Schlagwort: Gesundheitswesen

  • Hier stimmt was nicht

    Hier stimmt was nicht

    Ein per­sön­li­cher Mon­tag­mor­gen in Wer­mels­kir­chen

    von Phil­ipp Scholz und Klaus Ulin­ski

    Mon­tag­mor­gen, 6:30 Uhr. Es ist kalt, noch dun­kel. Und ich sit­ze auf der stei­ner­nen Ein­gangs­trep­pe der ortho­pä­di­schen Pra­xis an der Obe­ren Rem­schei­der Stra­ße. Die Tür geschlos­sen, das Licht aus, die Roll­la­den sind noch run­ter­ge­las­sen. Ich sit­ze nicht für mich hier – son­dern für mei­ne 86-jäh­ri­ge Schwie­ger­mut­ter.

    Sie hat das gan­ze Wochen­en­de über star­ke Rücken­schmer­zen gehabt. Der Haus­arzt? Voll. Die Not­fall­pra­xis? Kei­ne Ortho­pä­die. Das Kran­ken­haus? Stun­den­lan­ge War­te­zeit für die fal­sche Fach­rich­tung. Und beim hie­si­gen Ortho­pä­den heißt es:

    „Mor­gens früh behan­deln wir maxi­mal zehn Not­fäl­le. Wer zuerst kommt, wird zuerst behan­delt.“

    Für mei­ne Schwie­ger­mut­ter ist so etwas nicht mehr mach­bar. Also sit­ze ich hier. Auf der kal­ten Trep­pe. Und wäh­rend ich dort sit­ze, taucht schon die nächs­te Rea­li­tät auf: Die ers­ten Lei­den­den tru­deln ein. Älte­re, Jün­ge­re, man­che mit Schmer­zen, die man schon sehen kann, bevor sie ein Wort sagen. Bis 7:00 Uhr ste­hen zehn Leu­te da. Und dann kommt ein älte­rer Mann, die Num­mer 11. Er schaut resi­gniert, mur­melt „Das wird nichts mehr“ – und geht wie­der. Lang­sam. Mit Schmer­zen.

    In die­sem Moment bekom­me ich ein schlech­tes Gewis­sen. Mir geht es ja gut. Ich sit­ze hier gesund, ohne Beschwer­den, aber mit der „War­te­num­mer 1“.

    Um die Zeit zu über­brü­cken, lese ich im Forum Wer­mels­kir­chen den Bei­trag von Phil­ipp Scholz

    Gefahr und Gewalt im Gesund­heits­we­sen – phy­si­sche und psy­chi­sche Belas­tung

    und fra­ge mich: War­um wer­den Men­schen so aggres­siv? War­um las­sen man­che ihren Frust an denen aus, die hel­fen wol­len?

    Aber wenn man mor­gens um 6:30 Uhr auf einer Trep­pe sit­zen muss, in einem der reichs­ten Län­der der Welt, nur um medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len – ist das nicht schon Aus­druck purer Hilf­lo­sig­keit? Ist es nicht ver­ständ­lich, dass das Men­schen wütend, ver­zwei­felt und manch­mal auch unge­recht macht? Wenn ich so dar­über nach­den­ke: Ja – mich macht das wütend. Und mich macht das rat­los.

    Als mei­ne Schwie­ger­mut­ter ein­trifft, dank­bar, dass ich ihr den Platz gesi­chert habe, schä­me ich mich fast. Alle sehen, dass ich gesund bin. Und mei­ne Schwie­ger­mut­ter, die­je­ni­ge mit Schmer­zen, pro­fi­tiert von mei­nem Platz. Kurz dar­auf öff­net sich die Tür. Die Sprech­stun­den­hil­fe kommt her­aus – irgend­wie schon sicht­lich gestresst und mür­risch. Und ich sit­ze da und den­ke:

    Wie konn­te es so weit kom­men?

