationstag begeht durchaus zum Schluss kommen: Die Reformation und mit ihr die “Fünf Solas” stehen nicht nur für den Glauben – sie sind auch ein ethisches Fundament, das bis heute unsere Vorstellung von Gerechtigkeit, Menschenwürde und Verantwortung in der Gesellschaft prägt.
Der Reformationstag erinnert uns daran, dass Freiheit und Verantwortung zusammengehören. Dass man den Mund aufmachen muss, wenn Grundwerte auf dem Spiel stehen. Und dass Demokratie nicht einfach da ist – sie lebt davon, dass wir sie jeden Tag neu verteidigen. In unserer Nachbarschaft, in unserer Stadt in Wermelskirchen und in unserem Land.
Vielleicht ist das der eigentliche Kern dieses Tages: innehalten, nachdenken, Haltung zeigen.
Bildnachweis: Klaus Ulinski


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