Wenn Metaphern Menschen vertreiben… 

und Kom­mu­nal­po­li­tik sich selbst ent­leert


In unse­rem heu­ti­gen Bei­trag will ich auf zwei zusam­men­hän­gen­de Phä­no­me­ne ein­ge­hen: einen aktu­el­len Arti­kel hier im Forum („Stadt­bild neu den­ken) und die Dis­kus­si­on über poli­ti­sche Begrif­fe wie „links“ und „rechts“, wie sie etwa von der Sozio­lo­gin Jana C. Glae­se ana­ly­siert wer­den. Ich möch­te zei­gen, wie leicht eine Debat­te – ins­be­son­de­re im kom­mu­nal­po­li­ti­schen Raum – ent­glei­sen kann, wenn Begrif­fe falsch genutzt oder zu eng gezo­gen wer­den, und wie dadurch wich­ti­ge Stim­men ver­lo­ren gehen.

Aus­gangs­punkt: Die Dis­kus­si­on um das Stadt­bild

Der Arti­kel „Stadt­bild neu den­ken“ setzt an einem wich­ti­gen The­ma an: In Wer­mels­kir­chen wird nicht nur der­zeit son­dern bereits seit sehr lan­ger Zeit über das soge­nann­te „Stadt­bild“ gespro­chen – gegen­wär­tig ver­schärft mit Blick auf Migra­ti­on, Erschei­nungs­bild und Ver­ant­wort­lich­keit.  Im Bei­trag ist unter ande­rem zu lesen:

„Wer den Begriff ‚Stadt­bild‘ ver­engt, läuft Gefahr, Men­schen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len, statt Ver­ant­wor­tung zu tei­len.“

Der Bei­trag ruft dazu auf, das Stadt­bild als gemein­sa­mes Pro­jekt, als Aus­druck von Mit­ein­an­der, Ver­ant­wor­tung und Gestal­tungs­wil­le zu ver­ste­hen, statt als Abbil­dung von Her­kunft oder äuße­rer Erschei­nung.  

Das ist eine gute und wich­ti­ge Per­spek­ti­ve – aber sie hängt ent­schei­dend davon ab, wie Debat­ten geführt wer­den. Denn sofort, wenn Begrif­fe ver­kürzt, pola­ri­siert oder als Eti­ket­ten genutzt wer­den, kippt der Ton – und mit ihm die Bereit­schaft zur Teil­nah­me.

Die Meta­phern „links“ und „rechts“ – und was sie für die Kom­mu­nal­po­li­tik bedeu­ten

Jana Cata­li­na Glae­se ist Sozio­lo­gin und Redak­teu­rin des Phi­lo­so­phie Maga­zins und im Okto­ber Gast­wis­sen­schaft­le­rin der Abtei­lung Trans­for­ma­tio­nen der Demo­kra­tie.

In einem kürz­lich erschie­ne­nen Inter­view im Redak­ti­ons­Netz­werk Deutsch­land  erläu­tert sie die Begrif­fe „links“ und „rechts“ als his­to­risch gewach­sen – sie stam­men aus der Sitz­ord­nung der fran­zö­si­schen Natio­nal­ver­samm­lung im spä­ten 18. Jahr­hun­dert.  

Heu­te aber bezeich­net sie die­se Meta­phern als „lee­re Boxen“ ohne ver­läss­li­chen seman­ti­schen Kern, die sich je nach Zeit und Kon­text neu mit Bedeu­tung fül­len las­sen – oder eben ent­leert wer­den. Oder eben zur Aus­gren­zung in der Debat­te füh­ren.  

Den­noch: Wich­tig sei­en inhalt­li­che Unter­schie­de – etwa beim Umgang mit Ungleich­heit: Lin­ke woll­ten Ungleich­heit eher über­win­den, Rech­te sähen Unter­schie­de eher als natür­lich an.  