    Die eigent­li­chen Ursa­chen lie­gen tie­fer

    Vie­le Men­schen wis­sen nicht, dass die Zahl der Fach­ärz­te in Deutsch­land streng regu­liert ist. Grund­la­ge dafür ist die soge­nann­te Bedarfs­pla­nung, die vom Gemein­sa­men Bun­des­aus­schuss (G‑BA) in der Bedarfs­pla­nungs-Richt­li­nie(§ 99 SGB V) fest­ge­legt wird und bestimmt, wie vie­le Ärz­tin­nen und Ärz­te einer bestimm­ten Fach­rich­tung in einer Regi­on zuge­las­sen wer­den dür­fen. Ergänzt wird dies durch Quo­ten­re­ge­lun­gen, die nicht nur die Gesamt­zahl, son­dern auch die Ver­tei­lung inner­halb ein­zel­ner Fach­arzt­grup­pen steu­ern. Die­se Rege­lung defi­niert bun­des­ein­heit­lich die Pla­nungs­be­rei­che, Arzt­grup­pen und Ver­hält­nis­zah­len (Ein­woh­ner pro Arzt), um eine gleich­mä­ßi­ge und bedarfs­ge­rech­te ambu­lan­te Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len.

    For­mal gilt zwar der Rhei­nisch-Ber­gi­sche Kreis seit Jah­ren als „aus­rei­chend ver­sorgt“, den­noch zei­gen Ana­ly­sen (u. a. Gut­ach­ten Ber­gi­sches Rhein­Land) loka­le Eng­päs­se, ins­be­son­de­re in Wer­mels­kir­chen (s. hier­zu auch RGA v. 06.02.25).  In der Rea­li­tät sit­zen hier Men­schen im Mor­gen­grau­en auf kal­ten Trep­pen, weil sie sonst kaum eine Chan­ce auf eine ortho­pä­di­sche Behand­lung haben. 1

    Gleich­zei­tig wächst der Druck im gesam­ten Sys­tem. Es gibt immer mehr älte­re Men­schen mit einem höhe­ren medi­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­be­darf, wäh­rend medi­zi­ni­sche Fach­an­ge­stell­te häu­fig über­las­tet und schlecht bezahlt sind. Das kom­ple­xe Abrech­nungs­sys­tem bin­det Ärz­tin­nen und Ärz­te an büro­kra­ti­sche Auf­ga­ben, statt ihnen Zeit für die Behand­lung zu las­sen. Nach­wuchs- und Fach­arzt­för­de­rung rei­chen vie­ler­orts nicht aus, und es feh­len Anrei­ze, neue Kas­sen­zu­las­sun­gen zu schaf­fen oder bestehen­de aus­zu­bau­en.

    So ste­hen wir als Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten buch­stäb­lich zwi­schen allen Stüh­len: war­tend, hof­fend, frus­triert. Und manch­mal auch wütend – nicht aus Bos­heit, son­dern weil man sich im eige­nen Gesund­heits­sys­tem aus­ge­lie­fert fühlt.

    Mei­ne Schluss­fol­ge­rung aus  die­sem Mor­gen

    Das Pro­blem ist nicht der ein­zel­ne Arzt.
    Nicht die Sprech­stun­den­hil­fe.
    Nicht die Pati­en­ten.

    Das Sys­tem ist krank.

    Es macht die Hel­fen­den kaputt.
    Es lässt die Kran­ken ver­zwei­feln.

    Es bringt Men­schen dazu, mor­gens im Dun­keln um Behand­lungs­plät­ze zu kämp­fen.

    Heu­te hat­te mei­ne Schwie­ger­mut­ter Glück. Ande­re nicht. Und das darf in einem Land wie Deutsch­land nicht nor­mal sein.


    Lese­tipp zu Ver­tie­fung: Heu­te Mor­gen, am 15.11.2025 im Reda­ti­ons­Netz­werk Deutsch­land zu lesen:
    https://www.rnd.de/wirtschaft/warum-die-wartezeit-auf-arzttermine-so-unterschiedlich-ist-und-was-patienten-tun-koennen-JSKJLP37W5HZPNB46ARYBYL6QA.html

    1. s. hier­zu: Druck­sa­che 16/11081, Sei­te 15 – https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-11081.pdf?
      und https://www.lzg.nrw.de/versorgung/vers_strukt/bedarfsplanung_dashboard/
      ↩︎

