Hermann und Dorothea

Gedanken zum Weltflüchtlingstag: Ein Wort zum Montag, dem 21. Juni 2021 

VON CORNELIA SENG

Ein ausgesprochen sympathisches Paar, zärtlich einander zugewandt: „Hermann und Dorothea“ als Denkmal in Kassel vor dem „Schlösschen Schönfeld“ im gleichnamigen Park.

Kein geringerer als der große J.W. von Goethe hat ihre Liebesgeschichte zu einem viel beachteten Epos gemacht. Hermann, Sohn eines wohlhabenden Ehepaares, verliebt sich in das Flüchtlingsmädchen Dorothea, das im Flüchtlingstreck durch seine niederrheinische Kleinstadt zieht. Unter Ludwig XIV. wurden in Frankreich die Protestanten verfolgt. Als „Hugenotten“ zogen sie nach Westen. Und Landgraf Karl von Hessen-Kassel hatte verfügt, französische Glaubensflüchtlinge in seinem Reich aufzunehmen. Nach 1685 haben etwa 8000 Hugenotten in Kassel und Umgebung eine neue Heimat gefunden. Ein ganzer Stadtteil wurde neu erbaut, die „Oberneustadt“. Mit einer eigenen, nach ihrem reformierten Glauben gestalteten Kirche, der „Karlskirche“. 

„Nirgendwo sonst in Deutschland wurden sie im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung so zahlreich aufgenommen wie in Nordhessen“, lese ich bei „regiowiki“. Bestimmt war das damals nicht einfach für die Bevölkerung Kassels. Neben den Glaubensunterschieden werden sie auch große Verständigungsprobleme gehabt haben. Aber französische Lebensart kam nun in das biedere Nordhessen!

Da stehen sie nun, Hermann und Dorothea, in der Mitte eines Springbrunnens. Als „Symbol der Aufnahme und Einbürgerung französischer Glaubensflüchtlinge in Kassel“ steht zur Erklärung darunter. 

Die Hugenotten haben bis heute Spuren in Kassel und Nordhessen hinterlassen. Sie haben mit ihrer Kultur und ihrem weltzugewandten Glauben die Stadt deutlich bereichert, sogar in die Stadtgestaltung hinein. Das „Hugenottenhaus“ ist heute ein Kunst- und Kulturort. 

Ich wünsche mir, dass es den Flüchtlingen, die heute in unsere Stadt und in unser Land kommen, ebenso ergeht wie „Hermann und Dorothea“ – dass wir ihre Fähigkeiten wertschätzen und ihre Fremdheit als Bereicherung ansehen. Und dass wir auch in Zukunft Feste feiern wie 2010 zum Jubiläum der Karlskirche unter dem Motto: „Angekommen. Wie aus Fremden Freunde werden“.

Übrigens: Im Stammbaum Jesu wird auch Rut genannt. Über die Lebensgeschichte von Rut gibt es ein ganzes Buch in der Bibel – Rut, die Fremde, die Moabiterin (Mt 1,5). Rut hat Boas, den ortsansässigen Juden geheiratet. Eine Fremde, die angekommen ist und aufgenommen wurde im Volk Israel. Eine Urahnin von Jesus von Nazareth.

Rut und Boas, eine Geschichte wie die von Hermann und Dorothea. Wie sie wohl heute heißen mögen?

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