Auch ver­weist sie dar­auf, dass in Deutsch­land der Begriff „rechts“ beson­ders nega­tiv belas­tet ist – wegen der Ver­gan­gen­heit der NS-Zeit.  

Das Fazit: Begrif­fe wie „links“ und „rechts“ sind nütz­lich als Ori­en­tie­rung, aber gefähr­lich, wenn sie statt zur Klar­heit zur Abgren­zung, Ver­schie­bung oder Aus­gren­zung füh­ren.

Schnitt­stel­le: Wenn Meta­phern im Kom­mu­nal­fo­rum zum Pro­blem wer­den

Was heißt das nun kon­kret für unse­re Dis­kus­si­on in Wer­mels­kir­chen? Ich sehe drei zen­tra­le Risi­ken:

a) Ver­kürz­te Eti­ket­tie­rung: Ich hat­te unlängst eine Gespräch mit einem jun­gen ehe­ma­li­gen Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, der sich aus der Poli­tik zurück­ge­zo­gen hat, weil ihm u. a. voll­kom­men unge­recht­fer­tigt rech­tes Gedan­ken­gut vor­ge­wor­fen wur­de und bedau­ernd ein­räum­te: „Ich wer­de dadurch lei­der nicht mehr alles mit­be­kom­men …“ Die­ses Bei­spiel zeigt: Wenn Enga­gier­te Men­schen in der Kom­mu­nal­po­li­tik auf­grund ihrer Debat­ten-Bei­trä­ge wie der mei­nes jun­gen Freun­des  sich zurück­zie­hen, weil sie sich stig­ma­ti­siert füh­len – etwa mit dem Vor­wurf „rech­tes Gedan­ken­gut“ – dann ist das ein gewal­ti­ger Scha­den für die kom­mu­na­le Dis­kus­si­ons­kul­tur.

Die Meta­pher „rechts“ wird hier nicht als Ori­en­tie­rung genutzt, son­dern als Schub­la­de. Dabei ver­liert jede Dis­kus­si­on an Tie­fe.

b) Begrif­fe, die kei­ne Brü­cke bau­en: Der Arti­kel zum Stadt­bild spricht davon, wie schnell Begrif­fe Men­schen gegen­ein­an­der stel­len: „Wer den Begriff ‚Stadt­bild‘ ver­engt, läuft Gefahr, Men­schen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len…“  

Wenn dann zugleich poli­ti­sche Debat­ten über „rechts“ und „links“ nicht genutzt wer­den, um Inhal­te zu klä­ren, son­dern um Posi­tio­nen zu mar­kie­ren oder klein­zu­re­den, dann zieht sich eine Stim­me zurück – aus Frust oder Angst vor Stig­ma­ti­sie­rung.

c) Der Ver­lust von Viel­falt und Betei­li­gung: Genau das pas­siert, wenn Bei­trä­ge mit guten Absich­ten auf Face­book oder im Forum erschei­nen – und dann in einen Ant­wort- Reflex gera­ten, der sich der Ein­fach­heit des Sor­tie­rens nach “rechts” oder “links” bedient und manch­mal gar mit dem Suf­fix “-extrem” oder “-radi­kal” etti­ketiert. Und das „…nur, weil man nicht den ver­meint­li­chen Schlau­mei­ern nach dem Mund redet …“ (Zitat mei­nes jun­gen Freun­des).

Wer sich nicht in die gän­gi­gen Kate­go­rien ein­ord­nen lässt, wird aus­ge­grenzt – und damit ver­lie­ren wir nicht nur eine Mei­nung, son­dern eine gan­ze Per­spek­ti­ve auf das Gemein­we­sen.