    Foto: Oktay Bahar Insta­gramm: https://www.instagram.com/oktimusprime.89/

  • Gefahr und Gewalt im Gesundheitswesen – Physische und Psychische Belastung

    Gefahr und Gewalt im Gesundheitswesen – Physische und Psychische Belastung

    Gewalt gegen medi­zi­ni­sches Per­so­nal ist längst kein Ein­zel­fall mehr, son­dern ein alar­mie­ren­des, struk­tu­rel­les Pro­blem, das unse­ren Arbeits­all­tag im Gesund­heits­we­sen mas­siv belas­tet. Fast die Hälf­te aller Ärz­tin­nen und Ärz­te sowie ihres Pra­xis­teams waren in den letz­ten fünf Jah­ren von kör­per­li­cher Gewalt betrof­fen. Die Poli­zei­sta­tis­ti­ken zei­gen, dass seit 2019 die Zahl der soge­nann­ten Roh­heits­de­lik­te in Kli­ni­ken deut­lich gestie­gen ist. Der All­tag vie­ler Beschäf­tig­ter ist geprägt von Belei­di­gun­gen, Bedro­hun­gen und tät­li­chen Angrif­fen.

    Haupt­for­men der Gewalt:

    • Ver­bal: Dro­hun­gen, Belei­di­gun­gen, ras­sis­ti­sche oder sexu­el­le Äuße­run­gen
    • Non­ver­bal: Kör­per­li­che Angrif­fe, Sach­be­schä­di­gung

    Beson­ders betrof­fen: Pfle­ge­per­so­nal, ins­be­son­de­re weib­li­che Beschäf­tig­te. Häu­fig durch Ange­hö­ri­ge, weni­ger durch Patient*innen selbst.

    Häu­fi­ge Aus­lö­ser:

    • Lan­ge War­te­zei­ten in der Not­auf­nah­me
    • Erwar­tung schnel­ler Behand­lung trotz Tria­ge-Sys­tem
    • Unver­ständ­nis gegen­über der Arbeits­be­las­tung

    Spe­zi­fi­sche Bei­spie­le:

    • Ras­sis­mus gegen Per­so­nal mit Kopf­tuch oder dunk­ler Haut­far­be
    • Sexu­el­le Beläs­ti­gung bei Pfle­ge­hand­lun­gen
    • Phy­si­sche Angrif­fe (z. B. Schwitz­kas­ten, Trit­te)

    Gewalt auch im Team mög­lich: Druck durch Vor­ge­setz­te, Kolleg*innen oder ande­re Abtei­lun­gen.

    Die Ursa­chen sind kom­plex, aber deut­lich: Gesell­schaft­li­che Ver­ro­hung, ein zuneh­men­der Respekt­ver­lust gegen­über Hel­fen­den, Stress und Über­for­de­rung auf Sei­ten der Patient*innen und des Per­so­nals sowie sys­te­mi­sche Pro­ble­me wie Per­so­nal­man­gel und lan­ge War­te­zei­ten. Dar­über hin­aus tra­gen psy­chi­sche Erkran­kun­gen oder unrea­lis­ti­sche Erwar­tun­gen an die Ver­sor­gung zur Eska­la­ti­on bei. In NRW wur­den im Jahr 2024 rund 300 Kli­nik­an­ge­stell­te Opfer von Gewalt, davon ein Groß­teil Pfle­ge­kräf­te. Die Berich­te zei­gen, dass jähr­lich rund 5.300 gewalt­tä­ti­ge Über­grif­fe so schwer­wie­gend sind, dass sie min­des­tens drei Tage Arbeits­un­fä­hig­keit nach sich zie­hen. Die Fol­gen sind gra­vie­rend: Über 90 Pro­zent der Betrof­fe­nen erlei­den Angst­zu­stän­de, Schlaf­lo­sig­keit und Depres­sio­nen, wäh­rend Kli­ni­ken mit Krank­heits­aus­fäl­len, Kün­di­gun­gen und einem ver­gif­te­ten Arbeits­kli­ma zu kämp­fen haben. Für die Gesell­schaft bedeu­tet das ein erheb­li­ches Ver­trau­ens­pro­blem gegen­über der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung.

    Pra­xis­bei­spiel: Wenn Wor­te zu Gewalt wer­den

    Situa­ti­on:
    Ein Ange­hö­ri­ger fragt wie­der­holt, wann sei­ne Mut­ter in der über­las­te­ten Not­auf­nah­me behan­delt wird. Das Team erklärt mehr­fach, dass die Rei­hen­fol­ge nach Dring­lich­keit erfolgt und kei­ne Zeit­an­ga­ben mög­lich sind. Die Ambu­lanz ist maxi­mal aus­ge­las­tet, alle ren­nen zwi­schen Patient*innen und Not­fäl­len.

