Freiheit, die ich meine

Ein „Wort zum Montag“, dem 27. September 2021 

VON CORNELIA SENG

Von „Einschränkung der Freiheit“ ist heute oft die Rede. Die einen halten die Maskenpflicht für eine Freiheitsberaubung – mit zum Teil furchtbaren Konsequenzen, wir wir wissen. Andere sehen ihre Freiheit beim Tempolimit auf Autobahnen eingeschränkt. Wer gegen die Waffenbörse in Kassel ist – eine Verkaufsausstellung für Waffen und Kriegedevotionalien – bekommt zu hören, „das schränke die Freiheit ein“. Heißt „Freiheit“, einfach machen zu können, was man will? 

Erinnern Sie sich an das Geichnis vom „Verlorenen Sohn“? Jesus hat diese Geschichte erzählt. Mit seinem Erbe zieht der jüngere Sohn in die weite Welt und macht damit, was er will. Niemand hat ihm reinzureden. Er verprasst das Geld. Na und? Ist das nicht seine eigene Entscheidung? Ist das nicht seine Freiheit? Als es ihm schlecht geht, besinnt er sich zur Rückkehr. Und der Vater nimmt ihn freudig wieder auf. Ein Kalb wird geschlachtet und ein Fest gefeiert, sodass der ältere daheimgebliebene Bruder neidisch wird. Da bricht die Geschichte ab. Wie sie weiter miteinander gelebt haben, erzählt Jesus nicht. Haben die beiden Söhne gemeinsam die Felder bestellt, die Tiere versorgt? Durch den Siegelring, den der Vater dem jüngeren Sohn angesteckt hatte, hat er Prokura. Hat er den Hof gut verwaltet? Hat er geheiratet? War er für seine eigenen Söhne und Töchter da? Die Geschichte endet mit dem großen Fest, das sie zusammen feiern. 

Was würden Sie sagen, wann war die Freiheit des jungen Mannes wirkliche Freiheit? In der absoluten Selbstbestimmung? Als Single und Junggeselle, als er machen konnte, was er wollte? Oder später, zu Hause beim Vater, mit Verantwortung für Haus und Hof und Frau und Kind?

Wir neigen zu einem Missverständnis von Freiheit, sagt der Philosoph Axel Honneth. Eins seiner Bücher hat er seinen Söhnen gewidmet: „Meinen Söhnen Johannes und Robert, die von Anfang an alles leichter gemacht haben“, steht da. Machen Kinder das Leben leichter, machen sie die Freiheit größer? Man verzichtet doch auf vieles. Und doch wird die Freiheit größer, behauptet Axel Honneth. Alle, die Kinder haben, könnten das nachvollziehen. Man ist nicht mehr dauernd mit sich selbst beschäftigt, man wird „dezentriert“. Nicht mehr ich selbst stehe im Zentrum. Das macht es leichter, sagt er. Man gewinnt eine ganz neue Freiheit. Und er plädiert dafür, Freiheit und Liebe zusammen zu denken.

Jesus lädt dazu ein, uns bei Gott zu Hause zu fühlen. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ schreibt später der Apostel Paulus. Das „dezentriert“, macht mich frei, an andere zu denken. Und an die Erde. Paulus ermahnt, diese Freiheit nicht zu missbrauchen, „sondern durch die Liebe diene einer dem anderen!“ (Gal 5,13)

Es wird Zeit, dass wir den landläufigen Begriff von Freiheit überdenken. Ohne Liebe zu Gottes Schöpfung und ohne Liebe zum Nächsten ist alles Libertinismus, aber nicht Freiheit. 

Ich wünsche allen einen erträglichen Wahlsonntag (gehabt zu haben). Machen Sie das Kreuz an der richtigen Stelle!

Kommentare (4) Schreibe einen Kommentar

    • Cornelia+Seng
    • 26.09.21, 13:59 Uhr

    Auf Facebook gab es heftige Angriffe auf den von mir ausgeführten Freiheitsbegriff. Warum die Schreiber nicht mich als Verfasserin angesprochen haben, ist mir schleierhaft. Wolfgang Horn hat schon gut und ausführlich geantwortet. Ich füge meine Gedanken dazu:

    1. Der Freiheitsbegriff, der Freiheit und Liebe zusammendenkt, ist gute christliche Tradition. Martin Luther hat ihn in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520) erläutert. Auch Axel Honneth, ein säkular denkender Philosoph der Frankfurter Schule, kann ihn ohne die Bibel zu zitieren, so verstehen. Schließlich sind die Begriffe „Freiheit und Brüderlichkeit“ auch seit der Französischen Revolution fest verbunden. Ich erkläre also nur die „europäischen Werte“ mit meinen Erklärungen. Dieses Verständnis von Freiheit wird offenbar nicht mehr von allen Menschen hierzulande geteilt. Wie ist es zu diesem Phänomen gekommen? Sind es dieselben Menschen, die 2015 meinten, die „Werte des christlichen Abendlandes“ gegen muslimische Zuwanderung verteidigen zu müssen? Ich weiß es nicht.

