Be prepared to be surprised!

Ein Wort zum Montag, dem 29. November 2021

VON CORNELIA SENG

Zur Zeit stehe ich früh auf. Draußen ist es noch stockdunkel. Dann trinke ich einen Kaffee und lese die Losungen – das sind Bibelworte, die für diesen Tag ausgesucht wurden. Meist ist die Zeitung noch nicht da. Dann „fahre“ ich eine Runde Fahrrad auf dem Hometrainer. Die Bewegung tut mir gut. Mein Blick geht zu dem nahegelegenen Wald. Langsam wird es hell über dem Hügel. Die Nacht weicht dem Tag, ganz allmählich. Wieviele Grautöne es gibt! Von Minute zu Minute setzt sich das Licht durch. Die Finsternis muss weichen. Eine faszinierende Zeit! Kann ich diesen Moment mitnehmen in den Tag? Kann ich ihn in mein Leben „einbauen“? Wird die Erwartung des aufgehenden Lichtes meinen Tag prägen?

Jetzt beginnt die Adventszeit. Wir warten auf das Kommen Gottes, auf Gottes Eingreifen in diese Finsternis. Advent heißt: Dem Ankommen Gottes hoffnungsvoll entgegenzuleben. Sehnsuchtsvolles Warten. Was wird passieren, wenn Gott kommt? Was wird passieren mit unserer dunklen Welt?

Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht wie mir. In diesem Jahr scheint es mir besonders dunkel zu sein in der Welt. Wenn wir nicht lernen, rücksichtsvoller mit der Erde umzugehen, drohen mehr Katastrophen wie Überschwemmungen und Sterben der Bäume. Und dann hängt auch noch die Corona-Pandemie wie eine dicke schwarze Wolke über uns. Und an den Außengrenzen Europas warten Menschen darauf, einfach sicher wohnen zu können. Wir lassen sie unbarmherzig frieren und verwehren ihnen den Zutritt zu unserem reichen Land. „O Heiland, reiß die Himmel auf!“, der Beginn des Adventsliedes klingt in diesem Jahr wie ein Stoßgebet. Möge es doch anders werden in dieser Welt!

Aber ab und zu wird es anders in dieser Welt.

Zum Beispiel in diesen Tagen in Wien. Da ist Erstaunliches passiert. Im Stephansdom, im „Steffel“, wurde eine Versöhnungandacht gefeiert. Staunend habe ich dem Geschehen online zugeschaut. Der Kardinal Bischof von Wien hat die Nachfolger der „Täufer“ um Vergebung gebeten. In Österreich nannte sich die Täuferbewegung „Hutterer“, nach Jakob Hutter, einem der maßgeblichen Väter. Von den etablierten Kirchen wurden sie jahrhundertelang verfolgt. Die „Hutterer“ wurden bei lebendigem Leib verbrannt oder in der Donau ertränkt. Immer und immer wieder mussten sie fliehen. Dabei haben sie schlicht so gelebt, wie sie es in der Bibel verstanden haben: In Gütergemeinschaft wie die ersten Christen. Nach dem Ersten Weltkrieg standen manche von ihnen den „Religiösen Sozialisten“ nahe.

Heute gibt es wieder einen „Bruderhof“ in der Tradition der Hutterer in Österreich. Auf ihrer Internetseite schreiben sie:

„Wir sind eine christliche Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, in der mehr als 2700 Menschen in über zwanzig Siedlungen in vier Kontinenten leben. Wir sind ein Bund von Familien und Singles, die im Geiste der ersten Gemeinde in Jerusalem Jesus ohne Kompromisse nachfolgen wollen. Dabei verzichten wir gerne auf Privatbesitz und teilen alles miteinander. Unsere Berufung besteht darin, Gott, einander und auch dir zu dienen.“

Die Menschen vom Bruderhof haben diese Versöhnungsandacht mit den katholischen Christen im Stephansdom gefeiert. Sie wollten damit „in den Riss treten“ und die „Erinnerung heilen“, haben sie gesagt. Miteinander wollen sie sich jetzt auf den Weg machen. Ganz ohne Beschlüsse von Synoden und Konzilien ist das passiert.

Es ist Advent! Gottes Reich ist im Kommen. Stellen wir uns darauf ein, von Gott überrascht zu werden.

Und wenn Sie mal in Österreich sind, fahren Sie zum Bruderhof in Retz, in Niederösterreich. Gäste sind dort immer willkommen.

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