Warum die Bundesnotbremse in Rhein-Berg noch hält

Wir entnehmen diese Recherche von Georg Watzlawek dem Bürgerportal Bergisch Gladbach:

VON GEORG WATZLAWEK*

Rheinisch-Bergischer Kreis | Bevor die Voraussetzungen für eine Lockerung der Corona-Auflagen in Rhein-Berg vorliegen, dauert es trotz des Abwärtstrends noch. Zudem ändern die Bundesländer womöglich die Grundlage, auf der sie festlegen, ob die Bundesnotbremse gilt oder nicht. Künftig sollten auch die aktualisierten Inzidenz-Werte mit den Nachmeldungen berücksichtigt werden, bestätigte das NRW-Gesundheitsministerium dem Bürgerportal. Das käme der realen Lage sehr viel näher. Und hätte auf den Kreis Rhein-Berg – der mit besonders vielen Nachmeldungen kämpft – deutliche Auswirkungen.

Immer wenn sich die 7-Tage-Inzidenz im Rheinisch-Bergischen Kreis einem Grenzwert nähert, gerät die Datenlage ins Schwimmen. Das ist auch jetzt so, wenn die Inzidenz sich unter der 100er Grenze festzusetzen scheint. Heißt das nun, dass die Bundesnotbremse bald gelockert und die Ausgangssperre gekippt wird, die Schulen zum Normalunterricht zurückkehren?

Wahrscheinlich nicht. Und das aus zwei Gründen.

Die Regel für die Auslösung der Bundesnotbremse ist simpel: befindet sich ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt drei Tage lang über der offiziell vom RKI ausgewiesenen Inzidenz, dann tritt sie in Kraft, heißt es in § 28b des Bundesinfektionsschutzgesetzes.

Die Regel für das Lockern der Bremse ist komplexer: Die Inzidenz muss an fünf aufeinander folgenden Werktagen unter 100 liegen, dann treten am übernächsten Tag die Maßnahmen außer Kraft. Sonn- und Feiertage werden nicht mitgezählt.

Die konkrete Beurteilung trifft in NRW das Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Sicherheit (MGAS) auf Basis der vom Robert Koch-Institut auf der Seite www.rki.de/inzidenzen veröffentlichten Zahlen.

Dort gibt es jeden Morgen frische Werte; Nachmeldungen und Korrekturen werden aber nicht berücksichtigt. Das RKI selbst spricht von „eingefrorenen” Daten. Diese Erstmeldungen liegen immer unter der realen Infektionslage. Regelmäßig um zehn bis 15 Prozent, in Rhein-Berg war die Differenz zuletzt noch größer.

In der Grafik von Hilger Müller zeigt die blaue Linie die Erstmeldungen an, die Balken stehen für die aktualisierten Werte, die sich im farbigen Bereich rechts noch verändern (können).

Schon drei Tage unter 100?

Soweit der Hintergrund. Nun zu den aktuellen Daten im Rheinisch-Bergischen Kreis.

Laut RKI-Daten fiel die Inzidenz am Samstag auf 90 Fälle, am Sonntag weiter auf 77 und liegt am heutigen Montag bei 82.

Fehlen jetzt nur noch zwei Tage unter 100, am Dienstag und Mittwoch, und das Land hebt die Bundesnotbremse ab Freitag wieder auf?

Nein, aus zwei Gründen nicht.

Erstens werden Sonn- und Feiertage nicht gewertet. Der 1. Mai und der 2. Mai (Sonntag) fallen also aus der Betrachtung. Fünf Werktage in Folge hieße Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag.

Bleibt die Inzidenz in Rhein-Berg so lange so niedrig, wird die Bundesnotbremse dann ab Sonntag beendet?

Vielleicht ja. Vielleicht aber auch nicht. Konkreter lässt sich das im Moment leider nicht sagen.

Gesundheitsministerium für andere Daten

Denn einerseits will das Gesundheitsministerium künftig nicht mehr die unkorrigierten, eingefrorenen Daten zugrunde legen. Sondern die Inzidenzwerte, die solange aktualisiert werden, bis alle Nachmeldungen eingeflossen sind.

Die Vermutung, dass genau das sinnvoll sein könnte, liegt auf der Hand. Hamburg nutzt diese Methode schon länger offensiv und im Widerspruch zum RKI. Als die neue Tabelle mit den korrigierte Inzidenzen auf der RKI-Seite auftauchte fragte das Bürgerportal im NRW-Gesundheitsministerium nach, ob es künftig diese aktualisierten Daten verwenden will.

Die kurze Antwortet lautete: Eigentlich ja.

Die längere Antwort der Ministeriumssprecherin im Wortlaut:

„Weil bei der Vielzahl der Meldevorgänge technische und auch menschliche Fehler nie ausgeschlossen werden können und diese nicht zu falschen infektiologischen Schlüssen/Maßnahmen führen sollten, ist es zu begrüßen, dass nun für die Anwendung der Bundesnotbremse rückwirkende Aktualisierungen der Meldedaten vorgenommen werden. Diese werden bei der Feststellung des MAGS hinsichtlich der inzidenzabhängigen Regelungen der Bundesnotbremse berücksichtigt.”

Jetzt wird es endgültig kompliziert. Denn das MAGS stellt auf Rückfrage klar, dass ein Alleingang nicht möglich sei, eine Änderung müsste bundesweit einheitlich erfolgen.

Und auf der RKI-Seite steht nun ein Warnhinweis: 

„Diese (eingefrorenen) Werte sind für das In- und Außerkrafttreten der bundeseinheitlichen Maßnahmen nach § 28b des Infektionsschutzgesetzes maßgeblich. Die Zugrundelegung der „eingefrorenen“ Werte stellt sicher, dass die Werte keinen Schwankungen unterliegen und sich die von den Maßnahmen Betroffenen auf das In- bzw. Außerkrafttreten dieser mit einem zeitlichen Vorlauf einstellen können.”

Das hört sich nun wieder nicht nach einer raschen Anpassung an.

Hält der Trend?

Was wären die Auswirkungen in Rhein-Berg, wenn diese Anpassung doch käme?

Die aktualisierte Inzidenz von Samstag läge dann nicht bei 90, sondern nur sehr knapp unter 100. Und auch am Sonntag nicht bei 77, sondern bei 86. In den nächsten Tagen können – das zeigen die Erfahrungen der vergangenen Wochen – die Erstmeldungen um 10 bis 25 Punkte steigen – und damit knapp unter oder knapp über 100 liegen.

Dann könnte es deutlich länger dauern, bis die Inzidenz wirklich stabil fünf Tage lang unter 100 liegt.

Ohnehin gibt es eine dritte Frage, die jede Öffnungshoffnung rasch zunichte machen kann: Hält der positive Trend in Rhein-Berg überhaupt? Die Nachbar-Städte und Kreise weisen eine sehr viel höhere Inzidenz aus, zum Teil über 200, zum Teil mit steigender Tendenz. Warten wir es ab.

*Georg Watzlawek ist Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals Bergisch Gladbach. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

Beitragsfoto © pvdv63 (Pixabay)

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