Was wir ändern soll­ten – und wie

  • Begrif­fe öff­nen statt schlie­ßen: Statt reflex­haft zu fra­gen „Bist du rechts?“ oder „Bist du links?“ soll­ten wir fra­gen: Wel­che Ansicht ver­tritt die­ser Mensch? Wor­auf bezieht sich sei­ne Sor­ge? Wel­chen Bei­trag leis­tet er zur Stadt­ge­mein­schaft?
  • Dis­kus­si­on unab­hän­gig von Labels füh­ren: Der Arti­kel „Stadt­bild neu den­ken“ for­dert uns auf, „Stadt­bild“ zu den­ken als gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung – nicht als Urteil über Her­kunft oder Äußer­lich­keit. 
    Das heißt: Wenn wir uns in Debat­ten ein­klin­ken, soll­ten wir nicht zuerst nach der Her­kunft, dem äuße­ren Erschei­nungs­bild oder dem ver­meint­li­chen „poli­ti­schen Label“ fra­gen – son­dern nach dem Bei­trag, der Absicht, dem Inhalt.
  • Nicht jede Pro­vo­ka­ti­on anneh­men: In einem sozi­al-media-Zeit­al­ter, in dem pola­ri­sie­ren­de Bei­trä­ge viral gehen, ist es wich­tig, nicht reflex­haft auf jedes hin­ge­hal­te­ne Stöck­chen zu sprin­gen. Die Begrif­fe „rechts“ und „links“ wer­den immer wie­der instru­men­ta­li­siert. Die Anlei­tung von Glae­se: Man kann sie nicht ein­fach abschaf­fen, aber man soll­te bewusst mit ihnen umge­hen.
  • Viel­falt und Betei­li­gung sichern: Wenn Men­schen wie mein jun­ger Freund sich aus der Dis­kus­si­on zurück­zie­hen, ver­lie­ren wir nicht nur eine Per­son – wir ver­lie­ren das Poten­zi­al, unse­re Stadt mit­zu­ge­stal­ten. Des­we­gen ist es wich­tig: Jeder darf blei­ben. Jede Stim­me zählt. Auch jene, die nicht ins klas­si­sche Links-Rechts-Sche­ma passt.

Mein Auf­ruf an alle in die­sem und in ande­ren Foren

Lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger in Wer­mels­kir­chen:

Las­sen wir uns nicht in die alten Raum-Meta­phern trei­ben, die vor 230 Jah­ren ent­stan­den sind und heu­te oft mehr spal­ten als ver­bin­den.  

Wenn wir über unser Stadt­bild reden, wenn wir über Her­kunft, Erschei­nung, Ver­ant­wor­tung spre­chen – dann machen wir das gemein­sam, inhalt­lich, mit Respekt.

Wenn jemand sagt: „Ich zie­he mich zurück, weil ich den Vor­wurf eines rech­ten Gedan­ken­guts nicht ertra­gen will“, dann hören wir hin – und fra­gen: Was hat ihn genau ver­letzt? Wel­che Wor­te, wel­che Reak­tio­nen haben eine Ket­te aus­ge­löst?

Kom­mu­nal­po­li­tik lebt von Betei­li­gung. Lass uns also dafür sor­gen, dass Begrif­fe wie „rechts“ und „links“ nicht zur Aus­gren­zung die­nen, son­dern zur Ori­en­tie­rung – und vor allem: zur Betei­li­gung.

Ich freue mich auf eine Dis­kus­si­on hier im Forum – mit Inhal­ten, nicht mit Eti­ket­ten.

Herz­li­che Grü­ße und ein ent­span­nen­des Wochen­en­de

Ihr Klaus Ulin­ski




Bild­nach­weis: Pri­vat Klaus Ulin­ski

Kommentare

Eine Antwort zu „Wenn Metaphern Menschen vertreiben… “

  1. Avatar von Stefan M. Schäfer
    Stefan M. Schäfer

    Wenn in links­extre­men Foren die Ein­sicht ein­kehrt,
    sich jah­re­lang destruk­tiv für eine Fehl­ent­wick­lung
    in unse­rer Gesell­schaft stark gemacht zu haben,
    so bin ich zukünf­tig ganz Ohr !

    Lie­be Grü­ße
    Ste­fan Schä­fer

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