Wie Frieden wird

Ein Wort zum Montag, dem 4. April 2022 

VON CORNELIA SENG

Am Ende fehlten ihr schon die Worte. Nur beim Singen fielen sie ihr noch ein. „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten …“ Der Gesang half, die Wörter zu finden. Das Lied wurde immer am Ende des Gottesdienstes im Wetzlarer Dom gesungen. Es war ihr lebenslang vertraut. Sie hatte den Zweiten Weltkrieg mitgemacht, meine Schwiegermutter. Angst, Bomben, Entbehrung. Krieg eben. „Verleih uns Frieden gnädiglich“, hatte sie sicher nicht nur wegen der sehnsuchtsvollen Melodie gesungen. Sie wusste, worum sie da bat. 

Kann man Frieden verliehen, zugestanden, geschenkt bekommen?

Der Krieg in der Ukraine ist ein Angriff Putins und seiner Gefolgsleute, entstanden aus einem Gewirr von aggressiven geschichtlichen Konstruktionen in ihren Köpfen. Der Krieg ist nicht einfach über die Menschen in der Ukraine „gekommen“ wie ein Gewitter. Wir kennen den Angreifer und seine Interessen.

„Da pacem, Domine“ – seit dem 9. Jahrhundert singen Menschen „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Und bitten Gott, mit seinem guten Geist gegen den Geist der Rache und Zerstörung zu streiten. Sie lebten mit der Erfahrung: Es braucht mehr als unseren guten Willen allein. Gott muss seinen Einfluss geltend machen.

Wie wird Frieden?

„Eure Gebete um Frieden nutzen gar nichts, nur Taten zählen“, hat in diesen Tagen jemand auf einer Kirchenseite im Internet kommentiert. Rechnen wir überhaupt noch damit, dass Gott Frieden verleihen, schenken kann?

„Ora et labora“ war seit alter Zeit das Lebensmotto der Benediktiner Mönche. Bete und arbeite! Bete, als ob alles Arbeiten nichts nutzt, und arbeite, als ob alles Beten vergeblich wäre. Eines ohne das andere bringt gar nichts. Alle Arbeit braucht das Gebet, wie das Boot den Wind zum Segeln. Erst der Wind bringt das Boot voran. Es kommt darauf an, dass zur richtigen Zeit die richtigen Menschen gute Gedanken haben und sie einbringen. Das kann man nicht „machen“. Aber Gott kann es „verleihen“. Sehnsüchtig beten wir, dass unser Tun gelingen möge.

„O Gott, ratlos kommen wir zu dir. Und bitten um deinen Geist, der das Chaos der Meinungen und Falschmeldungen entwirren kann. Und wir bitten um Trost für die Leidenden. Schenke klare Gedanken bei politischen Entscheidungen und Mut zu wirksamen Einschränkungen. Wir brauchen Kraft und Ausdauer zum Helfen. Freundlichkeit, Geduld und Langmut. Wir brauchen Frieden. Gib uns Deinen guten Geist!“ 

Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist ja doch kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.“ (Martin Luther nach der Antiphon Da pacem aus dem 9. Jhdt.)

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