Shit-Storm? Nein

VON WOLFGANG HORN

In Kommentaren listen Parteien auf, wie sie in der Frage der Nutzung des Eifgenareals am Montag im Stadtrat abgestimmt haben. Es geht wohl um den Eindruck, den Parteien in einer Frage hinterlassen haben, die die Bürgerinnen und Bürger aufgebracht hatte. Die Kommentare hier im Forum sind beredt. In den letzten drei Tagen, seit Montag, ist das Forum Wermelskirchen von knapp neuntausend Usern aufgesucht worden und hat es knapp achtzehntausend Seitenaufrufe gegeben. Das sind ungewöhnlich große Zahlen für das kleine Forum, die das Ausmaß der Aufregung, auch der Empörung zeigen. Nun denn, dann zählen wir mal durch. Für den Projektentwickler aus Düsseldorf waren die AfD, zwei Stimmen, das Bürgerforum, drei Stimmen, die SPD, sieben Stimmen, Die Grünen, zwei Stimmen, FDP, eine Stimme, die Bürgermeisterin, CDU, 13 Stimmen. Gegen das Projekt waren Die Linke, eine Stimme, Zukunft WK, zwei Stimmen, drei Stimmen aus der SPD, drei Stimmen der WNKUWG, drei Stimmen aus der FDP, sieben Stimmen von den Grünen, sechs aus der CDU. Die CDU habe, so heute in der Bergischen Morgenpost zu lesen, Angst vor einem Shit-Storm. Nun ja, einen wirklichen Shit-Storm wird es im eher beschaulichen Wermelskirchen nicht geben. Was aber deutlich zu vernehmen ist, ist Ärger. Ärger über die Entscheidung und Ärger über die Art der Entscheidung. Es ist am Ende alles entsprechend der Regeln des politischen Betriebs abgelaufen. Die Regeln wurden nicht verletzt. Was verletzt worden ist, ist die politische Kultur. Ein sensibles Thema ist in den schwierigen Zeiten öffentlicher Kommunikation unter Bedingungen der Corona-Pandemie weitgehend am Bürger und der Öffentlichkeit vorbei eingetütet und vorangetrieben worden. Von einer breiten öffentlichen Information kann überhaupt keine Rede sein. Daß sich dennoch Rumor bei den Menschen in der Stadt breit gemacht hat, lag daran, daß junge Leute der Bowl Church verspätet einen eigenen Plan gegen die Überlegungen des von der Verwaltung ausgewählten Projektplaners vorgelegt hatten und auch unter Beweis stellen konnten, daß die erforderlichen Finanzmittel hätten vermutlich bereitgestellt werden können. Auch die heftige Debatte um den Missionsauftrag der Freikirchen und die Möglichkeiten der Stadt, vertraglich eine uneingeschränkte und keineswegs an den Grenzlinien einer kirchlichen Vereinigung entlang festzumachenden Nutzung des Eifgenareals zu sichern, zeigt deutlich, daß die Parteien, nein: vor allem die beiden größeren Parteien in der Stadt, CDU und SPD, auf eine Debatte so gar nicht vorbereitet waren. Die SPD-Fraktion hat sich zur Unzeit festgelegt, viel zu früh, ohne jede Debatte in einem größeren Kreis von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Die CDU hat sich öffentlich gar nicht festgelegt, wohl in der Hoffnung, so eine vielleicht ärgerliche Debatte vermeiden zu können. Beide Parteien haben sich verrechnet. Es wird keinen Shit-Storm geben. Nicht in Wermelskirchen. Auf die Vergesslichkeit der Bürger zu setzen, wäre indes auch fatal. Die Menschen in Wermelskirchen machen nun zum wiederholten Mal die Erfahrung, daß dem Rat, Teilen der Verwaltung, den Parteien Antennen fehlen, um den Unmut der Menschen beizeiten zu spüren und eine geeignete Kommunikationsstrategie anzuwenden. Schweigend, in Bewegungslosigkeit verharrend, lassen sich die wenigsten Probleme lösen. So war es beim Weihnachtsbaum, so ist es beim Eifgenareal. Die Parteien müssen zulegen, die Großen allemal. Ihre politische Kultur läßt zu wünschen übrig. Sie spüren nicht oder viel zu spät, wenn Unmut aufkommt. Und wenn sich Mulm entwickelt hat, finden sie nicht oder ebenfalls viel zu spät zu einer Kommunikationsform, zu einer Sprache, zu öffentlichem Auftreten, zu politischem Mut, was alles Respekt hätte bewirken können, zu einem guten öffentlichen Gespräch, was auch im Falle von unterschiedlichen Standpunkten gegenseitige Achtung zur Folge hätte haben können. An so verstandener politische Kultur mangelt es. Die Bürgerinnen spüren das, Jugendliche empfinden das. Die nächste Wahl kommt gewiß.