    Eska­la­ti­on:
    Irgend­wann ras­tet der Ange­hö­ri­ge aus. Er beschimpft eine Kol­le­gin mas­siv, setzt sie unter Druck, sodass sie Schutz bei den Kol­le­gen sucht. Im War­te­zim­mer schreit er wei­ter, stif­tet Unru­he und lässt sich nicht beru­hi­gen. Selbst als meh­re­re Mit­ar­bei­ten­de vor ihm ste­hen, brüllt er wei­ter und kommt einem Kol­le­gen bedroh­lich nahe. Auf­for­de­run­gen, Abstand zu hal­ten, igno­riert er.

    Psy­chi­sche Fol­gen:

    • Angst und Stress bei allen Betei­lig­ten
    • Gefühl der Hilf­lo­sig­keit und Kon­troll­ver­lust
    • Lang­fris­tig: Schlaf­stö­run­gen, erhöh­te Alarm­be­reit­schaft, Burn­out-Risi­ko

    Phy­si­sche Fol­gen:

    • Erhöh­te Herz­fre­quenz, Adre­na­lin­schub
    • Mus­kel­ver­span­nun­gen, Kopf­schmer­zen
    • Gefahr kör­per­li­cher Ver­let­zun­gen bei Eska­la­ti­on

    Die­ses Bei­spiel zeigt: Gewalt beginnt nicht erst mit Schlä­gen – psy­chi­scher Druck kann genau­so trau­ma­ti­sie­rend sein. Um dem ent­ge­gen­zu­wir­ken, for­dern Fach­ver­bän­de eine Rei­he von Maß­nah­men. Dazu gehö­ren Dees­ka­la­ti­ons­trai­nings und Kon­flikt­ma­nage­ment für das Per­so­nal, kon­se­quen­te recht­li­che Schrit­te gegen Täter sowie bau­li­che Sicher­heits­maß­nah­men wie Video­über­wa­chung und Panik­knöp­fe. Auch eine gesell­schaft­li­che Äch­tung von Gewalt gegen medi­zi­ni­sche Beschäf­tig­te ist uner­läss­lich. Zudem müs­sen Not­fall­ver­sor­gung und Per­so­nal­aus­stat­tung grund­le­gend refor­miert wer­den, um Stress und Über­for­de­rung zu ver­rin­gern.

    Für Pfle­ge­kräf­te hat Dees­ka­la­ti­on obers­te Prio­ri­tät: ruhig blei­ben, Distanz schaf­fen und Warn­zei­chen früh­zei­tig erken­nen. Soll­te eine Situa­ti­on eska­lie­ren, ist Flucht der wich­tigs­te Schutz. Befrei­ungs­tech­ni­ken und geziel­te Schlä­ge auf emp­find­li­che Stel­len kön­nen im äußers­ten Not­fall hel­fen, Zeit für die Flucht zu gewin­nen. Trai­nings wie Krav Maga, Kick-Boxen oder Selbst­ver­tei­di­gungs­kur­se in den Kli­ni­ken unter­stüt­zen die Vor­be­rei­tung auf rea­le Sze­na­ri­en und stär­ken das Kör­per­be­wusst­sein. Tech­ni­sche Hilfs­mit­tel wie Taschen­lam­pen mit Stro­be-Funk­ti­on oder per­sön­li­che Alarm­ge­rä­te kön­nen die Sicher­heit erhö­hen, sind jedoch kei­ne Lösung für die grund­le­gen­den Pro­ble­me.

    Die Bun­des­ärz­te­kam­mer unter­stützt die Ein­rich­tung von Ombuds­stel­len (eine unab­hän­gi­ge, neu­tra­le Anlauf­stel­le, die dazu dient, Beschwer­den, Kon­flik­te oder Miss­stän­de auf­zu­grei­fen und zu bear­bei­ten – oft im Sin­ne einer ver­mit­teln­den oder schlich­ten­den Funk­ti­on) und bun­des­wei­ten Mel­de­sys­te­men, wäh­rend Orga­ni­sa­tio­nen wie die AOK und der Deut­sche Berufs­ver­band für Pfle­ge­be­ru­fe Gewalt als poli­ti­sches Pro­blem begrei­fen und Refor­men in der Not­fall­ver­sor­gung for­dern. Punk­tu­el­le Maß­nah­men sind zwar sinn­voll, rei­chen aber nicht aus. Gewalt im Gesund­heits­we­sen ist ein gesamt­ge­sell­schaft­li­ches The­ma, das ent­schlos­se­nes und nach­hal­ti­ges Han­deln ver­langt.

