Kölner (30) rettet Staatsarchiv von Charkiw

Wien/Köln | Als er 17 Jahre jung war, sah er als Schüler das Kölner Stadtarchiv in Staub aufgehen. Nun, fast genau 13 Jahre später, will der Kölner Sebastian Majstorovic (30) dies in der Ukraine verhindern. Das berichtet die Kölner Internetzeitung report-K. Der Historiker Majstorovic arbeitet bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und hat in der vergangenen Woche ein Projekt gestartet, um den digitalen Nachlass der Ukraine zu retten, wo bekanntlich derzeit alles zerbombt wird. Mit zwei US-Forscherinnen hat er bereits 1000 freiwillige Helfer virtuell organisiert, die derzeit alles retten, was man noch retten kann.

Ukraine-Chaos: Kölner trommelt virtuelle Helfer zusammen

„Es geht um das kulturelle Erbe der Ukraine, das schon digitalisiert ist“, erzählt der in der Südstadt aufgewachsene Digital-Experte gegenüber report-k.de. „Ich beschäftige mich mit den digitalisierten Kollektionen von Museen und Archiven, mit allem, was eingescannt wurde. Alte Drucke, Manuskripte.“

Über Twitter sei er darauf gekommen, als eine Musikbibliothekarin dazu aufgerufen hatte, dass die Volksmusikkollektionen aus der Ukraine gerettet werden sollen. „Dann habe ich geguckt wie man digitale Kollektionen, die im Netz frei zugänglich sind, über spezielle Web-Archivisierungssoftware ausfindig machen kann und habe einen Tweet abgesetzt, alle Bibliothekare zu bitten, digitale Kollektionen abzuschicken. Wir haben jetzt 1000 Freiwillige in einem Slack, einige sind Programmierer, Archivare.“

Sebastian Majstorovic (c) privat

Wo Bomben fallen und Ukrainer auf der Flucht vor russischen Truppen sind, haben die Menschen keinen Sinn für digitale Archivarbeit. „Wir durchforsten das Web für sie, um die digitalen Datensätze runterzuladen und zu retten, bevor die Server abgeschaltet werden“, so der junge Kölner, dem nun ein echter Clou gelang, dessen Bedeutung man sich jetzt wohl noch kaum vorstellen kann.

„Am Donnerstag Morgen habe ich es geschafft, die gesamte Website des Staatsarchivs in Charkiw, die alle möglichen Kollektionen hat, als eine einzige 105 Gigabyte-Datei zu speichern. Nachmittags dann war die Website plötzlich offline, es gibt sie nicht mehr. Das kann an Cyberattacken liegen, die Server werden zerstört“, schildert er.

Kölner Doktorand: Stadtarchiv-Einsturz prägt ihn bis heute

Mit seinen Mitstreitern aus der ganzen Welt durchforstet der Doktorand das Web weiter, auch in Gedanken daran, daß er als Schüler der Kaiserin Augusta-Schule den Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit dem Handy filmte: „Ich habe das historische Erbe Kölns in Staub aufgehen sehen. Dieses Erlebnis prägt und motiviert mich bis heute.“

Beitragsfoto: Symbolbild einer hochgehaltenen ukrainische Fahne © report-K

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