Kommentare (5) Schreibe einen Kommentar

    • Heidbüchel
    • 01.07.21, 8:30 Uhr

    Den Nagel auf den Kopf getroffen, der Auszug aus dem Bericht:
    Auf die Vergesslichkeit der Bürger zu setzen, wäre indes auch fatal. Die Menschen in Wermelskirchen machen nun zum wiederholten Mal die Erfahrung, daß dem Rat, Teilen der Verwaltung, den Parteien Antennen fehlen, um den Unmut der Menschen beizeiten zu spüren und eine geeignete Kommunikationsstrategie anzuwenden. Schweigend, in Bewegungslosigkeit verharrend, lassen sich die wenigsten Probleme lösen. So war es beim Weihnachtsbaum, so ist es beim Eifgenareal

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    • Andreas Müßener
    • 01.07.21, 10:37 Uhr

    Ich weiß jetzt nicht, wie das erste Wahlprogramm vor der Wahl aufgebaut war, weil es gelöscht wurde. In ihrem zweiten und neuen Wahlprogramm nach der Wahl (Stand 2021) fordert Bürgermeisterin Frau Lück aber einen Workshop, wo Kinder und Jugendliche ihre Zukunftsidee für Wermelskirchen entwickeln sollen. Aus meiner Sicht, eine tolle und schöne Idee.

    Aus meiner Sicht wurde genau so ein Konzept von der Bowl Church professionell und visionär erarbeitet. Deswegen bleibe ich dabei, dass der Ratsbeschluss ein großer Fehler war und ein Rückschritt, besonders für die Jugend, in dieser Stadt und fernab den Bedürfnissen der Bürger.

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      • Heidbüchel
      • 01.07.21, 11:34 Uhr

      Jetzt alles auf die Verwaltung und Frau Lück zu schieben ist meines Erachtens nicht in Ordnung. Meines Wissens hat der Rat, abgesehen von der WNKUWG und der Büfo, im Vorfeld dieser ganzen Bowl Church Debatte beschlossen, das Eifgenthema nicht öffentlich zu machen.
      Ich sehe das so, dass die Politik, abgesehen von den beiden genannten Parteien, die im übrigen weitsichtig gedacht haben, sich ins eigene Bein geschossen haben.
      Aus meinem kleinen politischen Verständnis heraus sehe ich das so.

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    • Conchita Encina Finken
    • 02.07.21, 9:35 Uhr

    Da es sich um eine geheime Wahl handelte, sind die Zahlen der Für- und Widerstimmen Spekulation.
    Wir Grünen haben natürlich viel diskutiert und mehrere Fraktionssitzungen ausschließlich diesem Thema gewidmet, auch auf unserem “grünen Sofa” war es Thema.
    Ich persönlich hätte es mir sehr gewünscht, dass die jungen Leute im Eifgen eine Chance bekommen hätten, aber es war eine demokratische Wahl und man kann keiner Fraktion in unserem Rat unterstellen, sie hätte sich nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt und ich bin fest davon überzeugt, dass jedes Mitglied des Rates und auch unsere Bürgermeisterin nach besten Wissen und Gewissen gehandelt hat.
    Jetzt kommt es darauf an, wie es weitergeht und die Menschen von Bowl Church in ihrer Suche nach Alternativen zu unterstützen.

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    • Heidbüchel
    • 02.07.21, 14:39 Uhr

    Liebe Frau Conchita Encina Finken,
    das war ein gutes und passendes Schlusswort.

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