    Die zuneh­men­de Ver­ro­hung der Gesell­schaft zeigt sich in einer stei­gen­den Zahl von ver­ba­len und kör­per­li­chen Über­grif­fen gegen­über Men­schen in sozia­len und sicher­heits­re­le­van­ten Beru­fen. Pfle­ge­kräf­te, Ret­tungs­diens­te, Feu­er­wehr und Poli­zei sind dabei beson­ders gefähr­det, da sie in Stress­si­tua­tio­nen mit emo­tio­nal auf­ge­la­de­nen Per­so­nen arbei­ten. Ursa­chen sind unter ande­rem gesell­schaft­li­che Pola­ri­sie­rung, sin­ken­de Hemm­schwel­len in der Kom­mu­ni­ka­ti­on und die wach­sen­de Belas­tung durch sozia­le Medi­en, die Aggres­sio­nen ver­stär­ken. Eine star­ke Gesell­schaft braucht vor allem eines: Zusam­men­halt. Doch gera­de in unse­rer Zeit füh­len sich vie­le Men­schen zuneh­mend ent­frem­det und iso­liert. Um die­sem Trend ent­ge­gen­zu­wir­ken, wäre es sinn­voll, auf drei zen­tra­le Säu­len zu set­zen:

    1. Mehr ech­te Begeg­nungs­räu­me schaf­fen: Loka­le Initia­ti­ven wie Nach­bar­schafts­tref­fen, Ver­ei­ne oder offe­ne Werk­stät­ten sind wich­ti­ge Orte, an denen Men­schen unab­hän­gig von Her­kunft oder sozia­lem Sta­tus zusam­men­kom­men und gemein­sa­me Erfah­run­gen machen kön­nen. Auch digi­ta­le Platt­for­men soll­ten nicht nur für vir­tu­el­le Dis­kus­sio­nen genutzt wer­den, son­dern vor allem dazu, rea­le Tref­fen zu orga­ni­sie­ren.
    2. Bil­dung als Schlüs­sel: Mehr Medi­en­kom­pe­tenz und kri­ti­sches Den­ken, sowohl in Schu­len als auch in der Erwach­se­nen­bil­dung, um Pola­ri­sie­run­gen und Fake News zu begeg­nen. Dia­log­for­ma­te – etwa Bür­ger­fo­ren oder mode­rier­te „Run­de Tische“ – kön­nen hel­fen, kon­tro­ver­se The­men respekt­voll zu dis­ku­tie­ren und so Ver­ständ­nis zwi­schen unter­schied­li­chen Grup­pen zu för­dern statt Spal­tung zu ver­tie­fen.
    3. Gemein­sa­me Pro­jek­te stär­ken das Gemein­schafts­ge­fühl: Wenn Men­schen angreif­ba­re, für alle wich­ti­ge Zie­le ver­fol­gen – sei es Umwelt­schutz, Ver­bes­se­rung der loka­len Infra­struk­tur oder sozia­les Enga­ge­ment – bau­en sie Brü­cken zuein­an­der. Frei­wil­li­gen­ar­beit und gemein­schaft­li­ches Hel­fen zei­gen, dass wir zusam­men mehr errei­chen kön­nen, und sie schaf­fen star­ke Ver­bin­dun­gen unter­ein­an­der.

    Das Kern­stück all des­sen ist, dass Men­schen wie­der spü­ren müs­sen, Teil einer Gemein­schaft zu sein, die sie aktiv mit­ge­stal­ten kön­nen. Nur durch ech­te Begeg­nun­gen, gemein­sa­me Zie­le und offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on wächst Ver­trau­en und Zusam­men­halt in unse­rer Gesell­schaft.

