Ostern im Wedding

Ein Wort zum Ostermontag, dem 18. April 2022 

VON CORNELIA SENG

Manche Geschichten scheinen die alten Maler besonders geliebt zu haben. Jedenfalls gibt es mehrere Bilder davon in der Gemäldegalerie im Schloss Wilhelmshöhe. „Christus erscheint Maria Magdalena als Gärtner“ ist so eine Geschichte. Bekannt ist sie auch unter dem lateinischen Namen „Noli me tangere – Rühr mich nicht an“ – so sagte der auferstandene Christus zu Maria. 

Eines dieser Bilder hat es mir besonders angetan. Es stammt von Willem Drost, einem Schüler Rembrandts. Er hat es um 1650 gemalt. Es war lange eingelagert und stark zerstört. Erst vor kurzem wurde es vorsichtig restauriert, lerne ich aus der Audiospur.

Ich kann sie gut verstehen, die Maria in ihrer dunklen Welt. Die Bilder aus Butscha in der Ukraine flimmern auch in mein Wohnzimmer. Und wie geht es eigentlich den Frauen in Afghanistan und den Menschen in Aleppo …?

„Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last“, hat D. Bonhoeffer gedichtet. Aber jetzt wird sie bei ihrem Namen gerufen! „Maria!“ Sie wird herausgerufen aus dem Dunkel – hinein in Gottes neue Welt. Alles Licht leuchtet auf der Seite des auferstandenen Jesus. Es scheint, als wolle Maria sich vorsichtig herantasten. Aber festhalten lässt sich der Auferstandene nicht. Er führt die Regie. Er wird sich zeigen, wann und wo er es will. 

Und die Welt wird sich ändern, im Namen Gottes! Hab Mut, Maria! Das ist Ostern: Eine neue, lebendige Maria. Eine, die nicht hocken bleibt. Eine, die aufsteht und es den Jüngern erzählt, die noch in ihrer alten Welt sitzen.

In dieser Woche war ich in Berlin. Auf dem Nettelbeckplatz im Wedding kommt ein nicht mehr ganz junger Mann auf mich zu, mit Fahrrad und Hund ist er unterwegs. Ob er mir eine Bibel schenken dürfe, fagt er mich. Eine Bibel? Ich habe etliche Bibeln und lese auch regelmäßig darin, gebe ich ihm zu verstehen. Er guckt mich skeptisch an. In seiner Welt hören Frauen wie ich vielleicht die Matthäuspassion, aber lesen nicht in der Bibel, sagt mir sein Blick. Zwei Heftchen mit Bibelsprüchen will er mir wenigstens schenken. Ich frage ihn, ob er auch Christ sei. Da erzählt er mir seine Geschichte: Er war schwer drogenabhängig, ganz unten sozusagen. Am Hauptbahnhof ist er einem Mann mit einem schwarzen Koffer begegnet. Der hat über ihm gebetet und ihm gesagt, er solle auf Gott vertrauen, es würde alles gut. Seitdem hat er viele Wunder erlebt. Er hat die Kraft Jesu gespürt. Fast zwanzig Jahre ist er nun schon mit Jesus unterwegs. Ganz gesund und vernünftig sieht er aus. Wir unterhalten uns eine Weile über unseren Glauben. Ich freue mich mit ihm über das neue Leben. 

Das ist Ostern: Die Kraft des auferstandenen Jesus ragt in unsere alte Welt und schenkt neues Leben. Bei denen ganz unten fängt er an. Und bei uns und jedem, der mit ihm rechnet.

Jesus sagt: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ ( Joh 14,19) Es ist Ostern – nicht nur im Wedding.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.