    2. Ich kann keine großen Unterschiede in den Maßnahmen, die gegen Corona ergriffen wurden, zwischen den Niederlanden und Deutschland erkennen. Auch nicht weltweit. Wenn Deutschland das einzige Land wäre, das Masken und Impfungen durchsetzen wollte, würde ich mir auch Gedanken machen. Aber dass Putin sich mit den Chinesen samt der deutschen Bundesregierung und Boris Johnson geeinigt hätten, scheint mir recht unwahrscheinlich.

    3. Tatsächlich ist ein junger Bekannter von mir mit Corona gestorben. Zwei ältere Verwandte einer Freundin sind plötzlich durch eine Corona-Erkrankung erstickt. Und der Sohn einer anderen Freundin hat mit Spätfolgen zu tun. Ohne die Gegenmaßnahmen – Abstand und Maske – wären diese Fälle mit Sicherheit häufiger. Vielleicht hätte sich die Weltbevölkerung deutlich dezimiert. Natürlich kann man jetzt sagen: „Das hätte der Erde gut getan. Es gibt eh mehr Menschen auf der Welt als der Erde gut tut.“ Aber im Einzelfall ist das zynisch.

    4. Ich lebe fröhlich und zuversichtlich. Paranoia kann ich bei mir nicht erkennen. Vermutlich haben Menschen, die sich jetzt ausgegrenzt fühlen, ein angstvolles Weltverhältnis. Ich bemühe mich, das zu verstehen. Die zunehmenden Klimaveränderungen können einem schon Angst machen und eine mögliche Altersarmut auch. Gegen solche (begründeten) Existenzängste hat Jesus gepredigt und zum Vertrauen in die Liebe Gottes eingeladen. Leben ist mehr!

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    • EDV-Schrauber
    • 26.09.21, 15:04 Uhr

    Der Begriff “Freiheit” ist verbrannt. Er wurde jahrelang benutzt, missbraucht und durch den Schmutz gezogen.

    Freiheit war mal was Gutes. Aber wenn den Begriff heute jemand in den Mund nimmt, dann sind das praktisch immer irgendwelche Lügner und Betrüger; und die meinen eigentlich Freiheit ausschließlich für sich.

    Ich will hier Dinge machen, die anderen schaden. Das ist mein Geld, damit will ich mir eine fette schmutzige Karre kaufen! Oder “Freiheit” a la FDP: Deregulieren, damit sich jemand auf Kosten der Allgemeinheit bereichern kann. Umweltverschmutzung. Externalisierung von Kosten.

    Ich will die Freiheit, in öffentlichen Gebäuden keine Maske zu tragen. Heute vor einem Wahllokal erlebt.

    Freiheit ist heute immer nur “Ich, Ich, Ich”. Ich will meine Vorteile mitnehmen! Mit den Nachteilen lass ich die Allgemeinheit sitzen.

    Mit freundlichem Gruß
    -EDV-Schrauber-

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    • Es gibt keine wahre Freiheit; lediglich unendlich viele Variationen der Unfreiheit…

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  1. Unabhängig davon das jener Jesus nachweißlich nie selbst etwas niederschrieb und von daher nicht rezitiert werden kann sondern alles nur auf Vermutungen dritter basiert, hat die Annahme zur Existenz eines übergeordneten Wesens namens “GOTT” einen durch und durch blutigen, polarisierenden Faden in unserer Geschichte der Menschheit hinterlassen.
    Zudem erzeugt das Thema bei einem tiefgründig-sensiblen Menschen nur noch mehr unlösbare Fragen.
    Denn:
    Ist Gott bereit, das Böse zu verhindern, aber nicht in der Lage?
    Dann ist er nicht allmächtig.
    Ist er fähig, aber nicht willens?
    Dann ist er bösartig!
    Ist er fähig und willens?
    Woher kommt dann das Böse?
    Ist er weder fähig noch willens?
    Warum nennt ihr ihn dann GOTT?

    Wer seinen Mitmenschen über die natürliche Ratio seelisch Hilfestellung leisten kann, der sollte es niemals mit verwirrenden Wahnvorstellungen, basierend auf einem veralteten und unvollständigen religiösen Pamphlet versuchen.
    Die Geschichte belegt es deutlich!

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