    Ein Blick zurück auf die Pfle­ge als unser Bei­spiel: Men­schen dabei zu hel­fen, wie­der gesund zu wer­den oder zumin­dest Lin­de­rung zu schaf­fen und sie zu beglei­ten, ist ein schö­ner, aber for­dern­der Beruf. Die Gewalt nimmt zu und trotz­dem zei­gen Pfle­ge­kräf­te und Ärz­tin­nen sowie Ärz­te wei­ter­hin hohen per­sön­li­chen Ein­satz und Lei­den­schaft für ihre Arbeit.

    Umso wich­ti­ger ist es, ihnen Sicher­heit, Wert­schät­zung und Unter­stüt­zung zu geben. Respekt ist kei­ne Opti­on, son­dern Pflicht – füge nie­man­dem zu, was du selbst nicht ertra­gen wür­dest!

    Foto: Oktay Bahar

  • Fachkräftemangel im Gesundheitswesen

    Fachkräftemangel im Gesundheitswesen

    Gäh­nen­de Lee­re nicht nur im Bild des Bei­trags! Der Fach­kräf­te­man­gel im Gesund­heits­we­sen ist für mich nicht nur eine sta­tis­ti­sche Grö­ße, son­dern eine täg­li­che Rea­li­tät, die sich in mei­nen Pro­jek­ten und Bera­tun­gen immer wie­der zeigt. Pro­gno­sen legen nahe, dass bis 2035 in Deutsch­land rund 1,8 Mil­lio­nen Stel­len im Gesund­heits­we­sen unbe­setzt blei­ben könn­ten. Das hat greif­ba­re Fol­gen: Über­las­te­te Teams, stei­gen­de Krank­heits­fäl­le und letzt­lich eine gefähr­de­te Ver­sor­gungs­qua­li­tät.

    Die Grün­de für die­se kri­ti­sche Lage sind viel­fäl­tig. Zum einen sorgt der demo­gra­fi­sche Wan­del dafür, dass die Bevöl­ke­rung altert und gleich­zei­tig vie­le erfah­re­ne Fach­kräf­te in den Ruhe­stand gehen. Die Arbeits­be­din­gun­gen sind oft hart – hohe Arbeits­be­las­tung und Schicht­diens­te füh­ren zu Burn­out und Unzu­frie­den­heit. Vie­le Beschäf­tig­te füh­len sich gesell­schaft­lich zu wenig wert­ge­schätzt, und die Aus­bil­dungs­ka­pa­zi­tä­ten rei­chen bei Wei­tem nicht aus, um den tat­säch­li­chen Bedarf zu decken. Zudem zieht es Fach­kräf­te wegen bes­se­rer Bedin­gun­gen ins Aus­land oder in ande­re Beru­fe.

    Die Aus­wir­kun­gen sind über­all spür­bar: Weni­ger Per­so­nal muss mehr Pati­en­ten ver­sor­gen, die Moti­va­ti­on sinkt, und die Wech­sel­be­reit­schaft steigt. Dies führt zu Eng­päs­sen in der Ver­sor­gung und damit zu einer spür­ba­ren Ein­schrän­kung der Behand­lungs­qua­li­tät.

    Beson­ders betrof­fen sind nicht nur Ärz­te und Pfle­ge­kräf­te, son­dern auch vie­le ande­re sys­tem­kri­ti­sche Beru­fe im Kran­ken­haus – von Rei­ni­gungs­kräf­ten, deren Hygie­ne für die Pati­en­ten über­le­bens­wich­tig ist, über den Pati­en­ten­trans­port, ohne den kei­ne Ope­ra­ti­on rei­bungs­los ablau­fen kann, bis hin zu Ver­pfle­gung und tech­ni­schen Diens­ten, die das Kran­ken­haus am Lau­fen hal­ten. Beson­ders dra­ma­tisch ist die Lage in der Auf­be­rei­tung von Medi­zin­pro­duk­ten (AEMP). Ohne ste­ri­le Instru­men­te kei­ne OPs – und doch ist die­ses wich­ti­ge Fach­ge­biet zu wenig bekannt, oft unter­be­zahlt, mit hohen Anfor­de­run­gen und wenig Aner­ken­nung. Die Fol­ge sind offe­ne Stel­len, Aus­fäl­le und ein wach­sen­den Fach­wis­sen­ver­lust, der die Pati­en­ten­si­cher­heit gefähr­det.

    Eine Stu­die des Bun­des­in­sti­tuts für Berufs­bil­dung (BIBB) emp­fiehlt des­halb die Ein­füh­rung eines staat­lich gere­gel­ten dua­len Aus­bil­dungs­be­rufs für die Medi­zin­pro­duk­te­auf­be­rei­tung. Die Zahl der Beschäf­tig­ten in die­sem Bereich wächst, und es gibt gute Chan­cen für qua­li­fi­zier­te Fach­kräf­te, die sorg­fäl­tig aus­ge­bil­det wer­den. Nur mit einer sol­chen struk­tu­rier­ten Aus­bil­dung und kla­ren Kar­rie­re­we­gen lässt sich der Fach­kräf­te­man­gel in der AEMP bekämp­fen – und damit ein wich­ti­ger Bei­trag zur Gesamt­ver­sor­gung leis­ten.

    Die DGSV (Deut­sche Gesell­schaft für Ste­ril­gut­ver­sor­gung) hat erkannt, dass die feh­len­de staat­li­che Aner­ken­nung der Aus­bil­dung in der Medi­zin­pro­duk­te­auf­be­rei­tung eine zen­tra­le Lücke dar­stellt. Um die­se zu schlie­ßen, enga­giert sich die DGSV seit Jah­ren für die Ent­wick­lung stan­dar­di­sier­ter Qua­li­fi­ka­tio­nen und pra­xis­ori­en­tier­ter Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bo­te. Ziel ist es, die hohen Anfor­de­run­gen an Hygie­ne, Tech­nik und Pro­zess­si­cher­heit in der AEMP durch qua­li­fi­zier­tes Per­so­nal zu gewähr­leis­ten – auch ohne bis­her gere­gel­ten Aus­bil­dungs­be­ruf. Mit ihren Zer­ti­fi­zie­rungs­pro­gram­men, Emp­feh­lun­gen und der durch die DGSV aner­kann­ten Aus­bil­dung zur Fach­kraft für Medi­zin­pro­duk­te­auf­be­rei­tung – FMA-DGSV® e.V. schafft sie eine ver­läss­li­che Grund­la­ge für Qua­li­tät und Pati­en­ten­si­cher­heit, bis eine staat­lich aner­kann­te Lösung eta­bliert ist.

    Was muss also gesche­hen? Wir brau­chen bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen, fai­re Bezah­lung und ver­läss­li­che­re Dienst­plä­ne. Die gan­ze Band­brei­te der Gesund­heits­be­ru­fe muss sicht­ba­rer gemacht wer­den – in Schu­len, in den Medi­en, in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung. Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung bie­ten Chan­cen, Arbeits­ab­läu­fe zu ent­las­ten, Feh­ler zu redu­zie­ren und damit den Druck auf die Men­schen zu min­dern. Und ganz ent­schei­dend: Mehr Wert­schät­zung und Aner­ken­nung – die­se Beru­fe dür­fen nicht län­ger im Schat­ten ste­hen, son­dern müs­sen Teil der Kli­nik­stra­te­gie und der Qua­li­täts­be­rich­te wer­den.

    Ein wei­te­rer Schlüs­sel zur Lösung ist qua­li­fi­zier­te Zuwan­de­rung. Es gibt Platt­for­men, die brin­gen gezielt Fach­kräf­te aus dem Aus­land nach Deutsch­land, dar­un­ter sogar Voll­me­di­zi­ner aus Län­dern wie Usbe­ki­stan. Durch struk­tu­rier­te Pro­gram­me, Sprach­för­de­rung und Aner­ken­nung von Qua­li­fi­ka­tio­nen kön­nen sie schnell inte­griert wer­den und drin­gend benö­tig­te Ent­las­tung schaf­fen.

    Die­se Erkennt­nis­se zei­gen mir: Der Fach­kräf­te­man­gel im deut­schen Gesund­heits­we­sen ist eine viel­schich­ti­ge Her­aus­for­de­rung, aber nicht unüber­wind­bar. Es braucht gemein­sa­mes Enga­ge­ment, kla­re Stra­te­gien und Mut, neue Wege zu gehen.

    Wie begeg­net ihr dem Fach­kräf­te­man­gel in eurem Umfeld? Wel­che Lösun­gen funk­tio­nie­ren, was fehlt noch? Ich freue mich sehr auf eure Erfah­run­gen und Anre­gun­gen!

    Bild: Phil­ipp Scholz